Homosexualität:Malta unterm Regenbogen

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Die katholische Insel gilt als Vorbild für die Rechte von Homosexuellen - auch dank eines neuen Gesetzes.

Von Oliver Meiler, Rom

Malta ist nur selten ein Vorreiter in der Welt. Doch auf einem Gebiet ist die Insel im Mittelmeer mit ihren 420 000 Einwohnern globale Avantgarde - und zwar dort, wo man es von dem tief katholischen und konservativen Land vielleicht am wenigsten erwartet hätte, nämlich bei den Rechten für Homosexuelle. Nirgendwo auf der Welt werden Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender mehr respektiert, sagen die Organisationen, die sich für die Rechte dieser Menschen einsetzen. Zweimal wurde Malta dafür schon ausgezeichnet, was die Politiker offenbar beflügelt.

Vor einigen Tagen hat das Parlament in La Valletta nun als erstes Land beschlossen, die obskuren und oftmals traumatischen Heiltherapien für Homosexuelle gesetzlich zu verbieten. Wer in Zukunft für solche Reparativtherapien oder "Gay Conversion Therapies" wirbt, sie durchführt oder Homosexuelle dazu zwingt, dem drohen Geldbußen bis 5000 Euro und Haftstrafen bis zu einem Jahr. Menschen dürften wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert oder gar für therapiebedürftig gehalten werden. Das Gesetz kam einstimmig durch.

Diese jüngste Novelle ist die Folge eines Vorfalls, der sich vor einem Jahr zugetragen hat. Da löste der Besuch eines amerikanischen Evangelisten eine Debatte aus, weil der Mann in Vorträgen "Therapien für Homosexuelle" propagiert hatte. Daraufhin meldeten sich zwei Männer bei der Times of Malta. Sie erzählten, dass sie in solche Behandlungen gedrängt worden seien. Zwar gab es keine Anzeichen dafür, dass sich die absurde Praxis in Malta zum breiten Phänomen ausgewachsen hätte. Doch die Regierung arbeitete an einer Gesetzesvorlage.

Warum aber gibt sich Malta, wo die Abtreibung noch immer verboten ist, in Sachen Homosexualität so progressiv? Es gibt dazu zwei Denkschulen und Narrationen. Die erste handelt von einer Schleusenöffnung. Vor fünf Jahren entschieden sich die Malteser gegen den Widerstand der mächtigen katholischen Kirche dafür, das Recht auf Scheidung einzuführen. Als eines der letzten Länder der Welt. Das Ja war eine Überraschung. Offenbar orientierten sich die Inselbewohner an der Modernität der EU, der sie seit 2004 angehören. 2013 kam dann die Labour Party an die Macht. Und die versprach, das Land noch mehr zu öffnen. Ein Jahr später führte Malta die Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare ein - wieder gegen den Willen der Kirche. Im Kabinett von Premier Joseph Muscat sitzen Leute, die das Thema mit viel Eifer vorantreiben. Ist es vielleicht sogar verdächtig viel Eifer?

Es gibt nämlich auch eine misstrauische Deutung. Viele Malteser glauben, die Regierung öffne ihre Politik nur, damit die Öffentlichkeit darüber andere, weniger schöne Geschichten vergesse - einen Skandal vor allem. Zwei wichtige Mitglieder im Kabinett, enge Vertraute des Premiers, werden in den Panama Papers genannt, weil sie Firmen und Geld vor dem Finanzamt versteckt haben. Muscat hat schon oft versprochen, er lasse die Affäre aufklären. Passiert ist bisher kaum etwas. Da hat man es etwas weniger eilig.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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