Interview:"Ich trage keinen Gürtel mehr"

TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer über Sparen im Fernsehen, zehn Jahre Nachmittags-Talk und neue Chancen.

Interview: Hans-Jürgen Jakobs, Claudia Tieschky

München-Unterföhring, die Fernsehstudios von Pro Sieben. Der Wind pfeift durch den Bau. Arabella Kiesbauer hat Vorbereitungen für ihre Nachmittags-Talkshow hinter sich und in der Nacht zuvor nur sehr wenig geschlafen. Am Vortag hatte die TV-Moderatorin im Skiort Arosa Interviews zur Castingshow MusicStar im Schweizer Fernsehen gegeben und kam anschließend mit Verspätung nach Zürich. So musste sie die TV-Aufzeichnung ohne Generalprobe bewältigen. Seit 16 Jahren ist Kiesbauer im TV-Geschäft - doch so ruhelos war sie noch nie: Seit Monaten pendelt sie zwischen München, Wien und Zürich.

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(Foto: Foto: AP)

SZ: Frau Kiesbauer, haben Sie die deutsche Jugend verdorben?

Arabella Kiesbauer: Wir haben mit "Arabella", trotz aller Unkenrufe, eine Sendung gestartet, die es vorher im deutschen Fernsehen so nicht gab - und hielten der Gesellschaft einen Spiegel vor.

SZ: Kann man sagen, dass Sie Sex am Nachmittag hoffähig gemacht haben? Es ging zum Beispiel um "Vorspiel, nein Danke", "Ein Mann stöhnt nicht beim Sex" und "Im Bett zählt nur die Figur".

Scharf gewürzt

Kiesbauer: Unsere tägliche Talkshow hat sicher Tabus gebrochen. Wir sind bis an die Grenzen gegangen, und darüber hinaus. Ja, wir haben auch sehr viel über Sex gesprochen.

SZ: Dabei ging es so ungehemmt zu, dass Ihr Sender 1998 sogar eine stattliche Geldsumme spendete, um überhaupt den Sendeplatz halten zu können.

Kiesbauer: Ein Koch, der Neues auf den Tisch bringen will, würzt ab und an scharf.

SZ: Andere Nachmittagstalker wie Hans Meiser, Ilona Christen oder Bärbel Schäfer sind längst abgetreten. Sie selbst sind im Juni zehn Jahre dabei - und damit dienstälteste Talkshow-Moderatorin. Wollen Sie den bis Jahresende laufenden Vertrag für Arabella verlängern?

Kiesbauer: Wenn das Konzept stimmt, kann ich noch lange weiter machen.

SZ: Wäre der zehnte Geburtstag nicht ein schöner Zeitpunkt für Ausstieg und Neuanfang?

Kiesbauer: Es heißt ja, man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber da hätte ich schon oft aussteigen müssen.

SZ: Sie haben mehrfach öffentlich mit dem Ende von Arabella kokettiert. Konnten Sie Ihre Auffassung von der täglichen Talkshow anders nicht durchsetzen?

Lust am wahren Talk

Kiesbauer: Das war nicht nur Koketterie, es hätte auch wirklich leicht passieren können. Das lag daran, dass vor zwei Jahren immer mehr inszenierte Geschichten in Nachmittags-Sendungen als authentische Fälle verkauft wurden. Ich habe mich zur Verfechterin des wahren Talks gemacht - und es fanden sich genügend Zuschauer, die Lust daran hatten.

SZ: Inzwischen sendet die Konkurrenz am Nachmittag auf breiter Front so genannte Gerichts-Shows - bestückt mit Schauspielern und vorgefertigten Dialogen. Hat sich das Genre des Live-Reality-Talks am Nachmittag erledigt?

Kiesbauer: Es war irgendwann zu viel des Schlechten. Der Nachmittag war ja förmlich zugepflastert mit Reality-Talks. Manches war einfach lieblos dahin gerotzt, so dass die Zuschauer berechtigterweise ein anderes Programm wählten. Es war eine Marktkorrektur.

SZ: Auch Ihre einst 60-minütige Sendezeit wurde halbiert - zugunsten einer Soap namens Abschlussklasse. War das auch eine notwendige Korrektur?

Kiesbauer: Unser Jubiläum können wir nur feiern, weil wir die Sendung immer wieder den veränderten Fernsehgesetzen angepasst haben.

