Interview:"Die Sonne Malibus im Herzen"

Showmaster Thomas Gottschalk und Manager Christoph Gottschalk über das Publikum, Sponsoren und das ZDF.

Interview: Christopher Keil, Klaus Ott

SZ: Herr Gottschalk, am Samstag beginnt mal wieder eine Staffel von Wetten, dass...? Ist das noch mehr als Routine? Thomas Gottschalk: Es macht immer noch riesigen Spaß. Es nervt mich nicht mehr, dass jeder, der mir auf der Straße begegnet, erklärt, dass ihn das freut.

Interview: Christoph Gottschalk vor dem Konterfei seines Bruders Thomas.

Christoph Gottschalk vor dem Konterfei seines Bruders Thomas.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Das war offenbar mal anders.

Thomas Gottschalk: Mir sagen 35 Leute am Tag: ,Wetten, dass ich Sie kenne, aber Sie mich nicht?' Vor ein paar Jahren konnte ich mir in "Kay's Bistro" noch von einer Tunte eine Ananas auf den Kopf setzen lassen und durchs Lokal tanzen. Das ist aus und vorbei. Entweder sitzt einer von Antenne Bayern unterm Tisch oder ein anderer fotografiert mit seinem Handy und stellt das ins Internet.

SZ: Sie wohnen in Malibu, Kalifornien, weit weg von solchem Trubel. Thomas Gottschalk: In einer bestimmten Phase meines Lebens habe ich festgestellt: Die Chancen, dass meine Kinder mir wegrutschen, sind relativ groß. Bevor mein Sohn auf die Idee kam, sich zu seinem 18. Geburtstag die Münchner Edeldisco P 1 zu mieten, habe ich meine Familie in Sicherheit gebracht.

SZ: An Ihrer Seite ist seit Monaten in der Öffentlichkeit Ihr Bruder Christoph zu sehen, mit dem Sie Werbespots für die Deutsche Post machen. Ist Prominenz auch für ihn zum Problem geworden?

Christoph Gottschalk: Zum Glück werde ich bei den Werbefilmen als reservierter Geschäftsmann wahrgenommen. Um mich herum würde sich nie eine Menschentraube bilden.

Thomas Gottschalk: Christoph ist schon im Anzug geboren. Der ist einfach seriöser als ich. Er hat das Schicksal eines Spätberufenen.

SZ: Wie groß ist die Gefahr, dass Sie als Wahl-Amerikaner den Kontakt zum deutschen Publikum verlieren?

Thomas Gottschalk: Null. Es läuft ja genau andersherum: In Amerika gibt es für mich und meine Familie keine Extrawürste. Ich kann am Samstagabend der Nation aber nur gerecht werden, wenn ich die gleichen Nöte habe wie andere Väter und andere Ehemänner auch.

SZ: Trotzdem - Malibu ist weit weg von der Berliner Republik.

Thomas Gottschalk: Ich bin ein in der Wolle gefärbter Deutscher und habe 47 Jahre meines Lebens hier verbracht. Ich bin in Amerika vielleicht noch deutscher, als ich es hier sein könnte. Und: Das schöne Wetter nehme ich billigend in Kauf. Mein Vorteil ist, dass ich entspannt nach Deutschland komme, mit der Sonne Malibus im Herzen, und dem Publikum sagen kann: Auch wenn's im Leben mal dunkel ist - jetzt kommt der Gottschalk und knipst die Lampen an.

SZ: Welche Kritik fürchten Sie am meisten bei Wetten, dass...?

Thomas Gottschalk: Dinge, die ich nicht beeinflusen kann. Schwache Wetten, unattraktive Gäste. Will Smith, mein Stargast für Samstag, hat vor ein paar Tagen abgesagt - das ärgert mich. Dann sind wir Yoko Ono nachgerannt, die hat sich inzwischen auch erledigt.

Christoph Gottschalk: Das ist der Punkt, wo ich Thomas leiden sehe und eingreifen kann. Bisher war es so, dass das ZDF mit Hilfe freier Agenturen versuchte, zum Beispiel Will Smith zu holen, und dann kreiste das Thema ein paar Wochen, ohne dass es am Ende klappte. Das ist ein Problem. Um im Fernsehen Nummer eins in Europa zu bleiben, müssen die Gäste Spitze sein.

SZ: Das ist dem ZDF wohl auch klar.

