Indien:Drei Streifen: Blau

Mutter Teresa kümmerte sich um die Ärmsten der Armen von Kalkutta. Ihre Ordensgemeinschaft, die "Missionarinnen der Nächstenliebe", lässt sich jetzt ihr Gewand markenrechtlich schützen. Gehört sich das?

Von Arne Perras

Symbole bestechen meist durch ihre Schlichtheit. Und so ist das auch mit dem Gewand der Mutter Teresa. Ein weißer Sari samt Kopftuch, mit drei blauen Streifen an den Rändern. In dieser Ordenstracht hat die Welt die außergewöhnliche Albanerin kennen und ehren gelernt. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich um Arme und Kranke aus den Slums gekümmert, so wuchs ihr Ruf als "Engel von Kalkutta". Voriges Jahr hat sie der Papst heiliggesprochen. Und das tief zerfurchte Gesicht der Teresa ist in der Erinnerung stets umgeben von jenem gestreiften Baumwolltuch, das sie einst als Gewand für sich und ihre Schwestern ausgewählt hatte.

Eine Aura des Unantastbaren umfängt die alten Bilder. Was sollte man ihnen schon anhaben können? Doch wollte der Orden nichts dem Zufall überlassen. Und deshalb hat sein indischer Anwalt jetzt den weiß-blauen Sari als Marke eintragen und vom indischen Staat schützen lassen. Sicher ist sicher, lautet die Strategie. Denn wer weiß schon, was die Leute noch alles anstellen werden mit diesem sehr symbolischen Gewand.

"Weil wir die skrupellose und unfaire Verwendung des Designs rund um die Welt erleben, versuchen wir nun, ein Bewusstsein für die Marke zu schaffen", sagt Anwalt Biswajit Sarkar in indischen Medien. Der britischen Zeitung The Guardian erklärte er: "Wenn das blaue Muster, das einzigartig ist in der Welt, verwässert oder von der Öffentlichkeit benutzt wird, dann wird die Organisation eines Morgens ihre Identität verloren haben."

Die Registrierung geschah bereits, als der Papst Mutter Teresa in die Heilige Teresa verwandelte. Nur war der Markenschutz damals, im September 2016, noch nicht öffentlich geworden. Erst neun Monate später hat der Anwalt nun darüber gesprochen, offenbar, weil seine Sorgen größer werden. Auch die indische Zeitung Business Standard beobachtet, dass der Kommerz um das Gewand zunimmt. "All dies wird nun aufhören müssen oder zumindest die Erlaubnis der ,Missionarinnen der Nächstenliebe' erfordern."

File photo of Catholic nuns from the order of the Missionaries of Charity gather under a picture of Mother Teresa in Kolkata

Ein Sari als Erkennungszeichen: Ordensfrauen gedenken Mutter Teresa (1910 - 1997).

(Foto: Jayanta Shaw/Reuters)

Allerdings wirft die Zeitung auch die Frage auf, ob man für eine solche Erlaubnis womöglich bezahlen müsse und ob der Orden auf diesem Wege nun Geld einnehmen werde. Der Anwalt hingegen betonte, er wolle nur den "Missbrauch für kommerzielle Zwecke" unterbinden. Den nämlich scheint es nach Ansicht des Juristen tatsächlich zu geben: Religiöse Bücher mit den spezifischen blauen Streifen würden verkauft und erweckten den Eindruck, sie seien vom Orden in Kalkutta abgesegnet. Organisationen eröffneten Schulen mit dem Namen von Mutter Teresa und trügen deren Uniformen, ohne dass es überhaupt eine Verbindung zum Orden gäbe. Lehrer mancher Schulen hätten sich sogar per Brief beschwert, warum sie so lange auf ihren Lohn warten mussten. Dabei gehörten die Schulen gar nicht zu ihrer Organisation.

