Interview:"Legst' mi im April, dann komm' i wann i will"

Der Allgäuer Wetterbeobachter Pius Lotter, 83, über den jüngsten Wintereinbruch, einen trockenen Frühling, den richtigen Zeitpunkt zum Kartoffelpflanzen und das Wetter im kommenden Sommer.

Silke Lode

Wetterprognose ohne Satellitenbild und Mess-Station? Da ist man bei Pius Lotter richtig. Der Mann aus Seeg im Allgäu ist Gärtner, schreibt Bücher über Wildkräuter und Blumen. Er beobachtet seit fast acht Jahrzehnten das Wetter und liegt mit seinen Langzeitprognosen oft richtig. Gelernt hat der "Wetterfrosch" von seinen Eltern, und die von ihren Eltern - "sonst wären sie im Allgäu verhungert", sagt Lotter.

Interview: Wetterbeobachter Pius Lotter - natürlich draußen in der freien Natur.

Wetterbeobachter Pius Lotter - natürlich draußen in der freien Natur.

(Foto: Foto: Ralf Gerard)

sueddeutsche.de: Waren Sie schon draußen?

Pius Lotter: Ja klar, bei so einem schönen Wetter geht man doch raus!

sueddeutsche.de: Für Sie gibt es wohl auch nur schlechte Kleidung und kein schlechtes Wetter.

Lotter: Ja. Und die schönen Flocken die wir heute haben... Natürlich können einem die Autofahrer Leid tun, die Sommerreifen drauf haben. Und vielleicht die Tiere, die Vögel. Es ist doch viel Schnee, und viele Menschen haben schon aufgehört zu füttern. Die gehen nach dem Kalender und nicht danach, wie das Wetter ist. Und in den Bergen wird es jetzt auch immer gefährlicher, durch die Lawinen.

sueddeutsche.de: Herr Lotter, haben Sie nicht auch langsam genug vom Schnee?

Lotter: Das ist eine ganz normale Sache. Sie müssen denken, ich bin jetzt bald 84 Jahre, was glauben Sie, wie oft wir das schon erlebt haben! Ich bin von Beruf Gärtner, wir haben im April schon öfters in den Frühbeeten gepflanzt und dann hat es wieder geschneit. Das ist gar nichts Neues.

sueddeutsche.de: Haben Sie einen so langen Winter vorausgesehen?

Lotter: Den habe ich im August vorausgesagt.

sueddeutsche.de(ungläubig): Im August?

Lotter: Ja, ich habe einen kurzen, schönen Herbst vorausgesagt, dann einen guten, festen Winter, und der Frühling zieht sich weit hinaus. Vom Frühling kann man ja auch noch gar nicht reden, es sind immer wieder zwei, drei Tage schön, dann kommt wieder ein Wettersturz.

sueddeutsche.de (nickend): Und wie haben Sie das schon im August vorhersagen können?

Lotter: Durch lebenslange Beobachtungen. Ich sehe das an den Vögeln, an den Dohlen und Dompfaffen. Auch an den weißen Scheiben der Rehe, hinten, kann man viel sehen. Oder an den Regenwürmern: ob sie tief oder weniger tief runter gehen. Solche Sachen sind das.

"Legst’ mi im April, dann komm’ i wann i will"

sueddeutsche.de: Heute ist der Namenstag des heiligen Stanislaus. "Seine" Wetterregel lautet: "Wenn sich naht St. Stanislaus, rolle die Kartoffeln aus." Heißt das, die Bauern sollen mit dem Pflanzen der Kartoffeln anfangen?

Lotter (empört): Das ist eine Bauernregel! Hier im Allgäu ist das anders als im Rheinland, das ist kein Vergleich! Im Allgäu heißt es mit der Kartoffel: "Legst' mi im April, dann komm' i wann i will, legst' mi aber im Mai, dann komm' i glei."

Im Allgäu ist erst der Georg bestimmend. Der Georg ist am 23./24. April, und was da vorher kommt, das schadet uns nicht, das nützt. Wenn wir jetzt viel schönes Wetter hätten und viel Frost, das wäre noch viel schlimmer wie jetzt die Feuchtigkeit und der Schutz für die Natur durch den Schnee.

sueddeutsche.de: Gibt es für den Georg auch eine Regel?

Lotter: Ja sicher: "Soviel Tag vor Georg Gewitter, soviel Tag nach Georg Schnee." Am 23./24. April muss gar kein bestimmtes Wetter sein, es kommt nur darauf an, was vorher ist. Wenn es jetzt donnert, wenn jetzt Gewitter ist, dann muss man die Tage bis zum 23./24. April zählen, und so viele Tage danach kommt ungefähr der Schnee. Und da kann man darauf gehen.

Also, da ist mir jetzt der Schnee lieber, und kein Gewitter. Denn sonst kommt Hagel, und der Hagel macht den Schaden. Der Schnee drückt höchstens mal ein paar Äste ab. Schnee ist immer eine Deckung und bringt Flüssigkeit. Ein trockener Frühling taugt nichts.

sueddeutsche.de: Also Sie glauben eher an eine andere Regel, die sagt: "Ist der April zu schön, kann im Mai der Schnee wehen."

Lotter: Diese Regel, auf die gehen wir weniger. Die mag woanders stimmen.

sueddeutsche.de: Werden wir wenigstens mit einem schönen Frühsommer entschädigt?

Lotter: Ich kann jetzt sagen: Das geht jetzt mit dem April-Wetter ungefähr bis zum 15. Mai weiter. Da sollte man allmählich raus können. Aber am 15. Mai ist die kalte Sophie, die kommt alle Jahre. Und am 13. ist Vollmond. Wir werden vom 15.- 20. Mai gefährliche Tage mit Nachtfrösten kriegen. Davor geht es immer auf und ab.

sueddeutsche.de: Das heißt, wir müssen jetzt noch einen Monat mit dem kalten Wetter ausharren.

Lotter: Es wird abwechslungsreich, zwischendrin gibt es ganz warme Tage, da wird es bis auf 20 Grad raufgehen. Aber so wechselhaft wie in den letzten acht oder 14 Tagen wird es weitergehen.

sueddeutsche.de: Können Sie schon sagen, wie der Sommer wird?

Lotter: Der Sommer wird kurz, mit vielen Gewittern. Die Gewitter werden viel Wasser mitbringen. Aber der Sommer wird erst um Johannis losgehen, das ist um den 24. Juni. Wenn die Schafskälte weg ist, dann sollte es einigermaßen besser werden.

sueddeutsche.de (entsetzt): Das heißt, wir können wirklich erst im Juni unsere Sommerkleider auspacken?

Lotter: Wir sollten sie immer in Reichweite lassen, das ist das allerbeste.

sueddeutsche.de: Wie oft liegen Sie mit ihre Prognosen daneben?

Lotter: Bisher haben sie meistens so gut oder besser gestimmt als die staatlichen Vorhersagen. Aber ich will mich nicht loben, ich mach's einfach. Aber das sind meine alten Bauernregeln und Beobachtungen, die lassen mich nicht im Stich.

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