Christoph Gottschalk: Das ZDF pokert nicht. Also habe ich wegen Will Smith bei Mercedes angefragt, weil es bei Men in Black eine Kooperation zwischen dem Schauspieler und dem Autokonzern gab. Leider war es zu spät. Aber meist ist solch ein Ansatz erfolgreicher.

SZ: Weil die Sponsoren daraus Gewinn ziehen - und eine Plattform im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erhalten.

Christoph Gottschalk: Die Sponsoren haben ihre starken Interessen, so wie der Star auch. Und nur um den Star geht es uns. Der hat dem Sponsor zehn PR-Termine im Jahr nach dessen Wahl zugesagt.

Thomas Gottschalk: Mir ist egal, ob Mercedes oder Caritas den Will Smith holen. Hauptsache, er ist da. Große Gäste sind das Salz in meiner Suppe. Ich brauche das Ass im Ärmel. Wenn's zwischendurch mal zäh wird, ich aber weiß, vor der Tür stehen noch Spielberg, Di Caprio und Hanks, dann hilft das natürlich.

SZ: Was versprechen Sie den Stars, damit die kommen?

Christoph Gottschalk: Ich kann denen nichts Anderes versprechen als das ZDF - ich spreche sie nur anders an. Wenn das ZDF den Fußballstar David Beckham anruft und der etwa ein Flugzeug und Bodygards für sich und seine Familie plus Kindermädchen fordert...

SZ: ...dann antwortet Intendant Markus Schächter, wir haben gerade eine Gebührendebatte, das geht leider nicht.

Christoph Gottschalk: Dafür kommt dann Ralph Siegel umsonst. Bei Beckham kann ich noch mit dem Mobilfunkkonzern Vodafone sprechen, wo er unter Vertrag steht. Denen genügt erst mal, dass ihr Star hier bei uns promotet wird.

SZ: Der Konzern wird fragen: Wie bringen wir unser Handy mit ins Bild?

Christoph Gottschalk: Es geht nicht darum, dem Sponsor zu helfen, sondern ihn so einzubinden, dass alle mehr von der Sendung haben. Das Handy integrieren wir dann so in die Show, dass Thomas seinen Gast fragt, was denn seine Frau Victoria gerade so mache - und dann holt David das Handy heraus und alle sehen, wie Victoria uns zuwinkt. Den Zuschauer kostet's nichts.

Thomas Gottschalk: Oder nehmen Sie die Stadtwette. Das ZDF trommelt tausend Leute irgendwo aus den Betten, die stehen dann alle rum und haben nichts zu trinken und zu essen. Wenn Warsteiner mitmacht, und jeder kriegt hinterher ein paar Würstchen und ein Bier, und es steht ein Warsteiner-Zelt dort, dann habe ich überhaupt kein Problem damit. In Amerika würde sich keiner daran stören, wenn ich sage: Our friends from Telekom. In Deutschland macht der ZDF-Fernsehrat einen Strich in seiner Liste.

SZ: Weil es Regeln zur Trennung von Werbung und Redaktion gibt. Und es den Zuschauer nervt, wenn wirklich jede Firma ihr Schild in die Sendung hält.

Christoph Gottschalk: Das wäre fürchterlich. Und deshalb ist es etwa für die Postbank doch viel besser, uns zu helfen, Franz Beckenbauer als begehrten Gast auf die Couch zu kriegen. Er ist in der Postbank-Werbung als Person so präsent, der muss das Firmenemblem nicht mehr am Hemdkragen zeigen.

Thomas Gottschalk: Die Schumachers oder der Montoya, die können natürlich mit ihren vollbeklebten Boliden und Helmen reinfahren. Diese Stars will ich, diese Stars brauche ich. Neben dem gesponsorten Beckham sitzt dann aber auch ein Maximilian Schell mit seinem schwarzen, ungesponsorten Wollschal.

SZ: Wenn man Sie so hört, könnte man auf die Idee kommen. Wetten dass...? sei der längste Werbespot der Welt.

Christoph Gottschalk: Gemach, gemach. Eine Marktforschung hat ergeben, dass sich gerade mal elf Prozent der Zuschauer durch eine solche Werbung gestört fühlen. Und gut 25 Prozent nehmen die Werbung gerne in Kauf, weil dadurch weniger Rundfunkgebühren für die Show gebraucht werden. Und der Rest fühlt sich sowieso nicht gestört.