Ein bisschen getrommelt

SZ: Haben Sie mit den Debatten über ein mögliches Aufhören nicht auch erfolgreich um Ihre Vertragsverlängerung und um neue Abendshows gepokert?

Kiesbauer: Als Fernsehmensch lebe ich ein öffentliches Leben. Vielleicht habe ich wirklich auch ein bisschen getrommelt, um auf mich aufmerksam zu machen. Aber das ist lange her.

SZ: Aber Sie fühlen sich zur Abend-Moderatorin berufen?

Kiesbauer: Meine wahre Berufung ist es, Fernsehen zu machen. Das Handwerk muss man nachmittags wie abends beherrschen. Da wie dort müssen die Quoten stimmen.

SZ: Nur im Abendprogramm wird man ein Star - nicht am Nachmittag.

Gottbegnadeter Gottschalk

Kiesbauer: Ich weiß nicht, ob Moderatoren Stars sind. Ein Star ist jemand, der eine künstlerische Leistung bringt.

SZ: Ist Thomas Gottschalk kein Star?

Kiesbauer: Er ist einer, der gottbegnadet und spontan seine Sendung leitet - wahrscheinlich selbst dann noch, wenn im Hintergrund das Studio abbrennen würde. Gottschalk ist noch am ehesten ein Star.

SZ: Mittlerweile wirken Sie abends bei Musik-Casting-Wettbewerben in Österreich und der Schweiz mit. Und im Februar startet Comeback, Ihre Abendshow auf Pro Sieben. Wären wir in einer Arabella-Talkshow, müsste das Thema heißen: "Jahrelang habe ich um diesen Job gekämpft - jetzt endlich habe ich ihn!"

Toll gelaufen

Kiesbauer: Ich werde immer entspannter. Es ist doch so: Wenn man etwas erreicht hat, dann sieht man erst, dass es ja sehr schön sein kann. Beruflich hat sich in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel getan. Das ist toll gelaufen. Aber die Glückseligkeit in meinem Leben finde ich nicht allein im Beruf.

SZ: Welche Widerstände standen einer Abendsendung entgegen?

Kiesbauer: Die höchste Barriere war dieses Image als Nachmittags-Quasselstrippe. Manche haben mir nicht die Fähigkeit zugetraut, eine große Abendshow zu leiten. Der Erfolg in Österreich war sicherlich auch für Pro Sieben ein Anstoß dazu, mich anders einzusetzen.

SZ: Tatsächlich waren Sie bereits früher mit zwei Abendsendungen bei Pro Sieben zu sehen - die beide nicht fortgesetzt wurden.

Lieber leicht

Kiesbauer: Entgegen anders lautender Berichte war "Arabella Night" ein beachtlicher Erfolg. Aber es gab inhaltliche Querelen. "Arabella sucht" war ein schweres Format, das nicht richtig zu mir passte. Das musste ich bei allem Optimismus einsehen. Ich bin in der leichten Unterhaltung besser aufgehoben.

SZ: In Ihrer neuen Sendung Comeback auf Pro Sieben haben Sie es mit Stars von gestern zu tun, die wieder populär werden wollen. Ein bisschen Retro, ein bisschen Casting, dazu noch das Zuschauervotum - Comeback mischt die populärsten TV-Trends. Genau wie die RTL-Dschungelshow.

Kiesbauer: Damit möchte ich Comeback bitte nicht verglichen haben. Aber diese RTL-Show ist eine sehr professionell gemachte Dokumentation dessen, was Menschen zu tun bereit sind, um wieder Berühmtheit zu erlangen. Comeback sehe ich dagegen als Plattform für Künstler, die früher schon einmal die Herzen der Zuschauer erobert haben und wirklich darauf brennen, da noch einmal neu anzusetzen. SZ: Stars von gestern - ist da nicht auch Schadenfreude Teil des Konzepts?

Keine gewetzten Messer

Kiesbauer: Bei uns steht keiner mit gewetztem Messer dar. Ich möchte eher, dass ein warmes Gefühl entsteht, wenn sich die Zuschauer mit den Künstlern an die alten Hits erinnern - und an all die eigenen Erlebnisse: Damals war ich mit diesem oder jenem Menschen zusammen, da habe ich gerade Prüfung geschrieben... Es geht um solche Emotionen.

SZ: Die öffentliche Blamage steht bei Casting-Shows hoch im Kurs...

