Italien:Die Welt des Bademeisters

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Mussolini-Schilder in der Umkleide, Hetzreden über Lautsprecher: Wie ein Badestrand faschistisch wurde.

Von Oliver Meiler, Rom

Von Gianni Scarpa, einem Bademeister aus Chioggia bei Venedig, hatten die Italiener bis vor wenigen Tagen noch nie gehört. Erstaunlich. Denn wenn sein Strandstück an der Adria voll ist, liegen an der Playa Punta Canna 650 Gäste. Es hätte also durchaus mal jemandem einfallen können, die Medien zu informieren. Oder die Gemeinde. Oder die Polizei. Denn auf seiner Brust trägt Scarpa ein Medaille mit dem Konterfei von Benito Mussolini.

Nun meldete La Repubblica die bizarre Geschichte des Bademeisters, die sich gerade zur Debatte über Italiens Umgang mit faschistischer Propaganda auswächst. Denn Scarpa trug sein Bekenntnis nicht nur als Brustschmuck mit sich herum, er bedruckte damit auch Schilder und heftete sie an die Wände der Kabinen und Klos. Auf der Tür einer Hütte, deren Zugang dem Personal vorbehalten war, stand: "Privat - Gaskammer". Scarpa hielt auch regelmäßig Ansprachen über den Strandlautsprecher. Drogenabhängigen wünschte er darin die "Ausrottung". Er finde Demokratie zum Kotzen, er sei für eine Rückkehr zum Regime: "Hier wenigstens, bei mir zu Hause, lebt man im totalen Regime."

Nach dem Artikel besuchte die Polizei den "Strand des Duce", wie er nun genannt wird. Sie zwang Scarpa, die Schilder zu entfernen. "Das war doch nur studentischer Unfug", sagt er nun in alle Kameras. Scarpa ist 64 Jahre alt. Der Strand ist natürlich nicht sein Eigentum, sein "Daheim", sondern staatlicher Boden: Die Gemeinde hat ihm nur eine Konzession erteilt, damit er ihn bewirtschaften darf, vor 22 Jahren schon. Ob Scarpa nun die Lizenz verliert? Wegen Verherrlichung des Faschismus angeklagt wird? Unwahrscheinlich. Bisher droht nur dem eine Strafe, der auch im Sinn hat, eine faschistische Partei zu gründen, alles andere fällt unter Meinungsfreiheit. Im Parlament aber wird dieser Tage ein neues Gesetz besprochen. Käme es durch, würden künftig auch Propagandisten bestraft, die keine Absicht haben, eine Partei zu gründen - Leute wie Bademeister Scarpa.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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