Thomas Gottschalk: Ich achte darauf, ob ein Sponsor zur Sendung passt. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn das ZDF die gesamte Sendung aus seinem Gebührentopf bezahlen würde.

SZ: Das Geschäft mit Hilfe der Sponsoren läuft über die Firma Dolce Media, die Sie beide mit dem ZDF betreiben.

Christoph Gottschalk: Ja. Wir haben ein großes persönliches Kontaktnetz und den Überblick über Sponsorverträge in der Szene. Dann gehen wir zum Vorstandschef der Sponsoren und schlagen einen Einsatz des Stars bei uns vor.

Thomas Gottschalk: Wir haben schon Leute mit Plastiktaschen voller Geld nach Prag geschickt, um einen Weltstar abzuholen. Oder Diego Maradona, der kam über die unglaublichsten Kanäle. Der wurde mit Goldmünzen bezahlt.

Christoph Gottschalk: Ein anderes Beispiel: Wenn wir die schwedische Königin Silvia haben wollen, lehnen ihre Berater das zunächst ab. Also klopfen wir bei der wohltätigen Stiftung an, die sie gegründet hat, und schlagen eine Benefiz-Gala vor, die Thomas moderiert. Wir haben dem ZDF gesagt, wir könnten die Marke Wetten, dass...? besser vermarkten als deren Apparat. Das müssen wir zeigen.

Thomas Gottschalk: Und das ZDF verdient mit. Ich würde natürlich gerne alles in die Show stecken, aber wir können ja nicht mal verhindern, dass das ZDF mit seinem Gewinnanteil...

SZ: ...Fußballspiele kauft?

Thomas Gottschalk: Was auch immer. Aber das ist nicht der Punkt. Ich habe aufgrund meiner langen Beziehung zu Intendant Markus Schächter ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum Sender. Aber trotzdem liege ich ihm ständig in den Ohren und sage: Diesen Gast brauche ich, auch wenn er teuer ist.

SZ: Haben Sie noch Angst, das Publikum könnte eines Tages weg bleiben?

Thomas Gottschalk: Ich bin inzwischen abgeklärt genug, um zu spüren, dass mich die Leute mögen. Wenn eine Oma mit ihrem Enkel daherkommt, schreit der Fratz: Haribo macht Kinder froh, und die Oma erzählt mir, dass sie aus Oppeln kommt. Die Leute freuen sich über mich. Selbst bei verklemmten Menschen bewegen sich die Mundwinkel nach oben. Das ist bei mir krankhaft missionarisch - wenn ich drei Miesepeter sehe, sage ich mir: Euch mische ich auf.

SZ: Gab es früher Selbstzweifel?

Thomas Gottschalk: Solange ich Zeitungskritiker ernst genommen habe, bestand die Gefahr, zu sagen, dann höre ich eben auf, wenn wieder irgendwo stand: Der Gottschalk kann es nicht. Das dicke Fell von Helmut Kohl hatte ich nie. Ich habe schließlich eine öffentlich-rechtliche Karriere gemacht, die von Beschwerdebriefen begleitet war.

SZ: Ihre Sendung ist der klassische Familienabend. Können Sie sich vorstellen, mit Wetten, dass...? in Rente zu gehen?

Thomas Gottschalk: Ja. Es kann aber auch eine Frührente daraus werden.

SZ: Warum gibt es in Deutschland so wenige große Entertainer im Fernsehen?

Thomas Gottschalk: Ich war einer der wenigen, der in mehr als 20 Jahren das werden konnte, was er heute ist. Ich habe meine Telefonscherze damals im Radio von Bayern 3 getrieben, habe mich später im ZDF daneben benommen, als ich erstmals das Wort Eierstöcke in einer Unterhaltungssendung erwähnte, und jetzt werde ich halt langsam zur Vaterfigur. Es wäre wirklich albern für mich, mit Britney Spears zu flirten - aber Frau Cher spielt ja auch noch mit, und die ist meine Altersklasse.

SZ: Das klingt so, als ob Sie in Ruhe und Gelassenheit altern.

Thomas Gottschalk: Ich sehe, wie toll Sean Connery gereift ist, wie er sich von seinem Toupet getrennt hat und nicht mehr James Bond war, und trotzdem ein guter Typ geblieben ist. Mich faszinieren solche Langzeitläufer.

