Hummus-Wettstreit:Kulturkampf im Kochtopf

Kleine Kichererbsen, große Folgen: Im Wettstreit um den weltgrößten Hummus liegt gerade ein israelisches Dorf vorne - bald aber dürften die Libanesen zurückschlagen.

Peter Münch, Abu Gosch

Das Dorf steht im Zeichen der Kichererbse und hat sich geschmückt mit Fahnen und Plakaten, denn dieser 8. Januar soll ein historischer Tag werden: Geschichte wird gekocht in Abu Gosch. Dem Anlass entsprechend haben sich in dem 7000-Einwohner-Ort vor den Toren Jerusalems zahlreiche Honoratioren und Kamerateams eingefunden, ein paar starke Männer und ein paar schöne Frauen vertreten die Glitzerwelt, und oben auf der Bühne steht Jawdat Ibrahim und strahlt, nun ja, wie ein Hummus-König. Denn eine unglaubliche Zahl leuchtet in Rot auf der digitalen Anzeigetafel: 4090! 4090 Kilogramm Hummus haben sie hier zusammengerührt. Das ist der Weltrekord! Israel hat ihn zurückerobert, und Abu Gosch ist jetzt die Hauptstadt des Hummus.

Abu Gosch; Hummus; AFP

Viel Masse, aber auch Klasse: Zwei Hummus-Köche vor ihrem gigantischen Werk, das in Abu Gosch 4090 Kilo auf die Waage brachte.

(Foto: Foto: AFP)

Die Kapelle spielt auf, das Publikum jubelt, denn in dem, was schon einmal dick aufgetragen als "Hummus-Krieg" bezeichnet wurde, ist ein Sieg zu feiern. Im Oktober hatte es hier einen Schock gegeben, in Beirut war ein zwei Tonnen schwerer Hummus-Topf angerichtet worden, anschließend hatten die 250 Köche dort die Nationalhymne angestimmt.

Schließlich standen die Libanesen jetzt im Guinness-Buch der Rekorde und hatten die Israelis verdrängt, die ziemlich symbolgeladen exakt am 60. Jahrestag der Staatsgründung in Jerusalem den Rekord erobert hatten, mit einer Tonne Hummus.

Doch jetzt hat Jawdat Ibrahim, der Wirt des Abu-Gosch-Restaurants, den Weltrekord zurückgeholt, mit 78 Köchen und 400 Helfern - und vor allem: einem gemischten Team aus arabischen und jüdischen Israelis. Von allen Seiten wird ihm gratuliert, Habibi hier, Habibi da, und auch manch hebräischer Gruß ist darunter. Ibrahim ist der Hummus-Held. "Ich bin sehr stolz", sagt er.

Der Hummus - dieses Püree aus Kichererbsen, Sesampaste und Olivenöl, verfeinert mit Zitronensaft, Knoblauch und Petersilie - ist im Nahen Osten ebenso beliebt wie umkämpft. Die Israelis haben sich die cremige Vorspeise zum nationalen Leibgericht erkoren, der Hummus ist ihnen heilig.

Doch einigen arabischen Nachbarn erscheint das wie kulinarisches Kolonialgehabe. Schließlich ist das für sie ein arabisches Gericht. Legenden zufolge hat ihr mythenumrankter Volksheld Saladin im 12. Jahrhundert nicht nur die Kreuzritter aus Jerusalem vertrieben, sondern vor allem auch den Hummus erfunden. Anderen Quellen zufolge soll allerdings bereits in der Bibel von einem irgendwie hummusartigen Gericht die Rede sein. Es handelt sich also um denselben Brei, aus dem der ganze Nahost-Konflikt zusammengerührt wird.

Wirtschaftliche Interessen spielen natürlich auch eine Rolle. Die Israelis exportieren ihren Hummus - und vor allem den aus Abu Gosch - weltweit mit Erfolg. Das schmeckt längst nicht jedem. Im Libanon haben Wirtschaftsvertreter ausgerechnet, dass ihnen dadurch in jedem Jahr Zigmillionen Dollar verloren gehen. Sie wollen den Streit ums Gericht vor internationale Gerichte tragen.

"Lasst uns zehntausend Kilo machen"

Von diesem Küchenkrieg hält Jack Brockbank gar nichts. Er setzt vielmehr auf den Wettstreit der Edlen, und in diesem Streit ist er der Schiedsrichter. Brockbank ist aus London angereist und steht nun in dunklem Nadelstreifenanzug und mit schwarzer Aktenmappe im Abu-Gosch-Restaurant. Als Gesandter des Guinness-Buches darf er den Rekord besiegeln und verkünden. Man kann sagen, dass er das ausgesprochen gerne tut, nicht zuletzt, weil er als Erster probieren durfte. "Ich habe mich ja gefragt, ob sie für die Quantität die Qualität opfern", sagt er, "aber dies ist der beste Hummus, den ich je gegessen habe." Zu Hause kauft er ihn oft im Supermarkt, "aber das hier ist wirklich etwas Besonderes". Die Libanesen werden das nicht gerne hören: Sie wollen Brockbank bald wieder in Beirut bewirten - zur Feier eines neuen Hummus-Rekordes natürlich. "Ich habe gehört, dass sie sich darauf schon vorbereiten", sagt Brockbank.

Der Hummus gehört niemandem allein

Jawdat Ibrahim aber will sich davon nicht beeindrucken lassen. Er ist ein Mann des Ausgleichs, und ein Glückspilz obendrein. In einer US-Lotterie hatte er vor ein paar Jahren 23 Millionen Dollar gewonnen. Als reicher Mann ist er nach Abu Gosch zurückgekehrt und hat neben dem Restaurant auch eine Stiftung gegründet, die Friedensprojekte für jüdische und arabische Kinder unterstützt. Die vier Tonnen Rekordhummus sollen nun bedürftigen Familien zugute kommen, und das ganze Fest drumherum mit all den Reden und Liedern und Tänzen hat er im Zeichen der Versöhnung organisiert. "Wir alle lieben doch den Hummus", sagt er, bevor er zum Ende der Zeremonie weiße Tauben über dem gigantischen Teller aufsteigen lässt.

Den Weltrekord wollte er unbedingt in die Heimat holen, aber er wird auch nicht müde zu betonen, dass "der Hummus niemandem allein gehört". Deshalb macht er den Libanesen an diesem historischen Tag ein Friedensangebot: "Lasst uns den nächsten Hummus zusammen bereiten", sagt Jawdat Ibrahim. "Lasst uns zehntausend Kilo machen."

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