Etwa 4000 Nonnen arbeiten weltweit unter dem Schirm der "Missionarinnen der Nächstenliebe", um das Werk Mutter Teresas fortzusetzen. Sie alle tragen den weiß-blauen Sari. Zahlreiche Händler verkaufen auf großen Online-Plattformen wie Amazon, Flipkart, Snapdeal Saris im Mutter-Teresa-Look für Kinder. Als "Nationalheld-Kostüm" für Schulveranstaltungen, Kostümwettbewerbe und Partys. Wobei auffällt, dass sie die Kleidungsstücke mit einem oder höchstens zwei, nicht aber mit drei blauen Streifen im Angebot haben, also vom Original doch ein wenig abweichen.

Ein Unternehmer kritisierte im Nachrichtensender BBC den Schritt des Ordens, Markenschutz einzufordern. Er wollte allerdings wegen des sensiblen Themas anonym bleiben. "Wie kann sich irgendjemand einen Sari aneignen, ein traditionelles indisches Kleidungsstück?", sagte er. Auch andere menschliche Ikonen sind untrennbar mit ihren Gewändern verbunden, in Indien gilt dies vor allem für den Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi, der in den Zwanzigerjahren beschloss, nur noch einen schlichten, weißen Lendenschurz (Dhoti) und weißen Schal zu tragen. Es trieb ihn der Wille, sich mit den armen Massen zu identifizieren und dies durch seine Kleidung zu dokumentieren. Doch von Markenschutz redet bei diesem Gewand niemand, es gäbe auch gar keine spezielle "Kombination von Farben", die laut indischem Gesetz geschützt werden kann. Und es ist auch nicht bekannt, dass sich der Lendenschurz zum "kommerziellen Missbrauch" eignet.

4000

So viele Nonnen arbeiten derzeit in 133 Ländern für die "Missionarinnen der Nächstenliebe". Der Orden unterhält 710 Häuser. Darunter sind Heime für Sterbende, Lepra- oder Aidskranke, Obdachlose und Kinder.

Beim Sari der Mutter Teresa ist das anders. Nicht ausgeschlossen, dass die Sache vor Gericht kommt, zumal der Markenschutz von Farben als kompliziert gilt. Kürzlich entschied ein indisches Gericht in einem Streit zugunsten des Landmaschinenherstellers John Deere, der seit 1918 eine besondere Kombination von Grün und Gelb für seine Traktoren nutzt und dafür Markenschutz beansprucht. Anderseits scheiterte der Konzern Cadbury in Großbritannien 2013 mit seinem Versuch, einen bestimmten violetten Farbton für seine Schokolade zu schützen. Jahrelang hatte es darum mit dem Konkurrenten Nestlé gestritten.

Beim Mutter-Teresa-Sari allerdings geht es nicht alleine um das Blau im Stoff, sondern auch um das spezielle Muster: innen zwei dünne und außen ein breiter Streifen. Die Ordensfrau hatte das Kleid 1948 auf einem Markt gekauft und es dann von einem katholischen Priester segnen lassen, wie auf der Webseite der "Missionarinnen der Nächstenliebe" zu lesen ist. Dort ist auch die Geschichte festgehalten, wonach Jesus zu Teresa gesprochen habe und ihr sagte, sie solle sich in einfache indische Gewänder hüllen: "Dein Sari wird heilig werden" habe er gesagt, "weil er mein Symbol ist." Als Teresa vor ihren Schwestern frisch gekleidet erschien, waren die erst einmal entsetzt. Schwester Gertrude, eine Wegbegleiterin, erinnert sich: "Was für ein Schock das für mich war. Meine Oberin war gekleidet wie eine arme bengalische Frau."

Doch Teresa hielt an ihrem Gewand fest, und so wurde es zum Markenzeichen ihrer Arbeit. Weiß steht als Symbol für die Reinheit, wie die Schwestern erklären, die drei blauen Streifen repräsentieren demnach ihre drei Gelübde: Armut, Gehorsam und Keuschheit, verbunden mit dem Dienst für die Ärmsten der Armen. Und die Streifen muss man sich erst verdienen: Novizinnen des Ordens tragen anfangs nur den weißen Sari. Das Blau kommt nach der vierjährigen Ausbildung hinzu.

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