Italienischer Bär "M13":Teddy oder Bestie?

Ein Jungbär mischt die Schweiz auf. Die Eidgenossen schwanken zwischen Furcht und Zuneigung für den aus Italien zugewanderten "M13". Bevor der doch noch zum "Problembär" wird, soll er aus dem Land vertrieben werden - von einer eigens gegründeten "Vergrämungs-Eingreiftruppe".

Wolfgang Koydl, Zürich

Was ist das überhaupt für ein Name für einen Bären? M13. So nennt man eine Autobahn oder ein Sturmgewehr oder höchstens noch die Agenten des Geheimdienstes von Montenegro oder Monaco. Aber Bären sollten entweder kernige oder kuschelige Namen tragen. Lumpaz etwa, oder Bruno, zwei Petze, die vor Jahren durch die Alpenwelt Bayerns, Österreichs und der Schweiz tappten, Einwohner wie Touristen gleichermaßen erschreckten und ein trauriges Ende nahmen.

Braunbär M13

Die Schweiz hat Probleme mit einem Einwanderer aus dem Süden. Nun soll eine "Vergrämungs-Eingreiftruppe" den italienischen Bären vertreiben.

(Foto: dpa)

Seit Karsamstag treibt nun M13 sein Unwesen im Unterengadin, und vielleicht ist die nüchterne alphanumerische Benennung denn auch nur ein Versuch der Schweizer, sich nicht nur den Bären selbst vom Leib zu halten, sondern auch die Emotionen für ihn. Wobei es egal ist, ob es sich da um Zuneigung handelt oder um Furcht.

Denn die Meinungen hierüber gehen derzeit noch weit auseinander. Als er unlängst in einem Bauernhof bei Scuol "eine Ziege aus dem Gehege geholt und mit ihr im Wald verschwunden war", wie der Zürcher Tages-Anzeiger vieldeutig schrieb, war der Jungbär in den Medien flugs zum blutrünstigen Untier mutiert. Doch als er einige Tage später von einem Spätzug der Rhätischen Bahn angefahren und verletzt wurde, wogte eine Welle des Mitleids mit dem vermeintlichen Teddy hoch.

Sie wurde verstärkt, als bekannt geworden war, dass sein Bruder M14 auf der Brennerstraße von einem Auto überfahren und getötet wurde. Doch M13 schien den Zusammenprall mit dem Zug gut verkraftet zu haben. "Wir fanden kein Blut", erklärte der Bündner Wildbiologe Hannes Jenny. "Er wird Prellungen und Schmerzen haben."

Eine konsequent dezidierte Meinung zu dem aus dem italienischen Bären-Ansiedlungsgebiet Life Ursus zugewanderten M13 hat bisher nur die extrem konservative Wochenzeitung Weltwoche beibehalten, eine Publikation mithin, die auch zweibeinigen Migranten aus dem Süden grundsätzlich misstraut. "Anderen Immigranten gegenüber sind wir meist nicht so tolerant", rügte das Blatt denn auch die Versuche, M13 zum Gummibärchen zu verniedlichen, und belehrte die Leser: "Bären können nicht lachen ... sie sind Einzelgänger und brauchen keine ausgeprägte Mimik. . . Wir wissen nicht, ob uns ein Bär mit Mordlust oder Langeweile betrachtet. Wir sollten aber daran denken, dass wir Herdentiere sind, die unter Umständen auf dem Speiseplan von Bären stehen."

Noch kein Problembär

Bislang freilich hat M13 noch keinen Bündner gefressen und sich - von der unglücklichen Ziege einmal abgesehen - aus Bienenstöcken und Abfalltonnen bedient. So ist er auf der Bärenskala des Schweizerischen Amtes für Umwelt (Bafu) auch noch nicht in den Rang eines Problembären aufgestiegen. In der nächsten Stufe würde er zum Risikobären und damit geriete er in Gefahr, abgeschossen zu werden und ausgestopft im Museum zu enden.

Einstweilen begnügten sich die eidgenössischen Wildhüter damit, den Bären zu betäuben und mit einem GPS-Halsband auszustatten, sodass sie seine Bewegungen kontinuierlich verfolgen können. Parallel dazu wird versucht, das Tier über die Grenze zurück ins Ausland zu treiben, zumal an der italienische Grenze am Ofenpass bereits M12 gesichtet wurde, der dritte Bär aus demselben Wurf.

Um M13 das Leben in der Eidgenossenschaft zu verleiden, wurde ein Team aus Experten und Wildhütern zusammengestellt, das den schönen Namen Vergrämungs-Eingreiftruppe trägt. Wohin M13 vergrämt wird, ob nach Tirol oder nach Italien, scheint den Schweizern letztlich egal zu sein. In Österreich dürfte er am ehesten willkommen sein. Seitdem er dort die Polizei auf einen ungeklärten Mordfall aufmerksam machte, nennt man ihn respektvoll "Inspektor Bär". Das klingt schon viel besser als M13.

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