Hochwasserkatastrophe:Die Flutwelle rollt

Das Hochwasser in Bayern verschiebt sich aus dem Alpenvorland und Allgäu in Richtung Norden. Während in südlichen Landkreisen bereits mit den Aufräumarbeiten begonnen wurde, begann flussabwärts an Isar, Donau und Inn das bange Warten auf Höchststände.

In Neu-Ulm wurden nach Angaben der bayerischen Polizei ein Krankenhaus vollständig und ein Seniorenheim teilweise evakuiert, die Uferbereiche mit Sandsäcken und Barrieren gesichert. In Ulm war der Stand der Donau noch rund einen Meter vom Wert des Hochwassers 1999 entfernt. Die Feuerwehr hatte aber Hoffnung, dass die Altstadt nicht überflutet wird.

Besondere Gefahren drohten im Landkreis Freising. In Moosburg an der Isar begannen dort Helfer mit dem Errichten eines Notdeichs, um die Altstadt vor einer Überschwemmung zu schützen. "Die Situation ist sehr kritisch", sagte ein Sprecher des Wasserwirtschaftsamts Freising.

In Freising selbst erreichte der Pegel der Isar einen Stand von 4,32 Meter und lag damit fast einen halben Meter über dem des Pfingsthochwassers 1999.

Kritisch blieb die Situation auch in Mühldorf am Inn. Dort wurde am Vormittag ein neuer Höchstpegelstand von knapp acht Metern erreicht. Die Behörden ließen vorsorglich den Strom ausschalten.

Im niederbayerischen Landshut erwarteten die Behörden für den späten Nachmitag einen neuen Höchstpegelstand, der mit 3,95 Meter ebenfalls über dem des Pfingsthochwassers liegen wird. Hier geht das Wasserwirtschaftsamt davon aus, dass die Wassermengen schadlos durch die Stadt geleitet werden können. In München erreichte die Isar mit 5,36 Meter um sechs Uhr am Morgen ihren Höchststand.

"Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen", sagte ein Sprecher des Wasserwirtschaftsamts. Obwohl hier der Stand vom Pfingsthochwasser um fast 70 Zentimeter übertroffen wurde, sei es zu keinen Schäden gekommen.

Im weiteren Verlauf der Donau Richtung Osten soll das Hochwasser im Tagesverlauf ebenfalls für Überschwemmungen sorgen. Vor allem die Städte Neuburg, Kelheim, Regensburg, Straubing und Passau richten sich auf Pegelstände ein, die über denen des Jahrhunderthochwassers von 1999 liegen könnten. Tausende von Helfern sind dort im Einsatz.

Teile von Bad Tölz evakuiert

Auch an der Isar stieg das Hochwasser flussabwärts weiter an. Teile der Stadt Bad Tölz wurden evakuiert. Im Eittinger Ortsteil Gaden (Landkreis Erding) bestand am Mittwochmorgen die Gefahr, dass die mit Sandsäcken erhöhten Dämme der Isar brechen. Das Landratsamt löste Katastrophenalarm aus.

Zeitweise spitzte sich die Lage auch im Raum Rosenheim zu, wo der Inn in Richtung Norden gefährlich anschwoll. In Wasserburg und Mühldorf wurden Uferbereiche des Inns überflutet, zahlreiche Keller standen unter Wasser.

Die Flutwelle rollt

Die heftigsten Regenfälle seit Jahren hatten gestern in weiten Teilen Südbayerns eine Hochwasserkatastrophe ausgelöst. Am Dienstagabend hatte sich bei nachlassenden Regenfällen die tagsüber dramatisch zugespitzte Lage am Alpenrand allerdings bereits leicht entspannt.

Allgäu

Ein Bauerhof im Allgäu ist völlig überschwemmt.

Vor allem in Garmisch-Partenkirchen und dem am schlimmsten betroffenen nördlich von Garmisch gelegenen Eschenlohe gingen die Fluten langsam zurück. Mit den Aufräumungsarbeiten kann dort frühestens im Laufe des Mittwochs begonnen werden.

