Italien:Zusammenstoß auf offener Strecke

Italien: Das Unglück ereignete sich zwischen Barletta und Bari, die Strecke wird vor allem von Pendlern genutzt.

Das Unglück ereignete sich zwischen Barletta und Bari, die Strecke wird vor allem von Pendlern genutzt.

(Foto: Vigili del Fuoco/AFP)

In Apulien sterben bei einem Zugunglück mindestens 26 Menschen. Als Ursache wird menschliches Versagen vermutet.

Von Stefan Ulrich

Bei einem der schwersten Eisenbahnunglücke der italienischen Geschichte kamen am Dienstag in der Region Apulien mindestens 26 Menschen ums Leben, darunter einer der Zugführer. Mindestens 50 weitere Fahrgäste wurden verletzt, einige lebensgefährlich, teilte die Provinzverwaltung mit. Gegen 11.30 Uhr am Vormittag waren nördlich von Bari zwei Passagierzüge auf offener Strecke zwischen den Orten Andria und Corato frontal zusammengeprallt. Mehrere Waggons wurden zerfetzt, die Trümmer flogen Dutzende Meter weit zwischen die Olivenhaine. "Es ist ein Desaster, als ob ein Flugzeug heruntergekracht wäre", sagte der Bürgermeister von Corato, Massimo Mazzilli. Als mögliche Unfallursache machten lokale Medien menschliches Versagen aus.

"Am Unfallort sah es entsetzlich aus, grauenerregend", zitiert der Corriere del Mezzogiorno einen der ersten Polizisten, der bei den zerstörten Zügen eintraf. "Ich sah tote Menschen, andere riefen um Hilfe, wieder andere weinten. Es war der schlimmste Anblick meines Lebens." Helikopter überflogen die Unglücksstelle, zahlreiche Einsatzkräfte versuchten über Stunden, Überlebende aus den Trümmern zu bergen. Sie konnten unter anderem ein erst wenige Jahre altes Kind retten, das sofort in eine Klinik geflogen wurde. Andere Verletzte wurden in einem am Unfallort errichteten Feldhospital von Notärzten behandelt und von Psychologen betreut. Etliche Familienangehörige besuchten ihre verletzten Verwandten dort. Die Behörden befürchten, dass die Zahl der Todesopfer noch steigen wird.

Der italienische Premierminister Matteo Renzi unterbrach eine Rede in Mailand und kehrte sofort nach Rom zurück. Er wollte noch am Abend in Apulien eintreffen. Der Regierungschef versprach, alles für eine lückenlose Aufklärung des Zusammenpralls zu tun. Ein Sprecher der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung sagte, es sei absurd, dass sich angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten noch immer derartige Unfälle ereigneten.

Die Zuglinie zwischen Barletta und Bari, auf der sich der Crash ereignete, wird besonders von Pendlern und Studenten genutzt. Die Zahl der Passagiere steigt seit Jahren. Verantwortlich für den Bahnverkehr sind die Ferrovie del Barese Nord, die von der apulischen Aktiengesellschaft Ferrotramviaria betrieben werden. Das Unglück geschah am Beginn einer Kurve auf einer einspurigen Strecke, die jedoch gerade zweispurig ausgebaut wird.

Die Regierung in Rom schickte zwei Inspektoren nach Apulien, die Staatsanwaltschaft nahm am Dienstag Ermittlungen auf. Bürgermeister Mazzilli sagte, zum Unglückszeitpunkt habe es keine Gleisarbeiten an dem betroffenen Streckenabschnitt gegeben. Als mögliche Unfallursachen wurden am Dienstag ein Fehler in den Computersystemen, die den Eisenbahnverkehr auf dem eingleisigen Streckenabschnitt regeln, oder menschliches Versagen genannt. Zum Unglückszeitpunkt hätte einer der beiden Züge in einem Bahnhof warten müssen, während der andere unterwegs war. Der schleppende Ausbau des apulischen Gleissystems wird in Italien seit Langem kritisiert.

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