Jagd:Südtirols berüchtigtster Wilderer

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"Verbote steigern den Reiz, das ist doch klar", sagt der ehemalige Wilderer Horst Eberhöfer. Hier präpariert er einen Kadaver, um einen Adler anzulocken, den er dann fotografieren will - seine Ersatzhandlung. (Foto: OH)

Geldbuße, Bewährungsstrafe, Entzug des Waffenscheins: Seine Jagdleidenschaft hat Horst Eberhöfer viel Ärger eingebracht. Besuch bei einem beinahe Geläuterten.

Von Titus Arnu

Der Horst belagert den Horst. Tagelang. Rund um die Uhr. Mit einem Teleobjektiv im Anschlag pirscht sich der Eberhöfer Horst an den Geier-Horst ran. Ein Bartgeier-Paar nistet an einer steilen Felswand, auf 2000 Meter Höhe im hinteren Martelltal.

Eigentlich ist es Amateurfotografen streng verboten, sich dem Brutplatz zu nähern. Vor kurzem ist dort ein Jungvogel geschlüpft. Doch den Eberhöfer Horst haben Verbote noch nie abgeschreckt. Im Gegenteil.

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"Verbote steigern den Reiz, das ist doch klar", sagt Eberhöfer. Er hat sehr viel Verbotenes getan. Nahaufnahmen von geschützten Bartgeiern sind da vergleichsweise harmlos. Im Südtiroler Nationalpark Stilfserjoch an der Grenze zwischen Italien und der Schweiz ging Eberhöfer jahrelang illegal auf die Jagd. Er schoss Hirsche, Gämsen und Rehe, erlegte Murmeltiere, Füchse und Auerhähne. Rund die Hälfte seines Lebens war Horst Eberhöfer, heute 48 Jahre alt, als Wilderer unterwegs.

Dreimal wurde er geschnappt und zuletzt zu einer hohen Strafe verurteilt - Geldbuße, acht Monate Haft auf Bewährung, Entzug des Waffenscheins. Er hat vor einigen Jahren ein Buch über seine Jagdleidenschaft geschrieben, die ihn immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt brachte ("Der Wilderer im Nationalpark"). Es wurde zum Bestseller, brachte ihm aber auch zusätzlichen Ärger ein. Denn Eberhöfer attackiert darin die Jägerschaft, die Politik und die Nationalparkverwaltung. Seiner Meinung nach verstehen die offiziellen Stellen in Südtirol den Naturschutz oft falsch.

Zum Treffen in einem Vinschgauer Gasthaus kommt Horst Eberhöfer mit einem dunklen Lieferwagen, seine Kleidung ist voller Farbflecken - er hat einen Malerbetrieb. Die Haare hängen ihm lang und wirr ins Gesicht, vor dem Gespräch geht er sich noch schnell waschen. Er redet leise, wählt vorsichtig jedes Wort. Nach der letzten Verurteilung ist er weggezogen aus seinem Heimatort Prad, ins 20 Kilometer entfernte Taufers, er lebt getrennt von seiner Frau, seine zwei erwachsenen Kinder hätten leider kein Interesse an der Natur und am Jagen, sagt er. Freunde habe er nicht mehr viele - er hat es sich durch sein Buch sowohl mit den Jägern als auch mit den Wilderen verscherzt.

30 Jahre ist die Jagd im Stilfersjoch schon verboten

Der Wilderer ist für Horst Eberhöfer ein Abbild des Steinzeitmenschen mit seinem Jagdtrieb. Schon als Vierjähriger begleitete er seinen Vater auf die Pirsch. "Im Dorf waren alle Wilderer, und als ich 13 war, habe ich nächtelang gebetet, dass ich mal so einen großen Hirsch schießen kann wie der Nachbar", erzählt Eberhöfer. Um der Erfüllung nachzuhelfen, besorgte er sich in der Schweiz eine Waffe und schmuggelte sie über die Grenze. Als Jugendlicher wilderte er mit anderen Halbwüchsigen aus dem Dorf: "Wir waren fünf Jungs, die sich die Gesetze selber gemacht haben, wir haben fanatisch gejagt." Mit 16 wurde er erwischt, musste das illegale Gewehr abgeben, doch nachdem er mit 18 den Waffenschein erworben hatte, wilderte er weiter. Mit 19 wurde er zum zweiten Mal, mit 23 zum dritten Mal geschnappt.

Die Jagd im Nationalpark Stilfserjoch ist schon seit mehr als drei Jahrzehnten verboten. Seitdem ist die Wilderei dort ein großes Thema. Viele Jäger fühlen sich ihrer uralten Rechte beraubt. "Sie nehmen sich das, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht", sagt Eberhöfer. Dabei spielt auch die Mentalität der Südtiroler eine Rolle: Das Wild im Schutzgebiet gehört dem italienischen Staat, und wer soll schon was dagegen haben, wenn man dem eine Gams oder ein Reh klaut?

Philipp Bertagnolli hat entschieden etwas dagegen. "Oh nein, der Horst!", stöhnt Bertagnolli, Förster und Jagdaufseher im Martelltal, wenn man ihn auf den berühmt-berüchtigten Wilderer anspricht. Die Nationalpark-Angestellten haben so ihre Erfahrungen mit dem Mann. Während seiner Zeit als Wilderer waren sie ihm ständig auf den Fersen. In den wenigsten Fällen haben sie ihn ertappt, obwohl Eberhöfer exzessiv unterwegs war. "Der hat das schon extrem betrieben", sagt Bertagnolli. "Mit dem Buch hat er sich und den Südtiroler Jägern allerdings keinen großen Gefallen getan."

"Irgendwann war es nur noch Töten"

Eberhöfer gibt zu, dass er es übertrieben hat: "Das war irgendwann nur noch Töten, nicht mehr Jagen". Trophäen fast aller Tierarten Südtirols hatte er sowieso schon an der Wand hängen. Es ging ihm um den Moment, in dem das Tier stirbt: "Man sieht die schönen Augen des Rehs, und dann löscht man das Leben aus. Man sieht, wie das Tier mit dem Tod kämpft. Und wenn es stirbt, wird der Blick schön und entspannt - als ob die Seele den Körper verlässt und aufsteigt." Diesen Augenblick wollte er wieder und wieder erleben, es war eine Passion, vielleicht auch eine Sucht.

Ganz frei davon scheint er immer noch nicht zu sein, wenn man ihn so schwärmen hört. Eberhöfer räumt ein, dass sein unbändiger Jagdtrieb befremdlich wirken kann: "Wenn ich nicht ich selber wäre, würde ich mich sehr kritisieren." Er wildert zwar nicht mehr, wie er beteuert, aber er besitzt wieder eine Jagdberechtigung und schießt vier bis fünf Tiere pro Saison.

Allerdings läuft sein Waffenschein demnächst aus - das liegt an einem italienischen Gesetz, nach dem Vorbestrafte ihre Waffen abgeben müssen. Wird der Ex-Wilderer dann wieder zum Wilderer? "Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, ich könnte den Waffenschein behalten", sagt Eberhöfer, aber er werde nicht rückfällig werden. Als Ersatzhandlung hat er das Fotografieren entdeckt. Mit Spektiv und Kamera nähert er sich den Wildtieren auf Jägerart, aber ganz ohne Tötungsabsicht. "Ich drücke ab - und meine Finger sind hinterher nicht blutig", sagt er.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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