Italien:Letzter Freispruch für Amanda Knox

File photo of Amanda Knox, the U.S. student convicted of killing her British flatmate in Italy in 2007, looking on during a trial session in Perugia

Nach siebeneinhalb Jahren der Prozesse frei: Amanda Knox.

(Foto: Alessia Pierdomenico/Reuters)

Der Kassationshof in Rom hebt die Urteile für die Amerikanerin und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito auf. Sie sind nicht schuldig am Mord an der Britin Meredith Kercher in Perugia.

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens Justiz hat die Amerikanerin Amanda Knox und den Italiener Raffaele Sollecito freigesprochen - definitiv, in letzter Instanz. Die Richter des Römer Kassationshofs, Italiens oberstem Gericht, haben nach elf Stunden Beratung einen früheren Schuldspruch kassiert: Beide tragen demnach keine Schuld am Tod der britischen Studentin Meredith Kercher, die am 1. November 2007 in Perugia umgebracht wurde.

Die Richter mochten dem Antrag des Generalstaatsanwalts nicht folgen, der in seinem Plädoyer einen viel beachteten Vergleich gemacht hatte: Alle Figuren des Prozesses hätten in diesem Mordfall ihren festen Platz - wie auf einem fein komponierten Foto des Franzosen Henri Cartier-Bresson. Gemeint war: alle schuldig.

Mit dem Urteil endet eine jahrelange Justizsaga mit vier größeren Wendungen. Knox und Sollecito, zur Tatzeit ein Liebespaar, waren in erster Instanz verurteilt worden. Im Berufungsverfahren 2011 sprach sie das Gericht in Perugia frei. Darauf zog die Staatsanwaltschaft den Fall an den Kassationshof, der ihn für eine neuerliche Prüfung an ein Gericht in Florenz weiterreichte. Dieses Tribunal verurteilte die beiden im Sommer 2014 zu langen Haftstrafen - 28 Jahre und sechs Monate für Knox , 25 Jahre für Sollecito. Der defitinive Bescheid des hohen Gerichts, das von den Verurteilten angerufen worden war, schließt nun das juristische Kapitel des Mordfalls.

Knox war auch dem letzten Prozesstermin ferngeblieben. Seit der Freilassung vor vier Jahren lebt sie wieder in Seattle, ihrer Heimatstadt, arbeitet als Reporterin. Ihr Anwalt erzählte den Medien, Knox habe in den letzten Tagen kaum geschlafen, sei "sehr besorgt" gewesen. Nachbarn berichteten aber, sie habe in der Nacht vor dem Urteil im Haus ihrer Eltern im Westen Seattles eine Party gefeiert.

Sollecito wohnte den Gerichtsverhandlungen bei - in der ersten Reihe, mit wallend langem Haar. Er war noch da, als seine Anwältin, die berühmte Strafverteidigerin Giulia Bongiorno, am Freitag ihr langes Plädoyer vortrug. Sollecito, sagte sie, sei in eine Geschichte geraten, die "viel größer war als er". Sie beschrieb ihren Mandanten als "Forrest Gump" - unfähig, Böses zu tun. Sollecitos Genmaterial auf einem Küchenmesser und am Verschluss von Kerchers Büstenhalter, das der Anklage als Indizien diente, nannte sie "irreführend", bei den Tests seien Richtlinien missachtet worden.

Auch für Knox fand Bongiorno entlastende Argumente, obschon sie die Geschichte ihres Klienten möglichst von der der Amerikanerin trennte. So gab sie zu bedenken, dass Knox in Begleitung einer "seltsamen Hellseherin" bei der Polizei erschienen sei: "Was sucht eine Hellseherin auf einem Polizeirevier?", fragte die Anwältin. Auch Knox sei unschuldig, sagte Bongiorno. Nach ihrem Plädoyer verließ Sollecito das Gericht wortlos und kehrte ins süditalienische Bari zurück.

Das italienische Fernsehen schaltete während der langen Wartezeit Sondersendungen zum Thema. Wie in den letzten siebeneinhalb Jahren immer wieder. Kaum ein Prozess der letzten Jahrzehnte hat mehr Debatten provoziert als der zu dem Mord von Perugia.

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