A8 ist wieder befahrbar

Die nach Hochwasser wegen Einsturzgefahr gesperrte Lechbrücke der A8 (München-Stuttgart) bei Augsburg ist seit dem frühen Morgen wieder in beide Richtungen befahrbar. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) wollen sich am Tag aus der Luft ein Bild vom Ausmaß des Hochwassers machen.

Im Überschwemmungsgebiet der Zentralschweiz stabilisierte sich der Wasserstand der Flüsse. Viele Orte blieben aber abgeschnitten. In Luzern wurden Brücken geschlossen. Am Abend war die Altstadt überflutet, die Stadt richtete sich auf das größte Hochwasser seit hundert Jahren ein. Im Kanton Obwalden ist der Urlaubsort Engelberg nur noch auf dem Luftweg erreichbar. Rund 1500 Touristen sitzen fest.

Berner Stadtviertel bleibt überflutet

In der Hauptstadt Bern blieb ein Stadtviertel überflutet. Im gesamten Berner Oberland wurden Brücken weggerissen, zahlreiche Gebäude mussten evakuiert werden. Erdrutsche und Wassermassen zerstörten Straßen, Bahnlinien und Häuser.

In Reichenbach im Kandertal wurde ein Ortsteil verwüstet. Ganze Täler und Regionen, wie das Unterengadin, blieben auch in der Nacht zum Mittwoch von der Umwelt abgeschnitten. Die Behörden gingen am Abend von insgesamt sechs Toten aus, die das Hochwasser bisher gefordert hat. Versicherer schätzen die Schäden in der Schweiz auf etwa 500 Millionen Franken (über 320 Millionen Euro).

Wetterberuhigung in Österreich

In Österreich entspannte sich die Lage. "Das Hochwasser ist überall zurückgegangen", sagte ein Sprecher der Tiroler Einsatzleitung am Mittwochmorgen. Auch im Katastrophengebiet im Westen von Vorarlberg war "alles ruhig", meinte ein Sprecher der Polizei in Bregenz.

Ungeachtet der Wetterberuhigung sollen die Hilfskräfte im Tiroler Ober- und Unterland und den besonders betroffenen Gebieten des Bregenzer Waldes an diesem Mittwoch weiter verstärkt werden.

Einige Gemeinden sind aber immer nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten. "Die Lage hat sich stark beruhigt", sagte der Ministerpräsident von Vorarlberg, Herbert Sausgruber. Jetzt gehe es darum, die Straßen und die Zugänge zu den noch von der Außenwelt abgeschnittenen Gemeinden wieder herzustellen.

"Gute Zusammenarbeit"

Nach Angaben Sausgrubers hat die Hochwasserkatastrophe "erheblich höheren Schaden" angerichtet, als die Flutkatastrophe von Pfingsten 1999. Ausdrücklich würdigte der Ministerpräsident die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Diese sei "erprobt und ausgezeichnet".

Allerdings gaben die Behörden Hochwasseralarm für Oberösterreich. Dort erreichten die Pegelstände von Inn und Donau die Warngrenzen. Es wird damit gerechnet, dass beide Flüsse im Lauf des Vormittags über die Ufer treten werden.

In Schärding am Inn wurde bereits am Morgen Hochwasser erwartet. In Linz dürfte die Donau am Vormittag über die Ufer treten. Auch in Wien bereitet man sich auf einen stark erhöhten Wasserstand der Donau vor. Im Norden der Hauptstadt wurden am Morgen die Entlastungsbecken geflutet.

Kabinett Schüssel trat zusammen

Wegen der Unwetterkatastrophe trat am Mittag das Kabinett in Wien unter Bundeskanzler Schüssel zu Beratungen über schnelle Finanzhilfe zusammen.

Seit Sonntag sind in ganz Österreich mindestens zwei Menschen durch das Hochwasser getötet und neun zum Teil schwer verletzt worden. Zwei Personen gelten noch als vermisst.

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