Italien:"Wie kann man nur?"

Erdbebenopfer als Lasagne dargestellt: Die italienische Gemeinde Amatrice verklagt "Charlie Hebdo".

Von Oliver Meiler, Rom

In Amatrice mag niemand lachen, schon gar nicht über billigen und bissigen Humor aus Paris. Die Gemeinde in Mittelitalien, die vom Erdbeben am 24. August besonders stark getroffen und verwüstet wurde, fühlt sich von den Satirikern von Charlie Hebdo verhöhnt - und zwar so sehr, dass sie nun zwei Zeichner und die Verantwortlichen der französischen Wochenzeitung wegen "makabrer Verunglimpfung" und "schwerer Verleumdung" angezeigt hat. So steht es in der Klageschrift, die im Provinztribunal von Rieti liegt. Die Justiz, so hofft man wenigstens in Amatrice, soll zum Schluss gelangen, dass man nicht über alles lachen dürfe. Oder, wie es der Anwalt der Gemeinde sagt: "Satire ist ein unantastbares Recht, in Italien wie in Frankreich. Doch nicht alles kann Satire sein."

Zur Debatte stehen zwei Zeichnungen. Die erste erschien sechs Tage nach dem Erdbeben auf der letzten Seite des Wochenblatts, auf der Charlie Hebdo jeweils jene Karikaturen zeigt, die es genauso gut aufs Cover hätten schaffen können. Der Zeichner Felix beschäftigt sich da mit der Katastrophe von Amatrice und Accumoli, von Pescara del Tronto und Arquata, und bedient sich dafür bei den Insignien der italienischen Kulinarik. Der Titel über seinen Zeichnungen: "Beben nach italienischer Art". Auf dem linken Bild sieht man zwei verletzte, blutverschmierte Überlebende des Erdstoßes: Einer ist Felix zufolge mehr "Penne an Tomatensoße", der andere stellt "Überbackene Penne" dar. Rechts dann ist ein Schutthaufen mit mehreren Trümmerlagen zu sehen, aus denen Arme und Beine von Leichen hängen - "Lasagne".

Die Empörung über die beiden Zeichnungen war groß und fast einhellig. Natürlich meldeten sich auch wieder einige Verfechter der Maxime, wonach Satire alles dürfe, immer und sowieso. Im Netz gab es auch solche, die den Italienern zu erklären versuchten, dass "Charlie" nur schwarzen Humor betreibe, wie es das Blatt auch nach der Attacke auf seine Redaktion im Umgang mit sich selbst und mit dem Islam tat. Doch die Zwischenrufe gingen unter in der allgemeinen Empörung. Die französische Botschaft in Rom fühlte sich gedrängt, sich "absolut" von der Zeitung zu distanzieren. Und der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, sagte, er wisse gar nicht, was er sagen solle, außer eben: "Wie kann man nur?"

Die Zeitschrift wollte sich wohl entschuldigen. Besser wurde es dadurch nicht

Darauf schob Charlie Hebdo auf Facebook eine Zeichnung von Coco nach, die den Sinn der ersten Karikatur präzisieren sollte und wohl, so darf man es vermuten, durchaus auch die Gemüter besänftigen wollte: "Italiener, nicht 'Charlie Hebdo' baut eure Häuser", steht da neben der Skizze eines vom Erdbeben verwüsteten Dorfes, "es ist die Mafia!"

Das machte die Sache allerdings nicht wirklich besser, eher im Gegenteil. Pasta und Mafia, mehr Klischee geht gar nicht. Natürlich ist es wahr und allseits eingestanden, dass in italienischen Erdbebengebieten selten erdbebensicher gebaut wird. Und natürlich gelangen da und dort auch Strohfirmen der Mafia zu Aufträgen. Doch die Präzisierung, ohne jeden Anspruch auf Satire, war eben nur eine Pauschalisierung.

In Italien sind seither nicht mehr viele Charlie. In den sozialen Netzwerken hat der Hashtag #JeNeSuisPlusCharlie den alten und solidarischen #JeSuisCharlie abgelöst. Angelino Alfano, Italiens Innenminister, sonst ein Mann mit vorsichtiger Wortwahl, ließ sich vor laufender Kamera zu folgender Tirade hinreißen: "Wir haben um ihre Toten getrauert, sie aber lachen über unsere Opfer. Ich hätte da eine Idee, wohin sie sich ihre Zeichenstifte stecken könnten."

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