Kiesbauer: Wer echte Gefühle beim Publikum erzeugen will, muss selbst sehr verletzlich sein. Gerade bei den jungen, als Künstlern noch nicht gefestigten Menschen ist das besonders gefährlich. In Starmania halte ich als Moderatorin die Fäden fest in der Hand. Vielleicht ist es der Erfolg von Starmania, gerade nicht voyeuristische Gelüste zu bedienen.

SZ: Sind Sie selbst nach zehn Jahren Talk noch verletzlich?

Auf andere einlassen, bedingungslos

Kiesbauer: Es gibt immer wieder Sendungen, in denen ich sehr verletzlich bin. Aber ich habe eine gute Disziplin. Eines habe ich in den vielen Talk-Jahren gelernt: meine Introvertiertheit zu überwinden, Gespräche zu führen und mich innerhalb weniger Minuten bedingungslos auf fremde Menschen einzulassen - egal, was sie mir erzählen wollen.

Durch Starmania konnte ich Erfahrungen damit machen, eine Bühne mit meiner Präsenz zu füllen. Das ist ganz wesentlich für die Abendunterhaltung. Nur so kommt man an die Herzen der Zuschauer. Ich hätte diese Sendung vor zehn Jahren nicht machen können, da war ich nicht reif genug.

SZ: In Österreich und in der Schweiz treten Sie als Zugpferd der Öffentlich-Rechtlichen auf, in Deutschland aber arbeiten Sie für einen Privatsender. Könnte sich diese Konstellation bald ändern?

Großer Sprung

Kiesbauer: (Lacht) Schreiben Sie doch mal darüber. Nein, ich fühle mich zurzeit bei Pro Sieben sehr wohl. Aber sicher: Familienbande sind auch schon mal gekappt worden.

SZ: Hat Pro Sieben Ihnen mehr zu verdanken als Sie dem Sender?

Kiesbauer: Der damalige Chefredakteur Jörg van Hooven hat mich in einer ORF-Jugendsendung gesehen und nach Deutschland geholt. Er hatte einen Talk im Kopf nach dem Vorbild von Oprah Winfrey in den USA. Das war ein großer Sprung für mich. Ich habe sicherlich lange Zeit dem Sender ein Gesicht gegeben. Pro Sieben spielte vorher Spielfilme und Serien, dann kamen Nachrichten, Magazine - und meine Talkshow.

SZ: Damals war der Sender noch Teil des Familienbetriebs Kirch. Heute gehört er internationalen Kapitalgruppen und dem Investor Haim Saban. Wie haben Sie diesen Wechsel wahrgenommen?

Kiesbauer: In den Zeiten der Kirch-Insolvenz war eine gewisse Unruhe zu spüren. Insgesamt hat sich in meinem Arbeitsfeld aber nichts geändert. Im Zuge der Wirtschaftlichkeit müssen wir alle den Gürtel enger schnallen - ich trage schon gar keinen mehr. Früher habe ich mein Essen bestellt, heute komme ich mit einem Korb voller Kochtöpfe hierher.

SZ: Da werden Sie sicher bald "Mitarbeiterin der Woche".

Tore öffnen sich

Kiesbauer: (Lächelt) Meine Mitarbeiter wärmen mir auf, was meine Mama gekocht hat: gefüllte Paprikaschoten oder Gulasch. So helfe ich, pro Woche locker 100 Euro zu sparen.

SZ: Sie wollen von München wegziehen und suchen eine Wohnung in Zürich?

Kiesbauer: Das hat auch private Gründe. In einer Situation, in der sich andere Frauen die Haare schneiden oder einfärben lassen oder ganz viele Manolo-Blahnik-Schuhe kaufen, habe ich mir gedacht, dass ein Tapetenwechsel gut tun würde. Dann habe ich mich in Zürich verliebt. Mit dieser Stadt verbinde ich keine Erinnerungen, alles ist neu.

SZ: Neulich hat Arabella Kiesbauer, die schrille Talkfrau, in der Neuen Zürcher Zeitung sogar das Schweizer Understatement als vorbildlich gepriesen. Brechen Sie bewusst mit dem alten Image?

Kiesbauer: 2004 wird ein Transformationsjahr für mich. Wo ich nächstes Silvester stehe, weiß ich noch nicht. Sicher ist nur: Es öffnen sich Tore, und Wege werden frei.

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