Hochwasser in Deutschland:Passau erwartet höchsten Pegelstand seit 1501

Teile Sachsens und Bayerns stehen unter Wasser, Tausende Menschen müssen ihre Häuser verlassen: In vielen Orten werden Rekordpegelstände erwartet. Im niederbayerischen Passau könnte die Flut eine Höchstmarke aus dem Jahr 1501 übertreffen, dort sollen jetzt auch Bundeswehrsoldaten gegen die Wassermassen kämpfen.

Dem Südosten Bayerns droht am Montag ein Hochwasser ungeahnten Ausmaßes. Nachdem der Dauerregen auch in der Nacht nicht nachgelassen hatte, rechnen Rettungskräfte vielerorts mit neuen Höchstmarken.

"Möglicherweise werden wir eine Entwicklung bekommen, die zu einem Hochwasser führen könnte, das bisher noch nie dagewesen ist", sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Sonntagabend. Angesichts der dramatischen Situation richtete die Staatsregierung einen Krisenstab ein. Er soll sich am Montagmittag erstmals zusammensetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach den vom Hochwasser am stärksten betroffenen Ländern die "volle Unterstützung" der Bundesregierung.

Hochwasser in Passau Donau

Überflutete Altstadt von Passau: Der Pegelstand könnte einen 500 Jahre alten Rekord brechen.

(Foto: dpa)

Bis zum Sonntagabend wurde in zehn bayerischen Städten und Landkreisen Katastrophenalarm ausgelöst. Betroffen waren Stadt und Landkreis Passau, Stadt und Landkreis Rosenheim sowie die sechs Kreise Berchtesgadener Land, Miesbach, Mühldorf, Traunstein, Erding und Kelheim.

Zwölf Meter Pegelstand in Passau

In Passau werden am Montagmorgen Scheitelstände am Pegel des Inn um 9,50 Meter erwartet. Ein Pegelstand von zwölf Metern gilt als nicht ausgeschlossen - das letzte Hochwasser dieser Größenordnung wurde dort zuletzt im Jahr 1501 verzeichnet. Das Jahrhunderthochwasser 2002 hatte einen Höchststand von 10,81 Metern. "Für die Donau erwarten wir am Mittag den historischen Höchststand von 12,55 Meter", sagte ein Sprecher des Passauer Krisenstabes in der Nacht.

Die historische Altstadt und Teile des Zentrums der Dreiflüssestadt sind großflächig überspült. In einigen Häusern der Altstadt war aus Sicherheitsgründen der Strom abgestellt worden. Zahlreiche Straßen wurden wegen Überflutung gesperrt. Am Montagmorgen werden in der Stadt etwa 150 Soldaten zur Unterstützung der Einsatzkräfte erwartet.

Auch im Rest Bayerns ist die Lage teilweise dramatisch. In Kolbermoor bei Rosenheim brach ein Damm. Die Innenstadt von Rosenheim wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt. Auch am Auerbach im Bereich von Oberwöhr hielt ein Damm den Wassermassen nicht mehr stand, die Anwohner wurden in eine Turnhalle gebracht. Am Inn wurden nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes in der Nacht zum Montag vielfach historische Höchstmarken überschritten.

Seit Beginn der angespannten Hochwasserlage am vergangenen Freitag waren nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) im gesamten Freistaat etwa 15.000 Helfer im Einsatz.

Die Regierung von Oberbayern erließ für die Gebiete mit Katastrophenalarm ein Lkw-Fahrverbot. Lastwagen von zwölf Tonnen aufwärts dürfen dort bis Montag um 22 Uhr nicht fahren, ausgenommen sind die Fahrzeuge im Katastropheneinsatz. Auf den Autobahnen A 8 und A 93 dürfen Lkw zwischen Kufstein und München fahren - in Richtung Salzburg hingegen nicht.

Die Lage in Sachsen und Thüringen

Dramatisch war die Situation auch in Sachsen. Im westlichen Teil des Freistaates riefen die Landkreise Katastrophenalarm aus. Besonders kritisch war die Lage an der Weißen Elster in der Region Leipzig und an der Zwickauer Mulde. "Es ist davon auszugehen, dass die Pegelstände des Hochwassers von 2002 erreicht und überschritten werden könnten", teilte der Landkreis Nordsachsen mit. Der Deutsche Wetterdienst kündigte weiteren Regen an.

