Hochwasser an der polnischen Grenze:Land unter in Sachsen

Pegelstände auf Rekordniveau, Katastrophenalarm und mehrere Todesopfer: Helfer kämpfen verzweifelt gegen das Hochwasser im Osten Sachsens. In Görlitz steigt der Pegel der Neiße um vier auf sieben Meter. Im Krisengebiet werden Erinnerungen an die Jahrhundertflut von 2002 wach.

Die Lage in den sächsischen Hochwassergebieten an der Grenze zu Polen spitzt sich zu: In der Nacht zum Sonntag stieg die Neiße nach einem Dammbruch in Polen rasend schnell an. Binnen drei Stunden kletterte der Pegel in Görlitz um vier Meter, die Sieben-Meter-Marke wurde erreicht. Mehr als tausend Menschen wurden evakuiert. Mindestens acht Menschen sind bislang durch das Hochwasser in Deutschland, Polen und Tschechien ums Leben gekommen.

Hochwasser in Zittau

Eine geflutete Straße im ostsächsischen Zittau. In dem Ort stieg der Pegel auf über vier Meter - das Fünffache des Normalwerts.

(Foto: dpa)

Die Rettungsarbeiten laufen weiter auf Hochtouren. Bis zum Morgen brachten Feuerwehr, Polizei und Technisches Hilfswerk mit Booten, Bussen und Hubschraubern im Landkreis Görlitz 1450 Menschen vor den Fluten in Sicherheit, sagte eine Sprecherin des Katastrophenstabes. Die Bundespolizei sei mit fünf Hubschraubern im Einsatz, um vom Hochwasser eingeschlossene Menschen auszufliegen.

Der Pegel der Neiße in Görlitz lag am Morgen bei 7,07 Metern - normal ist zu dieser Jahreszeit ein Stand von 1,70 Metern. In den kommenden Stunden werde ein weiterer Anstieg auf 7,20 Meter erwartet, sagte der Sprecher des sächsischen Umweltministeriums, Andreas Kunze

Sachsens Umweltminister Frank Kupfer warnte auf dem Sender MDR Info vor historischen Pegelständen der Neiße. "Es droht ein Rekordpegel von acht Metern", sagte Kupfer. Der bisherige Höchststand habe bei 6,87 Meter gelegen. "Den werden wir locker knacken." In den ARD-Tagesthemen sprach Sachsens Innenminister Markus Ulbig von einer "sehr ernsten Lage".

Erinnerungen an 2002

In Teilen des Landkreises Görlitz und der Sächsischen Schweiz war bereits am Samstag Katastrophenalarm ausgerufen worden. Entlang der Neiße, aber auch im Gebirge mussten Hunderte ihre Häuser verlassen. Allein in Zittau waren etwa 800 Menschen teilweise mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht worden. Die genaue Zahl der Betroffenen war am Morgen noch unklar, zumal die Evakuierungen flussaufwärts Richtung Brandenburg weitergingen. So musste in Rothenburg im Landkreis Görlitz eine Einrichtung geräumt werden, in der etwa 280 behinderte Menschen leben. Sie kamen in einer Polizeischule unter.

Besonders schlimm hat es das polnische Zgorzelec erwischt: Auf der Neiße rollte eine Flutwelle auf einer Rekordhöhe von 7,40 Metern durch den Ort nahe der deutschen Grenze, berichtete der polnische TV-Sender TVN24. Die Vorstadt sei unterspült und viele historische Häuser beschädigt worden. Vollständig unter Wasser steht Bogatynia. Die 18.000-Einwohner-Stadt war vom Fluss Miedzianka fast vollständig überflutet worden.

In Sachsen wurden Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser im August 2002 wach: Auch damals waren nach heftigen Regengüssen zunächst Bergflüsse über die Ufer getreten, dann große Wasserläufe bis hin zur Elbe. 21 Menschen starben damals, die Schäden gingen in die Milliarden.

Polen: Stadt komplett geflutet

Die Neiße war nach dem Bruch einer Staumauer am Witka-Stausee in Polen zusätzlich mit Wasser gespeist worden. Am Samstag hatte das Tief Viola auf dem Weg gen Osten unter anderem im Erzgebirgsort Neukirchen bei Chemnitz gewütet. Dort ertranken eine 72- Jährige, ihr 74-jähriger Ehemann und ein 63-jähriger Nachbar, als sie versuchten, Waschmaschinen vor den Fluten aus dem Keller ihres Hauses zu retten. Wegen Hochwassers an der Elbe wurde der Zugverkehr zwischen Sachsen und Tschechien unterbrochen.

Tote gab es auch im Norden Tschechiens: Bei den Überschwemmungen kamen am Samstag mindestens vier Menschen ums Leben. Die Männer ertranken im Grenzgebiet zu Deutschland und Polen, wie eine Sprecherin der Rettungsdienste mitteilte. Die Region wird von der Lausitzer Neiße und zahlreichen Nebenflüssen durchzogen.Auf Wunsch der Regierung in Prag schickte das Deutsche Rote Kreuz vier seiner Luftretter mit Hubschraubern der Bundespolizei nach Tschechien. Viele Menschen warteten auch dort auf den Dächern ihrer Häuser auf Rettung, teilte die Hilfsorganisation mit.

Für das vom Hochwasser betroffene Gebiet entlang der Neiße ist ein Bürgertelefon eingerichtet worden. Es ist unter den Nummern 03588/285940 und 03588/285941 zu erreichen.

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