Hinrichtungen von Ausländern in Indonesien:"Ich hoffe, die Welt wird das verstehen"

  • Indonesische Erschießungskommandos haben sechs Drogenhändler hingerichtet - darunter fünf Ausländer.
  • Bei schweren Drogendelikten vollstreckt Jakarta noch immer die Todesstrafe. Der Generalstaatsanwalt bittet die internationale Gemeinschaft um Verständnis.
  • Amnesty International spricht von einem "ernsthaften Rückschritt."
  • Neben Brasilien riefen auch die Niederlanden ihren Botschafter aus Jakarta vorläufig zurück.

Von Arne Perras, Singapur

Ein außergewöhnliches Verbrechen erfordert eine außergewöhnliche Strafe. So sieht das der indonesische Generalstaatsanwalt, Muhammad Prasetyo. Und er hat das Gesetz Indonesiens auf seiner Seite. Auch der Präsident des südostasiatischen Inselstaates, Joko Widodo, wollte keinesfalls Gnade walten lassen. Bei schweren Drogendelikten vollstreckt Jakarta die Todesstrafe. Und Druck von außen kann das nicht verhindern.

So war es in der Nacht von Samstag auf Sonntag, als gleich sechs Verurteilte - unter ihnen fünf Ausländer - hingerichtet wurden. Nun drohen weitere Erschießungen in der nächsten Zeit, ohne dass es so aussieht, als könnten ausländische Diplomaten das noch abwenden. Indonesien ist wenig empfänglich für Druck von außen, Kritik prallt häufig ab, auch weil sich das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit zunehmend seiner regionalen strategischen Bedeutung und Stärke bewusst ist. Jakarta tritt selbstbewusst auf, und das gilt auch für die Durchsetzung seines Strafrechts, das anderen Staaten in manchen Paragrafen unmenschlich erscheint.

Weltweit hat es viele Fortschritte im Kampf gegen die Todesstrafe gegeben, aber einige Staaten halten dennoch an ihr fest. Im Falle Indonesiens beklagte Rupert Abbott, Asien-Direktor von Amnesty International, einen "ernsthaften Rückschritt." Die neue Regierung habe versprochen, Menschenrechte zu einer Priorität zu machen, aber die Exekutionen widersprächen diesen Zusagen völlig, kritisierte Amnesty. Indonesien sei eines jener Länder, die zuvor bereits positive Schritte, weg von der Todesstrafe, unternommen hätten. Jetzt aber marschierten sie wieder in die entgegengesetzte Richtung, sagen Kritiker.

Indonesiens Generalstaatsanwalt zeigt sich unbeeindruckt

Indonesiens Generalstaatsanswalt zeigte sich von solchen Protesten unbeeindruckt. Für Drogenhandel gebe es keine Entschuldigung und hoffentlich würden die Hinrichtungen einen abschreckenden Effekt haben, erklärte Prasetyo. Diese Wirkung allerdings lässt sich kaum beweisen und ist immer wieder Gegenstand heftiger Debatten.

Sicher ist, dass sich Indonesien schwertut, die Ausbreitung des Drogenschmuggels und die wachsenden Netze von Dealern in dem Inselreich mit seinen 250 Millionen Einwohnern zu kontrollieren und einzudämmen. Unter Berufung auf Zahlen der nationalen Drogenbehörde sprach Jakarta davon, dass jede Stunde 40 bis 50 Menschen in Indonesien an den Folgen von Rauschmitteln sterben. Die illegalen Geschäfte blühen demnach nicht nur in den Städten, sondern werden auch zunehmend in abgelegenen Dörfern zum Problem. Indonesien ist zum größten Markt für die Dealer in Südostasien geworden, fast die Hälfte aller Drogen der Region zirkulieren hier.

Reaktionen aus Brasilien und den Niederlanden

Präsident Widodo, der ansonsten weltweit viel Lob für seine Reformbereitschaft geerntet hat, scheint bei den Hinrichtungen von Drogenstraftätern noch unnachgiebiger als manche seiner Vorgänger zu sein: Er wollte keinen der sechs Verurteilten begnadigen, weil Drogen schon so viele Leben in Indonesien ruiniert hätten, bekräftigte er. Der Generalstaatsanwalt beharrte darauf, dass drastische Schritte nötig seien, um das Land besser vor Drogen zu schützen. Diese Argumentation ist auch in anderen Teilen Asiens verbreitet. Die Justiz habe seine Entscheidungen, die Verurteilten hinzurichten, keinesfalls leichtfertig getroffen, versicherte er. "Ich hoffe, die Welt wird das verstehen."

Doch zu hören war nun vor allem Protest. Am heftigsten hat Brasilien reagiert, Präsidentin Dilma Roussef klagte, sie sei "erschüttert und empört", nachdem der indonesische Staat ihre Bitten einfach ignorierte und einen brasilianischen Staatsbürger exekutieren ließ, der wegen Kokainschmuggels verurteilt worden war.

Zur gleichen Zeit starben am Wochenende fünf weitere Verurteilte, eine Indonesierin und eine Vietnamesin, ein Mann aus Malawi, ein Nigerianer und ein Niederländer. Neben Brasilien riefen auch die Niederlande ihren Botschafter aus Jakarta vorläufig zurück, Außenminister Bert Koenders sprach von einer brutalen Strafe, die mit der menschlichen Würde nicht vereinbar sei.

Zwölfköpfiges Erschießungskommando

Die Hinrichtungen waren von Samstag auf Sonntag, kurz nach Mitternacht ausgeführt worden. Die Regeln in Indonesien schreiben vor, dass die Häftlinge weiße Kleidung tragen und an einen Pfahl gebunden werden. Ein Arzt markiert auf dem Hemd die Stelle des Herzens, bevor ein zwölfköpfiges Erschießungskommando dann feuert. Der letzte Wunsch der Vietnamesin lautete offenbar, sie wolle den Schützen ungefesselt gegenübertreten.

Die harte Linie Jakartas alarmiert nun auch Canberra, denn es ist damit zu rechnen, dass demnächst auch zwei Australier hingerichtet werden könnten. Sie waren 2006 als Anführer eines Drogenrings mit dem Namen "Bali Nine" verurteilt worden. Außenministerin Julie Bishop widersprach der Abschreckungsthese und erklärte, dass Hinrichtungen Indonesiens Drogenprobleme nicht lösen würde. Die übrigen sieben Australier im Alter zwischen 18 und 28, die als Mitglieder der Gang festgenommen wurden, haben jetzt teils lebenslange Haftstrafen zu tragen. In indonesischen Gefängnissen sitzen jetzt noch 60 Drogenstraftäter, die zum Tode verurteilt wurden. Etwa die Hälfte sind Ausländer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: