Unfall in Italien:Zug entgleist bei Mailand - Staatsanwaltschaft prüft Fahrlässigkeit

  • Gegen 7 Uhr morgens ist in der Nähe von Mailand ein Zug entgleist, es gab drei Tote und etwa hundert Verletzte.
  • Die Ursache für das Unglück ist noch unklar, am wahrscheinlichsten galt zunächst, dass ein kleines, altes Stück Schiene zwei Kilometer vor dem Unfallort unter der Last des Zugs nachgegeben hat.

Von Oliver Meiler, Rom

Das Unglück hat sich mit einem lauten, minutenlangen Zittern und Vibrieren angekündigt, bei 100 Kilometern pro Stunde. So erzählten es Überlebende aus dem Regionalzug 10452, der am Donnerstagmorgen kurz vor 7 Uhr in Pioltello, einem Vorort von Mailand, entgleist war. Drei Personen kamen um, alles Frauen. Etwa hundert Fahrgäste wurden verletzt, fünf von ihnen schwer. Der Pendlerzug der lombardischen Bahngesellschaft Trenord, der um 5.32 Uhr in Cremona losgefahren war, war voll ausgelastet, wie er das jeden Morgen ist: sechs Wagen, 350 Passagiere, vor allem Angestellte und Studenten auf dem Weg zur Arbeit oder zur Universität. Viele fanden mal wieder keinen Sitzplatz. Sie standen in den Gängen, als der entgleiste Zug mit einem "Knall" gegen einen Strommasten prallte.

Noch sind die genauen Unfallursachen unklar. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat bereits Ermittlung aufgenommen und geht dabei der Frage nach, ob "Fahrlässigkeit" zur Katastrophe geführt haben könnte, etwa beim Unterhalt der Schienen, der Weichen oder des Rollmaterials. Am wahrscheinlichsten galt zunächst, dass ein kleines, altes Stück Schiene zwei Kilometer vor dem Unfallort unter der Last des Zugs nachgegeben hat. Die italienischen Medien zeigten ein zwanzig Zentimeter langes, defektes Stück Schiene mit drei großen Schrauben. Einer der Bahnwagen soll schon an dieser Stelle entgleist sein, was das lange Zittern und Vibrieren erklären würde, von dem die Augenzeugen erzählten. Erstaunlicherweise gerieten nur die mittleren Wagen aus der Spur, der erste und letzte Wagen dagegen nicht.

Das Unglück von Pioltello rückt eine alte Debatte wieder mit Macht ins Zentrum der Öffentlichkeit: Die regionalen Bahnnetze in Italien haben einen fürchterlichen Ruf, im Süden genauso wie im wirtschaftlich blühenden Norden. Die Züge sind vielerorts alt, schmutzig, chronisch unpünktlich, und überall ist der Platz zu knapp. Regelmäßig veröffentlichen die italienischen Zeitungen Ranglisten der bedenklichsten Pendlerstrecken. Bei der jüngsten Erhebung vom vergangenen Dezember schnitt die Verbindung zwischen Rom und Ostia am schlechtesten ab, gefolgt von der Strecke zwischen Reggio Calabria und Taranto und jener zwischen Palermo und Agrigento. Zu den zehn schlimmsten Linien zählen auch zwei im Norden.

Allein in der Lombardei, der wirtschaftsstärksten Region des Landes, haben sich 25 Vereinigungen mit tausenden aufgebrachten Pendlern gebildet. Ihre Klage richtete sich bisher vor allem gegen Unannehmlichkeiten bei Komfort, Preis und Verlässlichkeit der Bahn. Nun kommt die Sorge um die Sicherheit dazu.

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