Internet:Ortung der Surfer

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Eine neue Software enthüllt, wo sich Internetnutzer einloggen.

Von Michael Lang

Das Internet als globales Dorf - diese Metapher hat sich inzwischen überlebt. Modernste Techniken der Ortsbestimmung ("Geolocation") ermöglichen es Wirtschaft, Politik und Justiz inzwischen, virtuelle Grenzen zu ziehen und den Cyberspace in Regionen aufzuteilen.

Datenschützer fürchten schon, dass die Technik zum Ausspionieren und Manipulieren missbraucht wird.

Geolocation wurde ursprünglich für die Werbung entwickelt. Spezialprogramme analysieren dafür blitzschnell den Standort eines Computers; Internethändler können dann Kunden auf ihrer Homepage gezielt in der jeweiligen Landessprache begrüßen.

Auf Geolocation spezialisierte Firmen wie Digital Envoy, Quova oder Akamai behaupten, dass sie den Wohnort eines Surfers mit einer Genauigkeit von etwa 80 Prozent ausfindig machen können.

"Wir haben das Internet in seinen Grundzügen kartiert", erklärt Susan Daw von Digital Envoy. Ingenieure haben Millionen von Datenübertragungen analysiert, und behaupten, technische Informationen zu allen Knotenrechnern im Netz zu besitzen.

Die Grundlage der Geolocation ist die so genannte IP-Adresse. Darunter verstehen die Informatiker eine der Telefonnummer vergleichbare Zahlenfolge, die einen Computer in einem Netzwerk eindeutig identifiziert.

Sie erst ermöglicht es beim Surfen, dass die angeklickten Informationen den Weg auf den Monitor finden. Darüberhinaus werden aber auch Informationen über das Betriebssystem und den verwendeten Internet-Browser übermittelt.

Firmen wie Digital Envoy gleichen alle Informationen, die sie zusammen mit der IP-Adresse erhalten, mit ihrem riesigen Datenbestand ab. So können sie ihre Kunden, also die Betreiber von Webseiten, über den Wohnort von deren virtuellen Besuchern informieren.

Auf diese Weise schützen sich zum Beispiel Online-Kasinos davor, sich strafbar zu machen. Einlass ins virtuelle Zockerparadies erhalten nur Kunden aus Ländern, in denen das Glücksspiel im Internet erlaubt ist. Wer die falsche IP-Adresse hat, wird automatisch abgeblockt.

Auch die Film- und Musikindustrie hat die Geolocation entdeckt. Das Marketing-Unternehmen Big Champagne zum Beispiel ermittelt damit in Online-Tauschbörsen, welche Musikstücke in einer Stadt gerade besonders hoch im Kurs stehen.

Der Online-Filmhändler Movielink zum Beispiel passt mit der Ortsüberprüfung sein Angebot den Lizenzbestimmungen der verschiedenen Länder an - und verwehrt Europäern den Zugang zu Filmen, die nur für den US-Markt freigegeben sind.

Und die Baseball-Liga der USA hat im vergangenen Jahr verschiedenen regionale Fernsehsendern Rechte für die Internet-Übertragung von Spielen verkauft. Wer seinen PC außerhalb des "Sendegebiets" aufgestellt hatte, blieb von der Übertragung ausgeschlossen.

Nicht nur Ausgrenzung - Bevormundung

Geolocation bedeutet aber nicht nur Ausgrenzung, sondern unter Umständen auch Bevormundung. Ein eher harmloses Beispiel: Wer etwa von Deutschland aus google.com aufruft, landet dennoch auf der deutschen Google-Seite.

Datenschützer wie Jason Catlett, Chef des Sicherheitsunternehmens Junkbusters, befürchten die Gefahr durch Manipulationen: "Die Technik erlaubt es, dass ein Unternehmen sich mit zwei oder zwanzig Gesichtern präsentiert, je nachdem, wer es besucht."

Kunden könnten dann je nach Wohnort verschiedene Preise für dasselbe Produkt angezeigt bekommen. Und wenn Mitarbeiter eines Konkurrentenvom Arbeitsplatz-PC aus Informationen sammeln, könnten sie mit falschen Daten versorgt werden.

Zwar gibt es Verfahren, um sich anonym im Netz zu bewegen. Doch dieser Schutz lässt sich einfach aushebeln: Firmen wie Real Networks schließen anonyme Surfer von ihren Angeboten aus.

"Geolocation kann nützlich sein", sagt Annalee Newitz von der Datenschutzorganisation Electronic Frontier Foundation, "aber nicht, wenn damit eine Person durch das Netz verfolgt wird."

Auch Alan Davidson vom Zentrum für Demokratie und Technologie in Washington sieht die neue Technologie kritisch. Er befürchtet, dass Geolocation für politische Zensur missbraucht werden könnte.

Die Grenze der Bewertung ist dabei schon heute fließend. Totalitäre Staaten wie China oder Saudi-Arabien sperren bereits heute kritische Webseiten im Ausland.

Aber auch in Farnkreich musste Yahoo nach einem Gerichtsurteil seinen Nutzern den Zugriff auf Auktionsseiten für Nazi-Devotionalien verwehren - was in Europa begrüßt wurde, aber in Amerika Kopfschütteln auslöste. Vom grenzenlosen Internet träumen inzwischen nur noch Nostalgiker.

© SZ vom 19.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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