Holzklotz-Prozess:Einmal Freispruch, zweimal lebenslänglich

Extreme bestimmen den Prozess gegen den mutmaßlichen Holzklotz-Werfer Nikolais H.: Sein Verteidiger fordert Freispruch, Staatsanwalt und Nebenklage die Höchststrafe.

Im Prozess um den tödlichen Holzklotzwurf von einer Autobahnbrücke hat die Verteidigung auf Freispruch für den Angeklagten plädiert. Die Beweise gegen seinen Mandanten reichten einfach nicht aus, sagte Anwalt Matthias Koch vor dem Landgericht Oldenburg.

Holzklotz-Prozess: Nikolai H. vor dem Landgericht Oldenburg: Sein Verteidiger hat nun Freispruch für seinen Mandanten gefordert.

Nikolai H. vor dem Landgericht Oldenburg: Sein Verteidiger hat nun Freispruch für seinen Mandanten gefordert.

(Foto: Foto: AP)

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten am Montag hingegen eine lebenslange Freiheitsstrafe für den 31-Jährigen gefordert. Der drogensüchtige Nikolai H. soll am Ostersonntag 2008 einen Holzklotz auf die Autobahn 29 geworfen und so eine zweifache Mutter aus Nordrhein-Westfalen getötet haben.

Staatsanwalt Stefan Schmidt beschrieb in drastischen Worten die Tat, die Olga K. buchstäblich aus heiterem Himmel traf: Der Angeklagte habe seine "Frustbewältigung" über den Umstand gestellt, "dass jemand zu Tode kommen könnte" und die 33-Jährige heimtückisch ermordet, sagte Schmidt in seinem Plädoyer. Er forderte zudem eine Verurteilung wegen Mordversuchs an den drei weiteren Autoinsassen.

Frust im Vordergrund

Dem Angeklagten Nikolai H. sei das Schicksal der ihm unbekannten - und wegen der Dunkelheit am Ostersonntagabend 2008 für ihn auch unsichtbaren - Insassen des auf der A29 herannahenden Autos "gleichgültig" gewesen, sagte Schmidt. Nachdem der drogensüchtige H. den Tag über vergeblich versucht habe, sich Heroin zu besorgen, habe sein eigener Frust im Vordergrund gestanden. So habe er den mitgebrachten sechs Kilogramm schweren Holzklotz auf die Fahrbahn fallen lassen und damit ein "nicht zu kalkulierendes Risiko" geschaffen.

Das Geschoss traf das Auto der "arglosen" Familie K. und tötete die 33-jährige Beifahrerin vor den Augen ihres Mannes und der zwei Kinder.

Nikolai H. hielt während des Plädoyers den Blick meist gesenkt und ließ ein Bändchen mit schwarzen Perlen durch seine Hände gleiten. Er hatte die Tat nach seiner Festnahme zunächst gestanden, dies allerdings später widerrufen. Das von einem rechtspsychologischen Gutachter für glaubhaft befundene Geständnis gilt als wichtigstes Beweismittel des Prozesses. Die Verteidigung beantragte am Montag vergeblich, den Sachverständigen vom Gericht als befangen ablehnen zu lassen.

Klarer "Erlebnisbezug"

Staatsanwalt Schmidt erinnerte daran, dass H. sowohl vor Polizisten als auch später vor dem Haftrichter die Tat eingeräumt habe. Entgegen der Darstellung der Verteidigung habe H. ein für eine Vernehmung ausreichendes Sprachniveau und sei trotz seiner Drogensucht vernehmungsfähig gewesen. Für eine behauptete "Verschwörung von Justiz, Polizei und Staatsanwaltschaft", um dem Angeklagten mittels angeblicher "hypnoseartiger Vernehmungstechniken" ein falsches Geständnis unterzuschieben, gebe es keine Anhaltspunkte.

Vielmehr besitze das Geständnis einen klaren "Erlebnisbezug". H. habe darin "Täterwissen" preisgegeben, das bis dato auch den Ermittlern unbekannt gewesen sei, sagte Schmidt. Er habe zahlreiche Details genannt und von seinem folgenden schlechten Gewissen und Schlafstörungen berichtet.

Auch die Nebenklage forderte lebenslänglich wegen Mordes und dreifachen Mordversuchs. "Ich weiß nicht, was Sie an diesem Tag geritten hat", sagte Rechtsanwalt Oliver Niedostadek in Richtung des Angeklagten. Eine Verurteilung bringe seinen Mandanten zwar weder die Frau noch die Mutter zurück, auch nicht den anderen Angehörigen ihre Schwester, Schwägerin oder Schwiegertochter. Aber womöglich könne es ihnen helfen, etwas besser mit dem Verlust "fertig zu werden".

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