Indien:Richter kippen Strafmilderung für Vergewaltiger

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Bevölkerung und Menschenrechtler protestieren immer wieder gegen Gruppenvergewaltigungen, so auch hier vergangene Woche in Mumbai.

(Foto: dpa)

Bislang konnten Vergewaltiger in Indien auf eine Strafmilderung hoffen, wenn sie sich nach der Tat bereiterklärten, ihr Opfer zu heirateten. Nun sprach sich das Verfassungsgericht in Neu Delhi gegen diese Praxis aus - und kritisierte zu milde urteilende Richter.

In der Debatte um Vergewaltigungen in Indien hat das Verfassungsgericht des Landes am Dienstag ein klares Urteil gefällt. Die Richter kippten die bisher gängige Praxis, das Strafmaß von Vergewaltigern zu reduzieren, wenn diese ihren Opfern ein Heiratsangebot machten oder eine anderweitige Vereinbarung mit diesen schlossen.

Die Verfassungsrichter verhandelten über das Strafmaß einer Gruppenvergewaltigung aus dem Jahr 1995. Damals hatten zwei Männer eine Frau mehrere Tage festgehalten und sich immer wieder an ihr vergangen. Das Gesetz sieht für eine solche Tat eine Gefängnisstrafe von mindestens zehn Jahren vor. Ein geringeres Strafmaß ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich.

Die beiden Männer klagten sich durch verschiedene Instanzen, um eine Reduzierung ihrer Strafe zu erwirken, und hatten deshalb im Dezember 2011 einen außergerichtlichen Kompromiss mit ihrem damaligen Opfer geschlossen. Die Frau führe inzwischen ein geregeltes Leben, sei Mutter von vier Kindern und schrieb dem Gericht, dass der Fall deshalb nicht weiter verfolgt werden solle. Aufgrund des Kompromisses und zur Wahrung des Friedens habe sie keine Einwände gegen eine Strafmilderung.

"Das Angebot eines Vergewaltigers, sein Opfer zu heiraten, oder die Tatsache, dass das Opfer verheiratet ist und ein geregeltes Leben führt, kann nicht als Ausnahmefall gelten, um eine Reduzierung des Strafmaßes zu gerechtfertigten", schrieben die Richter in ihrer Urteilsbegründung, "auch ein Kompromiss zwischen den beiden Seiten kann nicht als Grund für eine mildere Bestrafung gelten." Es könne nicht immer garantiert werden, dass es sich solche Vereinbarungen in beidseitigem Einvernehmen getroffen werden - das Opfer könne von den Tätern oder dem Trauma nach der Tat dazu gedrängt werden.

Die Tageszeitung Times of India nannte das Urteil einen "Meilenstein". Die Verfassungsrichter wandten sich in ihrer Begründung auch an ihre Kollegen der untergeordneten Gerichte in Indien, die in der Vergangenheit milder geurteilt hatten und das Strafmaß unter Berufung auf solche Vereinbarungen reduziert hätten. "Dieser Trend verdeutlich eine außerordentliche Gleichgültigkeit hinsichtlich einer angemessenen Bestrafung, die in solchen Fällen verhängt werden muss", so die Verfassungsrichter.

Seit der mörderischen Gruppenvergewaltigung im vergangenen Dezember, der wochenlange Proteste folgten, ist Indien im Aufruhr. Damals war eine 23 Jahre alte Studentin in einem Bus entführt, vergewaltigt und mit einer Eisenstange gefoltert worden. Zwei Wochen später starb sie an ihren inneren Verletzungen.

Frauengruppen kämpfen seitdem für mehr Aufmerksamkeit gegenüber der alltäglichen Unterdrückung, Gesetze für sexuelle Übergriffe wurden verschärft und die Polizei kämpft mit Aufklärungsarbeit und Frauen-Notrufnummern um ihr Ansehen.

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