Italien:Flüchtlingskinder in Kanalisation entdeckt

Italien ist erschüttert: In den Abwasserkanälen unter einem römischen Bahnhof sind zwei Dutzend afghanische Flüchtlingskinder entdeckt worden.

Erschütterndes Flüchtlingsdrama in Italien: In der Kanalisation von Rom wurden 24 Flüchtlingskinder aus Afghanistan entdeckt, wie die italienische Presse berichtete. Nach Angaben der Sozialarbeiter, die sich nun um die Kinder kümmern, wurden die zwischen zehn und 15 Jahre alten Kinder von Schlepperbanden nach Italien gebracht und hofften, zu Angehörigen "nach Nordeuropa" weiterreisen zu können. Nach italienischen Medienberichten vom Sonntag leben mehr als 1000 Minderjährige täglich auf den Straßen Roms, und viele verbringen ihre Nächte im Untergrund.

Die Minderjährigen wurden im Kanalsystem und in den unterirdischen Gängen am Bahnhof Ostiense aufgespürt, einem der drei großen Bahnhöfe der italienischen Hauptstadt. Dort hatten sie nach Angaben von Sozialarbeitern bereits fünf Tage verbracht, als sie entdeckt wurden. Einige von ihren waren körperlich deutlich geschwächt. Der Zeitung La Repubblica zufolge schliefen die Kinder unter Pappen und schmutzigen Tüchern in ihrem Versteck. Vermutlich seien sie über die Türkei und Griechenland nach Italien gekommen.

In dem Blatt hieß es weiter, afghanische Familien zahlten bis zu 10.000 Dollar (etwa 7500 Euro) an Schlepper, damit ihre Kinder über die Türkei, Griechenland und die Länder Ex-Jugoslawiens nach Italien gebracht werden. Afghanen machen demnach etwa 30 Prozent der obdachlosen Minderjährigen in Rom aus. Weitere 30 Prozent kommen aus Rumänien, 13 Prozent aus Ägypten, 12 Prozent aus Albanien.

Der Chef der römischen Bahnpolizei, Carlo Casini, äußerte sich am Sonntag schockiert über das Schicksal der Minderjährigen. Diese Kinder hätten wohl Fürchterliches mitgemacht, bis sie nach Italien kamen, sagte Casini, der die Sozialdienste alarmiert hatte. Keines der Kinder spricht Italienisch, keines konnte genau sagen, woher es kam, oder konnte auch nur sein genaues Alter angeben, wie Sozialarbeiter berichteten.

Außer den Minderjährigen entdeckte die Bahnpolizei bei einem Sondereinsatz an dem Bahnhof auch fast hundert weitere illegale Einwanderer aus verschiedenen Nationen. Nach einem Bericht des italienischen Fernsehsenders Sat 2000 hatte sich unter den Flüchtlingen eine regelrechte Hierarchie entwickelt. Demnach waren Indern und Pakistanern die sichersten Schlafplätze vorbehalten, Iraner oder Afghanen hingegen hätten bis ins Kanalisationssystem nach einem ruhigen Platz für die Nacht suchen müssen.

Roms Bürgermeister Gianni Alemanno sagte in einem Fernsehinterview, der Vorfall sei eine Schande für die Stadt. "Die Zahl minderjähriger Afghanen steigt in Rom ständig an", sagte Valerio Neri von der Hilfsorganisation Save the Children in Italien. 2004 seien in Rom 32 Kinder und Jugendliche aus Afghanistan entdeckt worden, 2007 bereits 264.

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