Italien feiert Hafenamts-Kommandanten:Held am Funkgerät

"Gehen Sie zurück an Bord, verdammte Scheiße!": Korvettenkapitän Gregorio De Falco versuchte vom Hafenamt in Livorno aus, den Kapitän der "Costa Concordia" zur Rückkehr auf das sinkende Schiff zu bewegen. Seine Landsleute und die italienische Presse feiern den 46-Jährigen nun für seine Tatkraft. Er selbst kann das nicht verstehen.

Er soll vor Wut geweint haben. Gregorio De Falco hatte in der Nacht der Costa-Concordia-Katastrophe Dienst im Hafenamt von Livorno, vom Festland aus koordinierte er die Rettungsmaßnahmen. Erst mit eindringlichen, später mit drastischen Worten versuchte der Fregattenkapitän seinen Kollegen Francesco Schettino zur Rückkehr auf das sinkende Kreuzfahrtschiff zu bewegen. Seine Landsleute und die italienische Presse feiern De Falco dafür wie einen Helden.

"Gehen Sie zurück an Bord, verdammte Scheiße!", ist eines der Zitate des 46-Jährigen, das sich in fast allen italienischen Medien findet. Am Dienstag waren Inhalte des Funkkontakts zwischen dem Kapitän der Costa Concordia - der das Schiff noch während der laufenden Evakuierung verlassen hatte - und der Hafenaufsicht publik geworden. Während die Gespräche ein desaströses Bild von Schettinos Krisenmanagement zeichnen, präsentiert sich De Falco als Mann der Tatkraft: "Sagen Sie mir, wie viele Menschen an Bord sind - ob Frauen, Kinder und Hilfsbedürftige dort sind", fordert er den anderen Kapitän auf.

"De Falco for President"

Vor allem das Internet ist voller Lobeshymnen auf den Mann, der seit dem Unglück nonstop die Rettungsarbeiten koordiniert. "De Falco for President" heißt es beim Kurznachrichtendienst Twitter - einige User fordern sogar eine sofortige Heiligsprechung: "Santo subito". De Falco sei das Gesicht eines besseren Italien. Er stehe für ein Land, das sich an Regeln halte - "gegen das des Bunga-Bunga", hieß es in Anspielung auf die Affären des ehemaligen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Doch sei das Land auch noch "voller Schettinos".

Hilflos musste De Falco in Livorno miterleben, wie sich sein Kollege vor Ort aus der Verantwortung für Schiff und Passagiere stahl. "Er hat vor Wut geweint", wird ein Vorgesetzter des Hafenamtskommandanten in der römischen Tageszeitung La Repubblica zitiert.

Der schlanke 46-Jährige mit den kurzen lichten Haaren kommt wie Schettino aus der Region Kampanien. Er wuchs auf der Insel Ischia auf und zog mit dem Einstieg in den Beruf nach Norditalien. Er arbeitete in Ligurien, leitete dort drei Jahre lang das Hafenamt von Santa Margherita Ligure. Danach ging es für den Familienvater nach Livorno.

De Falcos Frau wundert sich über das überschwängliche Lob für ihren Mann. Sie finde es besorgniserregend, "dass Menschen, die einfach nur jeden Tag ihre Pflicht tun, in diesem Land plötzlich Idole werden, Persönlichkeiten, Helden", wird sie in Medien zitiert. Auch De Falco selbst macht nicht viel Aufhebens um sich. "Hört auf, von mir zu reden, bitte", zitieren ihn italienische Medien. "Es ist meine Aufgabe zu retten."

Costa Concordia war bereits zuvor auf gefährlichem Kurs

Unterdessen mehren sich die Hinweise, dass Schettino die Costa Concordia nicht zum ersten Mal gefährlich nahe an die Insel Giglio heransteuerte. Die BBC berichtete unter Berufung auf italienische Medien, der 52-Jährige habe in Vernehmungen ausgesagt, das Manöver so bereits drei- oder viermal durchgeführt zu haben. Zudem belegten Satelliten-Aufzeichnungen von Lloyd's List Intelligence, einem Informationsdienst für die Schifffahrt, dass sich das Kreuzfahrtschiff der Insel bereits am 14. August 2011 auf weniger als 250 Meter genähert hatte. Lloyd's spricht der BBC zufolge in diesem Zusammenhang von einer "Beinahe-Kollision".

An besagtem Augusttag fand auf Giglio ein Festival statt - zu diesem Anlass habe die lokale Schifffahrtsbehörde einen veränderten Kurs der Costa Concordia genehmigt, hatte der Vorsitzende der Reederei Costa Crociere, Pier Luigi Foschi, am Montag erklärt. Allerdings hat sich das Schiff Foschi zufolge der Insel niemals auf weniger als 500 Meter genähert.

Costa Crociere hatte stets betont, Schettino habe am vergangenen Freitag eigenmächtig die Route geändert - die neuen Erkenntnisse werfen jedoch zumindest ein zweifelhaftes Licht auf das Verantwortungsbewusstsein des Schifffahrtsunternehmens.

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