Interview mit Charlotte Roche:Mit Rouge zum Glück

Lesezeit: 3 min

Moderatorin Charlotte Roche im Gespräch mit sueddeutsche.de über durchgenudelte Seidenteppiche, Heckenpenner-Schweine und natürlich - Staubsauger.

Interview: Tobias Lickes und Lisa Sonnabend

Die Adolf-Grimme-Preisträgerin steigt gemeinsam mit Comedian Christoph Maria Herbst in die Wissenschaft ein. Zusammen lesen sie aus der Doktorarbeit "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern". Und damit gehen sie im Dezember auch noch auf Tour. Grund genug für uns, mit Charlotte Roche über den beliebten Bodenreiniger zu sprechen.

Gemeinsam auf Tour: Herbst, Roche und Sauger Kobold Vorwerk (mitte). (Foto: Foto: Schönhauser Promotion)

sueddeutsche.de: Welches Staubsaugermodell haben Sie?

Roche: Kobold Vorwerk.

sueddeutsche.de: Ist dies das besagte Modell, um das es bei Ihrer Lesung geht?

Roche: Ja, genau. Deswegen habe ich ihn mir gekauft. Ich habe ihn bei Ebay ersteigert - für 120 Euro.

sueddeutsche.de: 120 Euro für dieses alte Modell?

Roche: Ja. Ich bin sehr zufrieden mit dem Produkt. Der Sauger ist mir zu einem kleinen Kompagnon geworden.

sueddeutsche.de: Mit oder ohne elektronischer Saugkraftregulierung?

Roche: Nein, das hat er nicht, aber ich weiß, was das ist: Das ist, wenn man digital die Zahl einstellen kann! Plus und minus machen für die Saugstärke! Wenn Du zum Beispiel einen Seidenteppich hast, der darf nicht so volle Karacho durchgenudelt werden.

sueddeutsche.de: Staubbeutelvolumen?

Roche: Ach Du Scheiße, vier Kubikliter?

sueddeutsche.de: Kabellänge?

Roche: Sehr lang. Sehr, sehr lang. Bestimmt 20 Meter.

sueddeutsche.de: Wann haben Sie sich Ihren ersten Staubsauger gekauft?

Roche: Den hab ich seit ich mit 15 alleine wohne. Ich brauchte ein Kehrblech, ein Kehrbesen, einen Staubsauger - und einen Maßbecher zum kochen. Da habe ich mir eben alles in so Billigläden gekauft.

sueddeutsche.de: Wie oft saugen sie ihre Wohnung?

Roche: Nie.

sueddeutsche.de: Wie bitte?

Roche: Ne, ich habe eine Putzfrau.

sueddeutsche.de: Sie haben eine Putzfrau? Wie reagieren Sie sich dann ab, wenn Sie zum Dampf ablassen nicht putzen können?

Roche: Schreien! Rumschreien!

sueddeutsche.de: Ich (Lisa) wäre ohne einen Staubsauger gar nicht auf die Welt gekommen. Meine zukünftigen Eltern lernten sich kennen, als Papa Mama seinen Staubsauger auslieh. Was war für Ihre Zeugung verantwortlich?

Roche: Ein Schokoriegel! Mein Vater hat damals bei Mars als Ingenieur gearbeitet - meine Mutter war dort kurzzeitig Sekretärin.

sueddeutsche.de: Stellen Sie sich vor: Sie sind Staubsaugervertreterin und müssen von Tür zu Tür ziehen. Wie würden Sie die Staubsauger an den Mann bzw. an die Frau bringen?

Ganz schön kompliziert, so ein Sauger: Vielleicht hat Roche deswegen eine Putzfrau? (Foto: Foto: AEG)

Roche: Das Schwierigste ist sicherlich das Reinkommen in die Wohnung. Staubsaugervertreter sind doch hauptsächlich kettenrauchende Alkoholiker. Die haben meistens ganz graue, aschfarbene Haut - weil sie so einen einsamen Beruf ausüben.

Ich würde, um Erfolg zu haben, auf jeden Fall mehr Rouge auftragen und einfach wahnsinnig glücklich tun! So als ob ich einen tollen Partner hätte und ein gutes Leben. Dann lassen sie mich bestimmt rein.

sueddeutsche.de: Wie würden Sie die potenziellen Kunden begrüßen?

Roche: Man müsste die Klischees bedienen und sagen: Ich weiß, was Sie denken, ich weiß, Sie haben keine Zeit, blablabla. Dem Gegenüber den ganzen Wind aus den Segeln nehmen! Sie müssen mir nur eine Minute zuhören, bitte lassen Sie mich rein, bitte, bitte!

sueddeutsche.de: Zieht man beim Staubsauger den Stecker raus, ist Ruhe. Ist das bei Ihnen auch so, wenn die Kamera aus ist?

Roche: Es gibt einen Unterschied zwischen der Charlotte bei der Arbeit, die immer alle am Set unterhalten muss, auch wenn die Kamera aus ist, und der Charlotte zuhause. Die ist so ruhig wie ein "ausgesteckerter" Staubsauger.

(Tobias zitiert aus einer Gebrauchsanweisung eines Staubsaugers.)

sueddeutsche.de: "Gerät ausschalten, Netzstecker ziehen, Motor abkühlen lassen. Staubbeutel, Saugrohr und Saugschlauch kontrollieren..."

Roche: Sie perverses Schwein!

sueddeutsche.de: Nein, nein, warten Sie, der Text geht noch weiter: "...eventuelle Verstopfung beseitigen. Nach 30 Minuten kann das Gerät wieder eingeschaltet werden." Gibt es bei Ihnen auch eine Gebrauchsanweisung, wie Sie ihre schlechte Laune wieder vertreiben?

Roche: Ich bin meistens wegen anderen Menschen verstimmt. Dann gibt es irgendwo ein Scheiß-Arschloch-Heckenpenner-Schwein, das mich geärgert hat - dann bin ich richtig wütend. Aber wenn ich mit demjenigen geredet habe, ist es meistens wieder gut.

sueddeutsche.de: Sind manche Zuschauer von Ihnen so genervt, wie von dem Geräusch eines Staubsaugers?

Roche: Oh ja, natürlich. Ohne Ende. Dafür ist man ja teilweise auch da. Ich glaube dass viele Zuschauer in "Fast Forward" reinschalten und denken: "Oh, halt die Klappe" oder "Hör auf, du lügst". Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wie für mich auch alle anderen im Fernsehen dafür da sind, dass ich mich über sie aufregen kann.

sueddeutsche.de: Bei Interviews erwecken Sie oft den Eindruck, das Sie die Aussagen ihres Gegenübers in sich aufsaugen. Sammeln Sie die Eindrücke wie in einem Staubsaugerbeutel auf und konservieren Sie sie für Ihr eigenes Leben?

Roche: Ich interviewe hauptsächlich Musiker. Da geht es meist um eine spezielle Platte, das bringt mir nichts für mein Leben. Robert Smith (der bleiche Sänger von "The Cure") hat mal zu mir gesagt, als wir über das Thema Urlaub gesprochen haben: "Hey, guck' mich doch mal an, denkst Du, ich laufe im Urlaub in der Sonne rum?" Das hat mich beeindruckt. Pro Interview gibt es aber meist nur einen Satz, der bei mir hängen bleibt.

sueddeutsche.de: Sie pusten also die meisten Informationen direkt wieder raus aus ihrem Kopf?

Roche: Genau. Staubsauger rückwärts.

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