Indien:Krankenwagen für Kühe

Indien: Heilige Rindviecher, für die es im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh jetzt Sanitätswagen gibt.

Heilige Rindviecher, für die es im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh jetzt Sanitätswagen gibt.

(Foto: imago stock&people)
  • Mit dem neuen Kuh-Krankenwagen werden die Tiere entweder in eine Klinik oder bei Altersschwäche direkt in ein Kuh-Pflegeheim gebracht.
  • Für die Ambulanzen machen sich die Hindu-Nationalisten stark, die ihren Anhängern zeigen wollen, wie heilig ihnen die heiligen Kühe wirklich sind.
  • Kritiker bemängeln, warum man in einem Staat, in dem es für die meisten Menschen keine richtige Gesundheitsversorgung gebe, Ambulanzen für Kühe einführen kann.

Von Arne Perras, Singapur

Die Regierung im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh ist ziemlich stolz auf seine neuesten Ambulanz-Fahrzeuge. Arzt und Sanitäter sind immer mit an Bord, und gefahren werden die Patienten entweder in die Klinik oder, wenn es sich um einen Fall von Altersschwäche handelt, direkt ins "Gaushala": ins Pflegeheim für Kühe.

Den Hindus sind die Tiere heilig - aber Religion alleine erklärt den Kuh-Rettungsdienst nicht. Es geht da auch um Politik: Für die Ambulanzen machen sich die Hindu-Nationalisten stark. Sie gewannen in Uttar Pradesh die Wahl und wollen ihren Anhängern zeigen, wie heilig ihnen die heiligen Kühe wirklich sind. Der Rettungswagen wurde dann auch vom Vize-Regierungschef des Staates eingeweiht.

Eine breite Debatte haben die Kuh-Ambulanzen bisher zwar nicht ausgelöst, aber Kritik war schon zu vernehmen. Der frühere Verfassungsrichter Markandey Katju, bekennender Atheist, zum Beispiel sagte, es sei völlig unverständlich, wie man in einem Staat, in dem es für die Masse der Menschen gar keine richtige Gesundheitsversorgung gebe, Ambulanzen für Kühe einführen könne: "Ich denke wirklich, dass die Regierung von Uttar Pradesh verrückt geworden ist."

Am Tag, als in Indien Bilder von den Kuh-Ambulanzen die Runde machten, war auch das Video eines verzweifelten Vaters aus Uttar Pradesh zu sehen, der den leblosen Körper seines 15-jährigen Sohnes auf den Schultern die Straße entlangschleppte. Der Fernsehsender NDTV berichtete über die Fälle und fragte: "Ambulanzen für Kühe, aber nicht für die Armen?"

"Ich denke, sie werden Dreibettzimmer für die Kühe organisieren"

Was allerdings nicht heißt, dass es um die Kühe in Indien zum Besten steht. Trotz des Heiligenstatus laufen viele verwahrlost durch die Straßen, fressen Müll und Plastik, ja, selbst in manchen Gaushalas herrschen katastrophale Zustände, wie die Hindustan Times berichtete. Doch seit dem Siegeszug der Hindu-Nationalisten in Gestalt der Bharatiya Janata Party (BJP) ist die Politisierung der Kuh nicht mehr zu stoppen. Erbittert wird über Schlachtverbote debattiert, einige Staaten haben sie längst eingeführt. In Gujarat steht Lebenslänglich auf das Schlachten einer Kuh.

Schon das Gerücht, eine Kuh geschlachtet zu haben, kann für Angehörige einer Minderheit lebensgefährlich sein. Selbst ernannte Kuhwächter, "Gau Rajaks", jagen jeden Verdächtigen. Anfang April ermordete ein solches Kuh-Kommando einen muslimischen Milchbauern in Rajastan, weil sie ihn des Schmuggels bezichtigten. Gerade gab es ähnliche Morde in Assam.

Der frühere Richter Katju, der auch für Religionsfreiheit eintritt, äußert sich nur noch sarkastisch über die ganze Sache. Die Regierung habe sicher noch weitere Annehmlichkeiten für die Kuh auf Lager: "Ich denke, sie werden Dreibettzimmer für die Kühe organisieren, dazu klimatisierte Busse für ihre Reisen und Ferien in den Bergen." Und nicht zu vergessen: "Mutterschaftsurlaub."

Wer weiß.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: