Indien:Mut in Uniform

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Shrestha Thakur, die mutige Polizistin aus Indien, im Streit mit einem Parteimitglied der Bharatiya Janata Party (BJP). (Foto: Youtube)

Eigentlich war es Polizeiroutine: Verkehrskontrolle, Papiere bitte. Der Unterschied: Es war eine Frau, die da kontrollierte und einen Strafzettel schrieb. Nun soll sie versetzt werden.

Von Arne Perras

Sie hat einfach ihren Job gemacht. Verkehrskontrolle, Fahrzeugpapiere: Polizeiroutine. Sollte man meinen. Doch dann kam die indische Polizistin Shrestha Thakur, 34, an einen Mann auf einem Motorrad. Der hatte keine Papiere, kein Nummernschild und keinen Helm, wie sie feststellte. Also verpasste sie ihm einen Strafzettel über 200 Rupien, knapp drei Euro. Und damit brach der Streit los.

Inzwischen weiß ganz Indien um die tapfere Polizistin Thakur, die sich an jenem Tag nicht einschüchtern ließ. Denn der Mann, der zahlen sollte, gehörte zur regierenden Partei Bharatiya Janata Party (BJP), die im nordindischen Bundestaat Uttar Pradesh in diesem Jahr die Wahl gewann. Der Parteifunktionär wollte nicht einsehen, warum er belangt werden sollte, wie indische Medien berichten. Also rief er einen Parteioberen zu Hilfe, der sich prompt einmischte, sodass Thakur bald von mehreren Männern umringt war, die auf sie einredeten und sie bedrängten.

Doch nicht mit ihr, Shrestha Thakur war nicht beeindruckt, hielt dagegen: "Sie gehen jetzt bitte und bringen mir schriftliche Anweisung des Ministerpräsidenten, dass die Polizei kein Recht hat, Fahrzeuge zu kontrollieren und dass wir unseren Job nicht machen können." Von der Auseinandersetzung gibt es ein Video, das sich in den sozialen Medien verbreitete, Thakur wurde überhäuft mit Lob.

Die Episode trifft einen Nerv in Indien, wo viele miterleben, dass sich lokale Politiker Privilegien herausnehmen, die ihnen rechtlich gar nicht zustehen; dass sie glauben, sie seien unantastbar und dass Regeln vor allem für alle anderen gelten würden. Das demoralisiert viele Beamte, die sich an Recht und Gesetz halten wollen, aber immer wieder unter Druck geraten, immer wieder mal ein Auge zuzudrücken. "Sie sind nun unsere nationale Heldin", postete ein Facebook-Nutzer. "Machen Sie weiter so gute Arbeit", schrieb ein anderer.

Andererseits erhoben Mitglieder der Partei Vorwürfe gegen die Polizeitruppe. Ein BJP-Politiker behauptete, einer der Beamten habe ein Bestechungsgeld gefordert, damit der Strafzettel fallen gelassen würde, eine Anschuldigung, die von der Polizei zurückgewiesen wurde. Weil die Parteifunktionäre und ihre Anhänger an jenem Tag einen regelrechten Tumult verursachten, drohte ihnen die Polizistin Thakur, sie würde Anzeige gegen sie wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" erheben. Das heizte die Situation noch weiter an. Einige Wochen zuvor hatte die indische Öffentlichkeit zu sehen bekommen, wie ein hochrangiger BJP-Politiker eine Polizistin bei einem Streit derart anschrie und ihr drohte, dass sie in Tränen ausbrach.

Für die Polizistin Thakur blieb die Auseinandersetzung mit den BJP-Funktionären nicht ohne Folgen. Der Staat Uttar Pradesh verfügte ihre Versetzung, sie wird nun an der nepalesischen Grenze im Einsatz sein. Wie die Hindustan Times berichtete, habe der lokale Parteichef auf Konsequenzen in diesem Fall bestanden, um den Stolz seiner Männer zu retten.

"Sorgt euch nicht, meine Freunde, ich akzeptiere das als Belohnung für meine Arbeit", schrieb Thakur auf Facebook, bevor sie kurze Zeit später den Eintrag wieder löschte. Auf Twitter schrieb einer: "Sie wird es überall gut machen, wo immer sie sie auch hinschicken. Sie ist eine indische Tigerin."

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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