Islam in Deutschland:Integration ist eine Bringschuld? Von wegen!

Merkez Moschee Duisburg

Muslime beten in der Merkez-Moschee in Duisburg während des Freitagsgebetes. (Archivbild)

(Foto: picture alliance / dpa)

Deutsche Nichtmuslime wissen wenig über den Islam - empfinden ihn aber trotzdem als bedrohlich. Daran können Muslime allein wenig ändern.

Kommentar von Hannah Beitzer

Integration ist eine Bringschuld. Dieser Satz fällt fast immer, wenn es um die in Deutschland lebenden Muslime geht. Er ist für die deutschen Nichtmuslime ja auch ziemlich bequem. Sollen die mal machen, was geht's mich an.

Studien und Befragungen zeigen tatsächlich immer wieder, dass ein Großteil der Muslime dieser vermeintlichen Bringschuld tatsächlich nachkommt. Deutsche Muslime orientieren sich "stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität", heißt es zum Beispiel im Bertelsmann Religionsmonitor aus dem Jahr 2015. 90 Prozent der hochreligiösen Muslime betrachteten die Demokratie als eine gute Regierungsform. Und 60 Prozent der Muslime würden die Hochzeit homosexueller Partner akzeptieren.

57 Prozent der Deutschen empfinden den Islam als bedrohlich

Die allermeisten Muslime geben an, ihre Freizeit auch mit Nichtmuslimen zu verbringen. Und etwa zwei Drittel von ihnen denken, gut über das Christentum Bescheid zu wissen. Das ergab jüngst eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov.

Das Defizit scheint eher auf der anderen Seite zu liegen - nämlich der der Nichtmuslime. 62 Prozent von ihnen sagten YouGov, keinen Menschen muslimischen Glaubens in ihrem privaten Bekanntenkreis zu haben. Mehr als die Hälfte gab an, wenig über den Islam als Religion zu wissen. 84 Prozent waren noch nie in einer deutschen Moschee. Na und? Ist doch deren Sache, könnte man jetzt sagen.

Wenn nicht gleichzeitig die Angst der Nichtmuslime vor dem Islam steigen würde. Auch das zeigte nämlich der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. 57 Prozent der Deutschen empfinden den Islam als bedrohlich, 40 Prozent gaben an, sie fühlten sich wegen der Muslime "wie Fremde im eigenen Land". Besonders hoch sind die Vorbehalte in jenen Gegenden Deutschlands, in denen es wenige Muslime gibt - allen voran im Pegida-Geburtsland Sachsen.

Besonders niedrig sind sie hingegen in der Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen - der Altersgruppe, die auch der YouGov-Umfrage zufolge am meisten Kontakt zu Muslimen hat. Kontakt baut Ängste ab, schafft Verständnis, ist also unbedingt notwendig, damit Muslime tatsächlich auch in den Köpfen ein Teil von Deutschland werden können.

Erster Schritt wäre: die eigene Unwissenheit eingestehen

Und hier zeigt sich, dass die Formel "Integration ist eine Bringschuld" nicht aufgeht. Denn die Muslime tragen ja offensichtlich ihren Teil bei, wie die Befragungen zeigen. Es ist die andere Seite, die umdenken muss. Dabei ist den Nichtmuslimen in vielen Fällen nicht einmal vorzuwerfen, dass sie keine Muslime kennen. In vielen Gegenden Deutschlands ergab sich bisher schlicht nicht die Gelegenheit dazu, betont etwa Yasemin El-Menouar, die den Bertelsmann Religionsmonitor leitete.

Ärgerlich ist jedoch, wenn viele trotzdem eine strenge und laute Ablehnung des Islam pflegen. Die Formel "Wenn man keine Ahnung hat - einfach mal die Fresse halten" gilt leider nie für einen selbst, immer nur für die anderen. Ein paar im Internet zusammengesuchte oder auf einer Pegida-Demo aufgeschnappte Koran-Verse genügen, die eigene negative Meinung über "den Islam" zu zementieren.

Es gibt nicht "die Flüchtlinge"

Der erste Schritt wäre da schon einmal, sich die eigene Unwissenheit einzugestehen - und zu hinterfragen, warum man sich vor Leuten fürchtet, über deren Leben und Glauben man eigentlich kaum etwas weiß. Viel wichtiger aber noch ist es, die Angst durch Neugierde zu ersetzen, Menschen, die anders aussehen und anders leben als man selbst, offen zu begegnen - beziehungsweise: ihnen überhaupt zu begegnen.

Diesen Schritt haben viele Deutsche im vergangenen Jahr schon gemacht, indem sie sich für die größtenteils muslimischen Flüchtlinge engagierten und immer noch engagieren. 2015 bot sich wirklich überall in Deutschland die Gelegenheit, Muslime kennenzulernen. Und klar, ohne Irritationen lief das nicht ab. Es gab für viele Flüchtlingshelfer Situationen, in denen die Werte einzelner Flüchtlinge tatsächlich nicht zu den eigenen passten, Situationen, die für wechselseitigen Ärger und Enttäuschung sorgten.

Aber es gab eben auch viele ganz andere Situationen, Begegnungen zwischen Menschen, die sich sehr gut auf gemeinsame Werte einigen konnten - ganz egal, welchen Glaubens sie waren. So wurde deutlich: Es gibt nicht "die Flüchtlinge", "die Muslime" oder "den Islam". Genauso wenig wie es "die Deutschen" oder "das Volk" gibt - auch wenn AfD, Pegida und Co. das gerne anders darstellen.

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