Höxter:Es werden immer mehr

Ermittlungen zu weiteren Opfern eines Paars in Höxter

Immer noch sichert die Polizei Spuren auf dem Hof in Höxter.

(Foto: dpa)

Auch nach zwei Wochen Ermittlungen ist noch offen, wie viele Frauen von Wilfried W. und Angelika B. auf dem kleinen Hof in Höxter gequält wurden.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

Viele Hundert Anzeigen hat Wilfried W. in den vergangenen Jahren aufgegeben, mal gibt er sich als "romantisch-naturverbundener Nichtraucher", mal flötet er hoffnungsfroh: "Zu zweit ist alles schöner." Dabei suchte er offensichtlich eher nach jemandem, mit dem er zu dritt leben wollte.

Wie viele Frauen sich auf die Anzeigen in Zeitungen und Online-Portalen tatsächlich gemeldet haben, kann die Polizei noch nicht sicher sagen. Annika W. und Susanne F. zogen zu Wilfrid W. und seiner Partnerin Angelika B. nach Höxter, wurden dort über Monate gequält und starben an den Folgen. Weitere vier Frauen seien von Wilfried W. nach Höxter gelockt und dort gefoltert worden, sagte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Rolf Meyer am Montag. Es gebe zudem Hinweise auf weitere Opfer.

Mehr als 50 telefonische Hinweise seien bei der Polizei eingegangen, die mutmaßlichen Opfer hätten sich aber nicht selbst bei der Polizei gemeldet, ihre Namen haben sich aus den Vernehmungen ergeben. Dabei hat Angelika B., die sich aus finanziellen Gründen von Wilfried W. scheiden ließ, recht detailliert darüber ausgesagt, wie die Opfer über die Jahre gequält wurden. Die Frauen wurden nach ihrer Schilderung mit heißen Bügeleisen traktiert und in der Badewanne festgemacht; es wurden ihnen Gegenstände in den Körper eingeführt und sie wurden mit Füßen getreten. Dabei gab es wohl eine Art Arbeitsteilung zwischen Wilfried W. und Angelika B. "Sie hat mehr ausgeführt, die Tatherrschaft lag mehr bei ihm", sagt Oberstaatsanwalt Meyer. Für Angelika könnte das auch den Vorteil gehabt haben, dass sie selbst nicht mehr Opfer der Gewalt ihres Partners wurde, so wie in den Jahren zuvor. Das sei jedenfalls "durchaus denkbar", sagen die Ermittler.

Über Jahre hinweg hatte das Paar offenbar viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um nicht entdeckt zu werden, und sich selbst außerdem für diesen Fall gerüstet. Die beiden Opfer wurden wohl gezwungen, eigene Abschiedsbriefe zu schreiben, in denen behauptet wird, dass sie mit den körperlichen Qualen einverstanden gewesen seien. Der Mutter von Annika W. wurden auch nach deren Tod noch SMS-Nachrichten geschickt, alles sei gut.

Am 21. April gab Wilfried W. eine Anzeige bei Ebay auf: Kiosk in Brakel aus "gesundheitlichen Gründen" zu vermieten. Es war aber nicht die Gesundheit von Wilfried W., mit der es zu Ende ging, es war die Zeit, zu der alles aufflog - der Tag, an dem es mit der Gesundheit von Susanne F. zu Ende ging. Das Paar packte sie ins Auto und wollte sie in ihren letzten Wohnort nach Niedersachsen fahren, nach einer Autopanne wurde ein Notarzt gerufen. Warum sich die beiden damals quasi selbst stellten, ist für die Ermittler bis heute nicht klar. Es habe wohl an einer gewissen "Überforderung" gelegen.

In Höxter-Bosseborn haben sie nun das Schützenfest abgesagt, sonst aber können sie dort nur zusehen, wie ihr Dorf mit 600 Einwohnern auf der ganzen Welt bekannt wird. Und wie die Polizei immer noch Sachen aus dem kleinen Hof abtransportiert, immer noch Spuren sammelt, für die den Ermittlern bald die Lagerkapazitäten ausgehen, so viel gibt es zu sichten. Zumindest könnten die Beamten nun nach den neuen Hinweisen auf weitere Opfer "gezielter nach Spuren suchen", sagte eine Polizeisprecherin. Wie viele Opfer es noch werden könnten, das aber können die Ermittler auch nach fast zwei Wochen Untersuchungen nicht sagen. Bis nach Tschechien hatte das Pärchen nach Frauen Ausschau gehalten, auch dort wird nun nach möglichen Opfern gesucht.

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