Indische Restaurants:Briten fürchten die Curry-Krise

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Großbritannien droht ein kulinarischer Notstand: Den beliebten indischen Restaurants gehen die Köche aus. Minister Pickles will nun die Briten dazu bringen, die indische Kochkunst selbst zu erlernen.

Andreas Oldag, London

Gibt es nicht schon zu viele Krisen auf dieser Welt - von der Schulden- und Bankenkrise bis hin zur Rentenkrise? Die Briten sehen sich nun mit einem weiteren Übel konfrontiert: Es ist die Curry-Krise, die derzeit landesweit Besorgnis auslöst. Indischen Restaurantbesitzern fehlen die Köche. Der Personalmangel stellt die Zukunft einer ganzen Branche in Frage. "Es sind sehr schwierige Zeiten. Aber wenn Du keinen qualifizierten Koch hast und Millionen in ein Restaurant investiert hast, gehst Du Pleite", warnt Enam Ali. Der umtriebige Geschäftsmann gilt als Doyen der Branche. Ihm gehört nicht nur das preisgekrönte Restaurant Le Raj im Süden Londons, sondern er bringt auch das Magazin "Spice Business" heraus. Außerdem organisiert der 51-Jährige, der aus Bangladesch stammt, jedes Jahr das Highlight der Curry-Kochkunst, den British Curry Awards.

Nun könnte sich die Curry-Krise tatsächlich zu einem nationalen Desaster ausweiten in einem Land, das nicht gerade als Hochburg der kulinarischen Genüsse gilt. Denn für viele Briten ist der Besuch des "Inders" um die Ecke eine angenehme Alternative zum faden Traditionsessen Fish-and-Chips. "Was sollen wir tun, wenn es bald kein Lamm Korma oder Huhn Tikka Masala gibt?", fragte besorgt das Londoner Boulevardblatt "Evening Standard". Der Gang zu McDonald´s ist jedenfalls für Curry-Fans keine Alternative.

Die Urheber des Personalmangels sitzen nach Meinung der Gastronomen in der Downing Street Nummer Zehn. Dort hat die Regierung des konservativen Premierministers David Cameron eine drastische Verschärfung der Visaregelungen für Immigranten aus Nicht-EU- Staaten durchgesetzt. Danach können nach einem komplizierten Punktesystem nur noch fünf Prozent der Top-Köche aus den asiatischen Heimatländern mit einer Aufenthaltserlaubnis für Großbritannien rechnen. Die Küchenmeister müssen außerdem mindestens 28.260 Pfund (etwa 33.000 Euro) pro Jahr in ihrem Gastland verdienen. Eine Summe, die für kleinere Restaurantbesitzer mit wenigen Zehntausend Umsatz pro Jahr ohnehin viel zu hoch ist.

Nach Angaben von Curry-Lobbyist Ali haben die neuen Einwanderungsbestimmungen bereits dazu geführt, dass einer von vier Arbeitsplätzen für Köche in indischen Restaurants unbesetzt ist. Ein Problem, das auch andere Branchen wie Apotheker und Veterinäre betrifft. Die Regierung hat Restriktionen für Immigranten wieder in Kraft gesetzt, die von der vorherigen Labour-Regierung aufgehoben worden waren. Die Tories wollen nun bei ihren konservativen Wählern punkten. Viele Briten meinen angesichts wachsender Arbeitslosigkeit im Lande, dass Jobs durch Ausländer gefährdet seien.

Nun sollen die Briten ran

Doch nun wird durch die politischen Vorgaben aus der Downing Street eine ganze Branche gefährdet, die immerhin mit 80.000 Beschäftigten etwa 3,6 Milliarden Pfund pro Jahr umsetzt. Etwa 10.000 "Indian food"-Restaurants gibt es auf der Insel zwischen Inverness und Brighton. Die meisten Betriebe werden allerdings nicht von indischstämmigen Einwanderern, sondern von Bangladeschi geführt. Es sind häufig Familienunternehmen, wie beispielsweise in der Ost-Londoner Brick Lane, in der sich ein kleines Restaurant mit greller Neon-Reklame neben das andere reiht.

Um den Curry-Notstand im Vereinigten Königreich zu beheben, ist indes der konservative Minister für kommunale Verwaltung, Eric Pickles, auf eine neue Idee gekommen: Er will mit staatlicher Hilfe ein "Curry-College" gründen. Künftig sollen mehr Briten die asiatische und indische Kochkunst erlernen. In der Branche sieht man die Pläne allerdings skeptisch: Ob sich ein beispielsweise ein arbeitsloser Möbelpacker oder Kraftfahrzeugmechaniker unbedingt für eine Karriere hinter der der Curry-Pfanne interessiert, erscheint fraglich.

Hinzu kommt, dass die Restaurant-Jobs meistens schlecht bezahlt sind. Die Arbeitszeiten sind lang. Viele Familienbetriebe, die in den 60er oder 70er-Jahren von einer ersten Einwanderer-Generation gegründet wurden, haben auch Probleme, einen Nachfolger zu finden. Die heranwachsenden Kinder ziehen es vor, in attraktiveren Branchen zu arbeiten.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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