Inzest-Fall in Amstetten:Alles kommt ans Licht

Gerüchte, Vermutungen und Querverbindungen deuten im Inzest-Fall von Amstetten an, Josef F. hätte schon viel früher auffallen müssen. Das eigentliche Verbrechen - Vergewaltigung, Inzest, Freiheitsberaubung, unvorstellbare seelische Grausamkeit - gerät dabei in den Hintergrund.

Cathrin Kahlweit

Er muss das wohl alles allein getan haben. Josef F., der mittlerweile 73-jährige Elektroingenieur, dessen Verbrechen seit Tagen nicht nur die österreichische Öffentlichkeit, sondern die ganze Welt schockiert, hatte nach allem, was das Landeskriminalamt Niederösterreich bislang recherchieren konnte, keine Mittäter.

Inzest-Fall in Amstetten: Ein Polizist sperrt das Tor vor dem Haus von Josef F. ab.

Ein Polizist sperrt das Tor vor dem Haus von Josef F. ab.

(Foto: Foto: AP)

"100 Prozent sicher kann man aber nie sein", so LKA-Chef Franz am Mittwoch in Amstetten. Allein, so scheint es, hat er vor der Einkerkerung seiner damals 18-jährigen Tochter Elisabeth eine 300 Kilogramm schwere Stahltüre mit Beton ausgegossen und im Eingang zum Verlies eingebaut, allein hat er das unterirdische Gefängnis, in dem 24 Jahre lang erst seine Tochter und dann die drei gemeinsamen Kinder Kerstin, Stefan und Elisabeth hausten, ausgebaut. Um dieses Tor zur Unterwelt zu finden, musste man fünf Kellerräume durchqueren und ein Regal ausräumen. Einem Heizungsinspekteur, der 1999 die Heizanlage überprüfte, sei nichts aufgefallen, lässt der Bürgermeister von Amstetten wissen.

Allein soll F. in Nachbarorten Essen, Windeln, Kleider gekauft und diese nachts in das Verlies geschleppt haben, allein hat er eine Waschmaschine, eine Gefriertruhe und einen Kühlschrank hinunterschafft. Eine Flucht sei nie möglich gewesen, soll seine Tochter, die mit ihren sechs Kindern im Klinikum Mostviertel in einer 80-Quadratmeter-Wohnung untergebracht ist, ausgesagt haben. Ihr Vater habe gedroht, wenn ihm etwas passiere, müssten die vier Eingekerkerten in ihrer Höhle sterben. Der Polizei sagte F. bei seiner Vernehmung, er habe gedroht, Gas in das Verlies zu leiten, um seine Tochter gefügig zu halten.

Berichte der Brigitte, dass ein Sohn von F. einen Kellerschlüssel besessen haben soll, bezeichnete Franz Polzer vom LKA als "theoretisch denkbar". Nachbarn hatten erzählt, der Sohn habe als eine Art "Hausmeister" fungiert und ab und zu etwas aus dem Keller geholt. Ohne Vorwissen über das Verlies hätte man dieses im Keller aber niemals gefunden, so Polzer. Überdies sei im Verlies selbst bislang nur die DNS von F. und den vier Bewohnern gefunden worden. Das deute darauf hin, dass niemand anderes die Zimmer jemals betreten habe.

Dass Elisabeth und ihre Kinder ihr Gefängis schließlich verlassen durften, muss dem Flehen der 42-Jährigen zu verdanken sein, die im Fernsehen die Aufrufe der Klinik verfolgte, die Mutter der dort liegenden, lebensgefährlich erkrankten Kerstin solle sich melden. Das Krankenhaus brauche mehr Informationen, um deren Leben zu retten. Offenbar öffnete F. daraufhin das Verlies, erklärte seiner verdutzten Frau, Elisabeth sei mit zwei Kindern zurückgekommen - und begleitete sie ins Krankenhaus.

Nach Aufdeckung der Tat war in den Medien die Rede von einem vertraulichen Anruf gewesen, aufgrund dessen Elisabeth in der Nähe des Krankenhauses aufgegriffen wurde; dies hatte anfangs Mutmaßungen darüber verstärkt, dass ein Mitwisser die Polizei im Vorfeld des Krankenhausbesuches informiert haben könnte. Tatsächlich, so die Polizei am Mittwoch, waren Elisabeth F. und ihre beiden Söhne gemeinsam im Krankenhaus erschienen; danach sei der Anruf eingegangen, der demnach wohl aus dem Krankenhaus selbst getätigt wurde.

Nach wie vor geht das LKA davon aus, dass Rosemarie F., die Ehefrau des Täters, nichts gewusst hat. Gewusst haben muss sie allerdings von anderen Problemen ihres Mannes mit der Polizei, die sich durch dessen Leben zogen. So war F. vor etwa 25 Jahren kurzfristig in Haft gewesen, weil es auf seinen Grundstücken am Mondsee, wo er eine Gastwirtschaft betrieb, 1974 und 1982 gebrannt hatte.

Der Verdacht auf Brandstiftung habe sich aber nicht erhärtet. Untersucht wird nun ebenfalls, ob F. vor 22 Jahren etwas mit dem Tod eines jungen Mädchens am Mondsee zu tun gehabt haben könnte. Der Polizeichef von Oberösterreich, Alois Lissl, gab an, man überprüfe das Alibi von F. für die Tatzeit, bisher gebe es aber keinen Hinweis auf einen Zusammenhang. Die Polizei hat ebenfalls nicht bestätigt, dass F. vor Jahren wegen versuchter Vergewaltigung verurteilt worden ist. Allerdings hat sich laut Oberösterreichische Nachrichten eine Frau aus Linz gemeldet, die angibt, von F. 1967 missbraucht worden zu sein.

Gerüchte, Vermutungen, Querverbindungen kommen nun also auf, die allesamt anzudeuten scheinen, F. hätte schon viel früher auffallen müssen. Das eigentliche Verbrechen - Vergewaltigung, Inzest, Freiheitsberaubung, unvorstellbare seelische Grausamkeit - gerät dabei in den Hintergrund. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer beschäftigt derweil auch die Sorge um das Image des Landes. PR-Profis sollen nun ein Konzept entwickeln, um Österreich wieder ins rechte Licht zu rücken. "Es gibt keinen Fall Amstetten, es gibt keinen Fall Österreich, es gibt nur einen Einzelfall", verkündet Gusenbauer empört.

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