Hurrikan "Irma":"Im Vergleich zu Matthew ist das gar nichts"

Motel Days Inn in Savannah im Bundesstaat Georgia/USA

Zufluchtsort vor Hurrikan "Irma": Das Motel Days Inn in Savannah im Bundesstaat Georgia.

(Foto: Thierry Backes)

Zehntausende Menschen sind vor Hurrikan "Irma" nach Georgia geflohen - einige von ihnen harren in einem Motel aus, bis sie zurückkehren können. Andere fahren mitten rein in den Sturm.

Reportage von Thierry Backes, Savannah (Georgia)

Darrell Pennington, 62, kaut auf einer Zigarre herum, als das Telefon klingelt. Es ist sein Neffe Jay drüben in Dade City, Florida; er will wissen, wie der verdammte Generator gleich wieder funktioniert. Irma hat ihm offenbar nicht das Dach über dem Kopf weggerissen, das ist erst mal eine gute Nachricht.

"Also, pass auf", sagt Pennington, räumt seinen Hund Gator aus dem Weg und tritt aus dem Motel-Zimmer am Flughafen von Savannah. Draußen schüttet und stürmt es, der Teich vor dem Days Inn ist bedenklich vollgelaufen. Darrell ist mit seiner Frau Pat, 54, den beiden Hunden und zwei Katzen vor Irma geflohen. Sie sitzen den Hurrikan an der Ostküste der USA aus, in Georgia.

Der Bundesstaat nördlich von Florida ist in diesen Tagen selbst ein Notstandsgebiet, für die Hauptstadt Atlanta gilt erstmals überhaupt eine Tropensturmwarnung. Das Days Inn bei Savannah liegt streng genommen sogar in einer freiwilligen Evakuierungszone.

Über Nacht galt hier eine Ausgangssperre, die Polizei hatte Angst vor Plünderungen. Die Restaurants und Tankstellen in der Nähe bleiben am Dienstag geschlossen, einige sind verrammelt. Wann es wieder Benzin gibt - unklar. Kanister sind ohnehin bis hoch nach Atlanta fast ausverkauft. Auch das Frühstück im Motel muss ausfallen - die Mitarbeiter leben direkt in Savannah, sie sind schon vor der erwarteten Sturmflut ins Landesinnere gezogen. Wie CNN berichtet, zieht das Wasser mit der Flut nun tatsächlich in Städte wie Savannah oder Jacksonville, Florida, ein. Im Days Inn ist es im Vergleich dazu verhältnismäßig ruhig.

Anders war es vergangene Nacht in Dade City, 45 Meilen nördlich von Tampa. Irma ist über die Region hinweggezogen, in denen die Penningtons in einem Fertighaus leben. Oben auf einem Hügel zwar, sagt Darrell, "das schützt uns vor Überflutungen, aber nicht vor den Winden". Und so beschlossen er und seine Frau am Samstag, zum ersten Mal einem Hurrikan davonzufahren.

Darrell und Pat Pennington

Auf der Flucht vor Hurrikan "Irma" harrt das Ehepaar Darrell und Pat Pennington in einem Motel aus.

(Foto: Thierry Backes)

Am Montagmorgen, vor wenigen Stunden also, erfuhren sie dann von ihren Nachbarn, dass gar nicht viel passiert sei, nur ein paar Bäume seien umgeknickt. Und so packt Pat in ihren Leopardenpuschen schon wieder die Koffer. Sobald der Sturm vorbeigezogen ist, wollen die Penningtons nach Hause fahren.

"Mutter Natur! Amazing!"

Bobby Austin, 55, steht vor ihrem Zimmer, zieht an ihrer Zigarette und starrt hinaus in den Regen. "Ist das nicht schön?", fragt sie. Schön? "Ja, Mutter Natur! Amazing!"

Auch Austin harrt im Days Inn aus, bis alles vorbei ist. Sie lebt seit einem Monat in einem Wohnwagen bei Jacksonville, zwei Autostunden von hier; und wie die Penningtons hat auch sie länger suchen müssen, um überhaupt noch ein Zimmer zu finden. Zehntausende sind aus Florida geflohen, viele irgendwo in Georgia untergekommen.

Andere fahren am Sonntag mitten durch den Sturm nach Florida hinein. Auf dem Weg von Atlanta über die Interstate 75 Richtung Süden begegnet man Kolonnen von Hilfsfahrzeugen. Die Feuerwehr aus New York etwa schickt ihr "Incident Management Team" in die Krisengebiete, während aus dem ganzen Land Arbeiter anreisen, um die Infrastruktur im "Sunshine State" so schnell wie möglich wiederherzustellen.

Dustin Conway - Savannah im Bundesstaat Georgia/USA

Dustin Conway und seine Kollegen sollen die kaputten Stromleitungen in den Florida Keys reparieren.

(Foto: Thierry Backes)

Millionen Menschen in Florida und Georgia haben nach Irma keinen Strom mehr, deshalb gibt es Menschen wie Dustin Conway aus Lansing, Iowa. Er und sein Team sind seit 34 Stunden auf der Straße, als sie an einem Imbiss bei Dublin in Georgia rasten. Ihr Auftrag: sich zu den Florida Keys durchschlagen und dort so schnell wie möglich die Strommasten reparieren. "Ich mag die Aufträge, wenn wir in Sturmgebiete aufbrechen", sagt der 35 Jahre alte Techniker. "Nur die Übernachtungen nerven." Die Jungs schlafen zu dritt in einem Pickup-Truck.

Bobby Austin starrt immer noch auf den Sturm, das Wochenende im Days Inn ist für sie so etwas wie Routine. Seit 1999 musste sie dreimal evakuiert werden. Sie nennt es "Urlaub" und sagt: "Also im Vergleich zu Matthew ist das gar nichts." Hurrikan Matthew hatte 2016 mehr als 600 Menschenleben gefordert, die große Mehrzahl in Haiti, 47 in den USA.

Dann zieht Bobby Austin sich zurück in ihren Raum, krault ihre Katze Izzy und schaltet die Glotze wieder an. Ob sie denn gar nicht besorgt sei, was aus ihrem Wohnwagen wird? "Wissen Sie, ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich zu viele Sorgen machen. Was passiert, passiert. Und ich kann nichts daran ändern."

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