Hunde in China:Mehr als nur ein Mittagessen

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Was Chinesen lange nur aßen, sitzt nun auch auf ihrem Sofa. Allerdings landen die Schoßhunde auch schnell wieder auf der Straße.

Henrik Bork

Als Hundeliebhaberin an einem Restaurant für Hundefleisch vorbeizugehen, ist kein Vergnügen. Die 24-jährige Mao Mao aus Guangzhou aber muss das jeden Tag ertragen.

Sie arbeitet in einem privaten Tierheim mit dem schönen Namen "Familie der Haustiere". Dort betreut sie 17 bedürftige Hunde mit all der Hingabe, zu der sie fähig ist. Nur ein paar Hundert Meter entfernt, in derselben Straße, liegt das nächste Hunderestaurant.

Zwei Köche stehen unter einem Wellblechdach, von der Straße aus gut sichtbar, und zerhacken auf einem großen Holzblock einen Hund nach dem anderen. Dort muss Mao Mao auf dem Weg zum Tierheim täglich vorbei. "Es tut mir weh, das zu sehen", sagt sie, "aber ich kann nichts machen."

Hundefleisch-Hotpot

Es gibt wohl keinen schwierigeren Ort für eine Hunderetterin als die südchinesische Metropole Guangzhou. Man könnte Guangzhou durchaus als Welthauptstadt des Hundefleischkonsums bezeichnen. Tausende Restaurants bieten Gerichte wie "Hundefleisch-Hotpot" an.

Das ist das nahrhafte, in China als gesund geltende Hundefleisch - am besten das besonders zarte Fleisch der Vorderläufe - mit Gemüse gemischt und langsam gar gekocht, Preis 58 Yuan, knapp sechs Euro. Die meisten Kantonesen wissen das zu schätzen.

Gleichzeitig aber gibt es immer mehr junge Chinesen und Chinesinnen wie Mao Mao, die Hunde lieben. "Der Blick eines Hundes sagt für mich: ,Rette mich!'", sagt Mao Mao. Das war wirklich Glück für den kleinen, schwarzen tugou, der in seinem Käfig neben dem Eingang des Tierheimes mit dem Schwanz wedelt.

Er lag nämlich schon auf dem Hackbrett, als sich sein Blick mit dem Mao Maos kreuzte. "Wir gaben dem Koch 30 Yuan. Es war ihm egal, ob der Hund gegessen oder adoptiert wurde", sagt Mao Mao. Jetzt wird er mit viel Geduld gesund gepflegt. Er ist am Nacken verletzt worden und wackelt nicht nur mit dem Schwanz, sondern auch merkwürdig mit dem Kopf.

Die Folgen des Wirtschaftsbooms

"Normalerweise gehen wir aber nicht zu den Restaurants, um Hunde zu retten", sagt Li Yunjun, Mao Maos Chef im Heim "Familie der Haustiere". "Die Restaurants bestellen ja immer wieder neue Hunde nach. Da würden wir nur den Hundezüchtern das Geschäft verbessern."

Der 35-Jährige, im Hauptberuf Buchhalter bei Shell, betreibt das Tierheim von seinem Gehalt und den paar Spenden, die ab und zu eingehen. Die 16 anderen Kläffer in seiner und Mao Maos Obhut sind ehemalige Streuner, die Tierfreunde auf der Straße aufgelesen haben.

Chinas wirtschaftlicher Aufschwung hat zur Folge, dass sich immer mehr neureiche Städter Hunde als Haustiere halten. 150 Millionen solcher "Streichelhunde" gibt es offiziellen Statistiken zufolge bereits in Chinas Wohnstuben. Besonders in diesem Jahr, dem "Jahr des Hundes" nach dem chinesischen Horoskop, ist ein wahrer Hundehalterboom ausgebrochen.

Allerdings enden auch schon wieder die ersten Schoßhunde auf der Straße. "Wenn die Hunde den Besitzern aufs Sofa scheißen, dann verlieren diese schnell die Geduld und setzen sie einfach aus", sagt Mao Mao. Mehr als 100 000 entlaufene Hunde streunen durch die Straßen von Guangzhou, berichtete kürzlich die Zeitung China Daily.

Die Tierliebe muss kein Segen sein

Dem kleinen weißen Mischling "Xiaoling" haben Unbekannte ein Auge ausgeschlagen, bevor sie ihn am Straßenrand aus dem Auto warfen. Die hellbraune Straßenmischung "Tang Tang" hat eine Hautkrankheit. Sie stinkt und war seinem Besitzer wohl deshalb schnell vom Spielgefährten zur Last geworden. "Die neu entdeckte Tierliebe der Chinesen ist nicht unbedingt ein Segen für die Hunde", sagt Li Yunjun.

Wo Hunde den meisten Menschen noch immer im Kochtopf am liebsten sind, hinkt der Tierschutz im Vergleich zu anderen Ländern hinterher. "Wir wollen dafür kämpfen, dass China endlich ein Tierschutzgesetz bekommt", sagt Li. Noch ist es straffrei, den Hunden aus reinem Sadismus "den Schwanz abzudrehen" oder sie "aus Spaß mit kochendem Teewasser zu überbrühen", sagt der Tierschützer.

Ganz langsam nur verändert sich die Einstellung der Chinesen zu den Vierbeinern. Schon 180 Hunde haben Li und Mao Mao gesund gepflegt, fotografiert und dann über das Internet an Tierfreunde vermittelt. "Das größte Problem", sagt Mao Mao, "sind aber immer noch diese schrecklichen Hunderestaurants."

© SZ vom 1.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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