SZ: Im Frühjahr hat Haim Saban, einer Ihrer Nachbarn in Malibu und neuer Inhaber von Pro Sieben und Sat 1, Sie dort in den Aufsichtsrat holen wollen, was ZDF-Chef Schächter verhinderte. Würden Sie für Saban Shows machen?

Thomas Gottschalk: Als TV-Moderator bin ich mit Wetten, dass...? hundertprozentig glücklich. Daneben aber reizt mich doch die Herausforderung, einmal einen Sender mitzugestalten. Manchmal denke ich, da könnte man Einiges besser machen, wenn ich mein ZDF abgeschlagen hinter den Kommerziellen sehe. Wenn ich das ZDF beraten würde, sähe es ein bisschen mehr wie Discovery Channel und History Channel aus, mit mehr Dokumentationen und Biografien.

SZ: Vielleicht ahnt das ZDF einfach noch nichts von Ihren Fähigkeiten.

Thomas Gottschalk: Mein Intendant ist recht erschrocken, als Saban mit seiner Anfrage kam. Aber ich glaube nicht, dass er mir einen Gefallen getan hätte, wenn er mir zum Ausgleich den Job eines Verwaltungsrats angeboten hätte. Da sitzen Ministerpräsidenten, die sich schon in der Politik hart tun.

SZ: Aber die ZDF-Programm-Macher könnten nach Ihren TV-Ideen fragen.

Thomas Gottschalk: Es ist ja nicht so, dass das ZDF keine hätte. Aber bis sich da was bewegt, dauert es. Stellen Sie sich vor, ich hätte die Idee für eine tägliche Serie zur Primetime. Da würden drei Hauptabteilungsleiter mit Selbstmord drohen.

SZ: Und bei Saban?

Thomas Gottschalk: Bei dem sitze ich in Malibu auf der Terrasse, und wenn ihm eine Idee einleuchtet, sagt er: Okay, let's do it. Für den gibt es keine heiligen Kühe. Ich treffe mich diese Woche mit ZDF-Programmchef Thomas Bellut, der mich gerne öfter im Programm hätte. Dazu bin ich auch gerne bereit. Die noch von Kulenkampff in mich gepflanzten Ängste, Willst Du was gelten, mache Dich selten, hat spätestens Günther Jauch weggewischt. Wenn die Konkurrenz ihn kidnappt, muss RTL das Testbild senden.

SZ: Also mehr Gottschalk im ZDF?

Thomas Gottschalk: Ich sage mir mit meinen 53 Jahren, ich bin ja nicht unsterblich, auch wenn ich überraschenderweise so aussehe. Ja, ich möchte wieder mehr vor der Kamera machen, vielleicht auch hinter der Kamera.

SZ: Mit welchen Programmen?

Thomas Gottschalk: Ich habe, nach einer verlorenen Wette, an der Düsseldorf Universität aus dem ersten Buch von Dieter Bohlen gelesen. Es kamen tausend Studenten, mit denen ich eine Stunde lang diskutierte. Irgendein Privatsender hat das übertragen. Da fanden die Leute genial - eine Mischung aus Comedy, Information, Aktion und Reaktion.

SZ: Wie wäre es mit: Gottschalk liest Goethe im ZDF?

Thomas Gottschalk: Denkbar ist alles. Sobald ich eine Bühne und ein Publikum habe, entsteht etwas. Ich bin wieder in einer kreativen Phase. Es ist für mich noch nicht erledigt, für Saban im Anzug herumzulaufen, aber es ist auch denkbar, für das ZDF mehr zu machen.

SZ: Und was sagt Ihre Frau?

Thomas Gottschalk: Ich habe mit ihr ausführlich gesprochen, und sie findet es gut, wenn ich noch einmal angreife. Zudem wird in Amerika der Sprit teurer.

SZ: Hätten Sie Edmund Stoiber gerne mal in Ihrer Show, so wie Kanzler Schröder einst seine Aufwartung machte?

Thomas Gottschalk: Ich habe Stoiber für die Sendung am Samstag vorgeschlagen, aber die Redaktion wollte nicht.

SZ: Warum nicht?

Thomas Gottschalk: Es hieß, Politiker wolle keiner sehen. Dabei hätte es sein können, dass Stoiber mit den No Angels zur Supergroup aufgelaufen wäre.

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