Horror in Bosnien:Die Sklavin Karla

Vom Stiefvater grausam gequält, von Männern missbraucht, von Hunden gehetzt, Essen aus dem Schweinetrog - von den Nachbarn geduldet. Wenn es stimmt, was eine junge Deutsche acht Jahre in Bosnien erlebt hat, dann ist es die Geschichte eines Martyriums, wie man es sonst nur aus grausamen Märchen oder Horrorfilmen kennt.

Cathrin Kahlweit, Wien

Die Bilder zeigen ein heruntergekommenes Backsteinhaus inmitten von Wiesen und Wäldern, um das kleine Haus herum liegen Müll, alte Reifen, landwirtschaftliches Gerät, das Gras müsste mal wieder gemäht werden. Irgendjemand hält das Foto eines Mädchens in die Kamera, das Gesicht ist - zum Schutz der jungen Frau - nicht zu erkennen. Sie hat rotblonde lange Haare, die aus dem runden, kindlichen Gesicht zurückgesteckt sind. Karla soll das Mädchen heißen. So nennen es die Behörden.

Seine Geschichte, die Geschichte eines Martyriums, wie man es sonst nur aus grausamen Märchen oder Horrorfilmen kennt, hält seit Jahren das Dorf Gojcin in Atem, mittlerweile aber auch die Staatsanwaltschaft und die Polizei in der benachbarten Stadt Tuzla in Bosnien sowie die Behörden in Deutschland und Österreich. Denn die 19-Jährige soll von ihrer deutschen Mutter Christina, die den Bosnier Milenko M. geheiratet hatte, an diesen Mann abgegeben worden sein - zur allfälligen Verfügung.

Seit nunmehr acht Jahren, von 2004 bis zum 17. Mai 2012, war Karla in der Hand ihres heute 52-jährigen Stiefvaters, der Karla gemeinsam mit Verwandten grausam gequält habe, sagte Staatsanwältin Gordana Tadic am Montag. Der Mann habe Karlas deutsche Mutter geheiratet, obwohl er bereits mit einer Bosnierin verheiratet war.

2004 habe die eigene Mutter Karla zu ihrem Stiefvater von Gojcin gebracht. Dort lebte oder vegetierte die Tochter als Haussklavin. Sie musste im Stall schlafen, den Pferdekarren ziehen, die schwere Feldarbeit machen. Sie bekam so wenig zu essen, dass sie sich in ihrer Not aus dem Schweinetrog miternährte.

Sie durfte nicht zur Schule gehen, mit niemandem sprechen. Offenbar wurde sie regelmäßig mit dem Messer traktiert und verletzt, die Wunden wurden nicht versorgt und überziehen als Narben den ganzen Körper. Nachbarn berichten bosnischen Medien, das Ehepaar habe Hunde auf Karla gehetzt, sie ausgepeitscht. Auch hätten zahlreiche Männer sie sexuell missbraucht.

Wie alles herauskam

Was an all den grausamen Erzählungen wahr ist, versucht derzeit die Staatsanwaltschaft Tuzla herauszufinden. Sie hat das Paar festgenommen, sie ermittelt wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Nach unbestätigten Berichten soll auch die leibliche Mutter des Mädchens in dem bosnischen Weiler gelebt und die Versklavung ihrer Tochter miterlebt haben, sie sei ebenfalls verhaftet worden. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet, die Mutter bestreite die Tat und sage, man habe "gut zusammengelebt". Die Familie der mutmaßlichen Täter, die Roma sind, spricht von einem "Komplott".

So weit die Details. Wie das alles herauskam, nach acht Jahren? Nun, vielleicht ist dies das Schlimmste an diesem Martyrium: Es geschah unter permanenter Beobachtung, es war lange bekannt.

Denn den Nachbarn in dem kleinen bosnischen Dorf war nicht verborgen geblieben, dass da ein fremdes Mädchen gefangen gehalten und misshandelt wurde. In einem Filmbericht der Agentur Reuters sagt ein Bauer: "Ich konnte das nicht mehr ertragen, ich habe mir Sorgen gemacht, dass sie sie so hungern lassen, und wie sie geschlagen wurde. Wieso haben sie sie so geschlagen, wo sie doch die ganze Arbeit gemacht hat?"

Auf dem Feld wurde Karla gesehen, wie sie mit der Peitsche traktiert wurde, und wie sie, ausgehungert und geschwächt, für ihre Sklavenhalter arbeiten musste. Man redete darüber, den Leuten tat das Kind leid. Irgendjemand soll die Polizei alarmiert haben, vor Jahren schon, aber als diese das Haus durchsuchte, habe man es nicht gefunden, heißt es. Dann wurde offenbar nicht mehr weiter nachgeforscht.

Nun aber wurde die 19-Jährige gefunden - auf 40 Kilogramm abgemagert lag sie in der Nähe des Dorfes, in dem sie acht Jahre lang misshandelt wurde, im Wald. Ein Nachbar soll sich, heißt es, erneut erbarmt und den Behörden gemeldet haben, was da vor sich ging. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Tuzla sagt, Karla sei in Sicherheit und erhole sich mühsam von den schweren Strapazen.

Unterdessen läuft die Ermittlungsarbeit auf Hochtouren. Die Behörden in Tuzla haben Rechtshilfeersuchen nach Deutschland und Österreich geschickt, denn die Täter und deren Verwandte hätten in beiden Ländern gearbeitet. Fieberhaft wird auch nach weiteren Töchtern der deutschen Mutter gesucht, denn diese soll, als wäre die Auslieferung einer Tochter an ein Paar von Sadisten nicht genug, weitere Kinder regelrecht nach Bosnien verkauft oder verheiratet haben.

Es sei, meldet der Spiegel, dabei um die Erschleichung von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen gegangen. Das Justizministerium in Wien konnte entsprechende Meldungen am Montag noch nicht bestätigen.

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