Indonesien: Verheerendes Erdbeben:Tausende Tote auf Sumatra befürchtet

Bilder des Grauens im Paradies: Auf der indonesischen Insel Sumatra sind nach einem schweren Erdbeben mindestens 75 Menschen ums Leben gekommen. Tausende Opfer werden unter den Trümmern vermutet. Rettungskräfte sind verzweifelt: "Wir brauchen dringend Hilfe."

T. Matern u. M. Zips

Es sind Bilder des Grauens. Eingestürzte Gebäude, bergeweise Schutt, das Bein eines Menschen ragt unter den Trümmern hervor. Im indonesischen Fernsehen laufen am Mittwoch erste Bilder, die erahnen lassen, welcher Horror die Insel heimgesucht hat: Ein Erdbeben der Stärke 7,6 erschütterte um 12.15 Uhr das indonesische Sumatra.

Sumatra, Erdbeben, Reuters

Ein durch das Erdbeben verwundetes Mädchen auf Sumatra.

(Foto: Foto: Reuters)

Eigentlich ein paradiesisches Eiland, nun ein Ort von Horror und Schrecken. Am schlimmsten betroffen ist Padang, die Hauptstadt West-Sumatras, in der mehr als 900000 Menschen wohnen. Die Lage ist zunächst vollkommen unübersichtlich, das ganze Ausmaß am Mittwochabend nicht überschaubar. Berichte dringen nur spärlich aus der Region, das Telefonnetz ist ganz zusammengebrochen.

Vize-Präsident Jusuf Kalla spricht am Mittwoch von 75 Menschen, die in der Katastrophe den Tod gefunden haben sollen. Das sind die offiziellen Zahlen, doch selbst die Behörden rechnen mit viel Schlimmerem: Die Zahl der eingestürzten Gebäude soll in den Hunderten, vielleicht sogar in den Tausenden liegen, darunter sollen sich auch Hotels und Krankenhäuser befinden. Es könnten Tausende Menschen sein, die unter den Trümmern noch eingeschlossen sind. "Schlimmere Ausmaße als nach dem Beben von Yogyakarta" erwartet Gesundheitsminister Siti Fadilah Supari. Auf Java starben im Jahr 2006 mehr als 4300 Menschen.

Neben den Gebäuden stürzten etliche Brücken ein, vielerorts brach Feuer aus. "Es ist noch keine Hilfe eingetroffen", sagte ein Vertreter der indonesischen Gesundheitsbehörde dem Jakarta Globe, kurz bevor die Telefonverbindung zusammenbrach. Er könne Dutzende kollabierte Häuser sehen, die Menschen stünden in Panik auf der Straße. Sie seien auf die Straße geflüchtet und hätten große Angst vor weiteren Beben, berichtete der Mann. "Ich kann Kinder erkennen, die Decken tragen. Manche Menschen suchen Verwandte, aber alle Lichter sind ausgefallen", sagte er verzweifelt.

Am Flughafen von Padang stürzten große Teile der Ankunftshalle ein. Am Maninjau-See im Landesinnern löste das Beben einen Erdrutsch aus, wie ein Augenzeuge dem Fernsehsender TVOne berichtete. "Brücken sind kollabiert, Telefonmasten ebenfalls, Hunderte Häuser brennen, Menschen sind verschüttet", sagte der Arzt Ridwan Gustiana dem Hilfswerk Action Medeor. "Wir brauchen dringend Hilfe: Verbandsmaterial, Schmerzmittel und Antibiotika." Die Organisation hat bereits 28 große Notfall-Pakete mit Arzneimitteln und medizinischen Geräten für Sumatra gepackt, mindestens 10000 Menschen könne damit geholfen werden, sagte Dirk Angemeer, verantwortlich für die Humanitäre Hilfe bei Action Medeor.

Die Hilfsorganisation World Vision gab bekannt, sie werde am Donnerstagmorgen sofort ein Katastrophenteam in die Krisenregion fliegen. "Es ist von großer Wichtigkeit, dass nach einem Erdbeben den Opfern so schnell wie möglich geholfen wird", erklärte Jimmy Nadapdap, der Direktor von World Vision. In der Regel bräuchten die Menschen dringend medizinische Versorgung, Wasser und etwas zu essen. Außerdem würden Decken und Zelte benötigt, da viele Häuser zerstört worden seien.

Das Erdbeben war sogar im 440 Kilometer entfernten Singapur und in Kuala Lumpur zu spüren, wo Firmen ihre Angestellten in Hochhäusern aufforderten, sofort aus den Büros zu fliehen. 22 Minuten später gab es noch ein heftiges Nachbeben der Stärke 6,2. Das Zentrum der Erschütterung lag vor der Westküste der indonesischen Insel, etwa 45 Kilometer nordwestlich von Padang. Vulkanforscher zeigten sich besorgt, dass das Beben nahe dem Zusammenstoß zweier Erdplatten Vulkanausbrüche auslösen könnte. In der Region liegen die drei großen Vulkane Merapi, Talang und Tandikat.

In Südostasien lebt man in ständiger Angst vor Erdbeben, Tsunamis, aber auch vor Überflutungen und Stürmen. Die bislang schlimmste Katastrophe war der Tsunami an Weihnachten 2004, der in der Region 230000 Menschen in den Tod riss. "Es gibt nur ein positives Element dieser Katastrophe - in Padang hat es keinen Tsunami gegeben, das wäre der Supergau gewesen", sagt Alex Flor von der Menschenrechtsorganisation Indonisia Watch, die ihren Sitz in Deutschland hat.

Zudem habe er die Hoffnung, dass die Menschen sich in dieser desaströsen Lage wie bei früheren Beben zur Seite stünden. "Die Leute in Indonesien rücken in solchen Situationen zusammen", sagte Flor. Nach einer ähnlich heftigen Katastrophe vor drei Jahren habe er erlebt, wie die Regierung lange Zeit gebraucht habe, den Hilfsapparat in Gang zu setzen. Doch das habe die Menschen in Indonesien nicht resignieren lassen. "Die Eigeninitiative der Leute war damals beeindruckend", sagte Flor.

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