Im Landkreis Mittelsachsen fiel zudem der Strom aus - einige Tausend Bewohner waren laut Landratsamt betroffen. Auch in Zwickau sei die Lage dramatisch, teilte das Deutsche Rote Kreuz am Sonntagabend mit. Etwa 18.000 Menschen müssten unter Umständen das Stadtzentrum verlassen. In der Nacht stand eine endgültige Entscheidung darüber jedoch noch aus. Die Situation sei schlimmer als 2002, hieß es. Damals hatte ein verheerendes Hochwasser in großen Teilen des Freistaates gewaltige Schäden verursacht.

Angespannt war die Lage auch in Chemnitz, wo an den Flüssen Chemnitz und Zwönitz die Alarmstufe 4 galt. Das Wasser der Freiberger Mulde hat am Sonntag auch das Zentrum von Döbeln (Mittelsachsen) überschwemmt. Die gesamte Innenstadt stehe auf einer Fläche von etwa 30 Hektar komplett unter Wasser, teilte die Stadtverwaltung mit. Anwohner wurden in Turnhallen untergebracht. Wegen der kritischen Hochwasserlage sollten am Montag zahlreiche Schulen in Sachsen geschlossen bleiben, wie das Kultusministerium mitteilte. Angesichts steigender Pegel hat die sächsische Landesregierung die Bevölkerung vor einer Verschärfung der Hochwasserlage gewarnt und zur Vorsicht aufgerufen. Über eine Internetseite (www.zuers-public.de) könnten sich Bürger standortgenau über die Gefahrensituation informieren.

Komplette Thüringer Kleinstadt evakuiert

In Thüringen mussten bereits Tausende Menschen in Sicherheit gebracht werden. Bundeswehrsoldaten trafen zur Unterstützung in den überschwemmten Gebieten ein. Die Kleinstadt Gößnitz im Landkreis Altenburger Land wurde komplett evakuiert, Teile von Greiz an der Weißen Elster stehen unter Wasser. Die Greizer Neustadt wurde in der Nacht evakuiert und vorsorglich vom Stromnetz getrennt. 120 Menschen waren betroffen, teilte das Landratsamt Greiz mit.

Auch in Gera - Thüringens drittgrößter Stadt - wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU) kündigte an, sich in den betroffenen Ostthüringer Regionen ein Bild von der Hochwassersituation und den Schäden machen zu wollen.

Menschen in Baden-Württemberg vermisst

In Baden-Württemberg mussten die Helfer zu mehr als 3000 Einsätzen ausrücken. In Reutlingen werden seit Sonntag zwei Menschen vermisst - sie könnten in einen Neckarzufluss gefallen sein. Dramatische Szenen in Steinmauern bei Rastatt: Eine 29-Jährige war laut Polizei mit ihrem Auto trotz Straßensperre ins Hochwasser von Murg und Rhein gefahren. Der Wagen wurde von der Fahrbahn gespült, verfing sich aber in Bäumen. Die vier Insassen retteten sich aufs Dach. Beim Rettungsversuch kenterte ein Boot der Feuerwehr. Alle zehn beteiligten Personen fielen ins Wasser, konnten aber gerettet werden.

Auf weiten Strecken von Rhein, Main und Neckar wurde die Schifffahrt wegen des Hochwassers gestoppt. Am Mittelrhein werden weitere Überschwemmungen erwartet.

Warnungen auch in Tschechien und Polen

Am Sonntagabend rief die Regierung in Prag den Notstand aus. Die Maßnahme in Tschechien gelte in allen Regionen mit Ausnahme der Region Pardubice, sagte Ministerpräsident Petr Necas im Tschechischen Fernsehen. An mehr als 50 Orten Tschechiens galt die höchste Warnstufe 3.

In Polen kam es vor allem im Südwesten des Landes zu Überschwemmungen. Auch in weiten Teilen Österreichs spitzte sich die Hochwassersituation weiter zu. Vielerorts wurden Evakuierungen angeordnet.

Zwei in Österreich von Wassermassen mitgerissene Menschen wurden bis zum späten Sonntagabend noch vermisst. Auch in der Schweiz wurden die Bewohner mehrerer Ortschaften in Sicherheit gebracht. Allerdings stabilisierte sich die Lage dort, nachdem am Sonntagmorgen die Regenfälle aufgehört hatten.

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