Heuschreckenschwärme in Westafrika:Im Lärm der achten Plage

Sie belagern Menschen und zermalmen ihre Ernten. Westafrika kämpft gegen die Heuschreckenkatastrophe.

Von Karin Steinberger

Annie Monard sagt, wenn sie fliegen, klinge es wie das Rascheln von Seide. Und wenn sie fressen, klinge das Fallen der Blätter wie millionenfaches Schmatzen. Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, an dem man es hören kann, das Rascheln der Seide, das Schmatzen der Blätter, das Geräusch der achten biblischen Plage. Zu dem Ort, an dem man ihn hören kann, den Lärm der Heuschrecken.

ein fliegender Heurschreckenschwarm

Wie das Rascheln von Seide: ein fliegender Heurschreckenschwarm.

(Foto: Foto: AP)

Annie Monard sagt, man dürfe sich von ihnen nicht täuschen lassen. Sie hätten zwei Gesichter. Solange sie alleine sind, so genannte solitary locusts, seien sie nette, nützliche Insekten, bräunlich, ruhig, unauffällig, scheu.

Man hat neue Wesen vor sich. Monster.

So überlebt diese Art die mageren Jahre, sie fressen wenig, fliegen kaum, treffen nur zusammen, um sich fortzupflanzen. Eine Gattung auf Standby. Aber wenn der Regen kommt, wenn sie zu gregarious locusts werden, dann rotten sie sich zusammen, formen Schwärme, die mehrere hundert Quadratkilometer Fläche haben können, Milliarden Insekten. Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, an dem man sie sehen kann, die Zweigesichtigen, die Unzählbaren, die Fratzen der achten biblischen Plage.

Annie Monard sagt, wenn aus den solitary locusts die gregarious locusts werden, habe man neue Wesen vor sich. Monster. Bis 1921 dachte man, dass es zwei verschiedene Arten sind, weil alles an ihnen anders ist, sie fressen ganze Landstriche kahl, fliegen hunderte von Kilometern weit, ihre Leiber werden erst rosa, dann gelb, sie legen Eier ohne Zahl.

Plötzlich machen sie alles gemeinsam, alles zur gleichen Zeit, am gleichen Ort. Fressen, fliegen, paaren. Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, an dem man sie spüren kann. Die Invasion der Wanderheuschrecken.

Im Lärm der achten Plage

Auf ihre Vorhut trifft man bereits in Rom. Doch im Büro von Annie Monard macht die Heimsuchung noch einen jämmerlichen Eindruck. Heuschrecken hängen an den Wänden und stehen, in Kunststoff eingelassen, in Regalen herum. Nadeln durchbohren ihre gelben Leiber, ihre schutzhelmartigen Köpfe lassen ihre Körper nach vorne kippen. Wie Betrunkene hängen sie an Pinnwänden herum. Manche haben ihre staksigen Beine verloren, ihre Farbe ist ausgeblichen, ihre Fühler sind schlaff. Zerzauste Insektenkadaver.

Junge Senegalesen rennen durch die Heuschrecken

Junge Senegalesen rennen durch die Heuschrecken.

(Foto: Foto: Reuters)

So sieht sie also aus, die Wanderheuschrecke, Schistocerca gregaria, seit Jahrtausenden unterwegs, um den Menschen zu strafen, eine der zerstörerischsten Kreaturen auf Erden, schon im Alten Testament geschildert. In Rom riecht die Plage dezent nach ranziger Butter. Für Annie Monard ist der Totengeruch Genugtuung. Sie stößt kleine Freudenschreie aus, wenn sie eine E-mail bekommt, in der Gelder zugesagt werden für den Kampf gegen die Plage.

Sie ist die Heuschreckenspezialistin in der "Locust and Other Migratory Pest Group" der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO). In Rom ist die Katastrophe säuberlich abgeheftet, eingeordnet, eingeschachtelt und auf großen Landkarten aufgepappt. Rote Punkte, grüne Punkte, blaue Punkte. Jeder Punkt ein Millionenschaden.

An Bildschirmen werten sie Satellitenbilder aus, um zu sehen, wo die Vegetation gerade grün ist. Denn wo es grün ist, sind die Heuschrecken. In dieser Beziehung sind die Tiere berechenbar. Zu neunt kämpfen sie bei der FAO gegen ein Millionenheer, das sich alle zwölf Wochen verzwanzigfacht. Seit Monaten versuchen sie, die Welt für das Thema zu interessieren, Gelder zu sammeln. Seit Monaten warnen sie, dass dies die größte Heuschreckenplage seit 15 Jahren werde könnte. Nur wenige hören zu.

Es ist eine angekündigte Katastrophe. Schon im Sommer letzten Jahres kam der Regen. Marokko, Mauretanien, so viel Wasser in einer Gegend, in der in den Jahren davor das Vieh auf den Weiden verdorrte. Als der Regen kam, wussten sie bei der FAO in Rom, dass etwas Großes passieren würde. Neun Millionen Dollar forderte die FAO damals von Spendern und Geldgebern für den Kampf gegen die Wanderheuschrecken.

"Wenn wir das Geld damals bekommen hätten, wäre die Plage vielleicht gestoppt worden", sagt Annie Monard. Aber die Welt hatte andere Sorgen. Jetzt spricht FAO-Direktor Jacques Diouf von 100 Millionen Dollar, die man bräuchte, um der Plage Herr zu werden. Der Lebensunterhalt von einem Zehntel der Weltbevölkerung ist in Gefahr.

Während die Menschheit schläft, hat sich die andere Seite vorangearbeitet. In Mauretanien sollen bereits 80 Prozent der Ernte zerstört sein, in Mali ein Drittel, in Gambia wurde der nationale Notstand ausgerufen, im Senegal die Armee mobilisiert. Die Heuschrecken haben sich von der westafrikanischen Küste bis nach Nigeria und in den Tschad ausgebreitet.

Sie haben in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott den Rasen des Fußballstadions weggefressen und in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stundenlang den Himmel verdunkelt. Bald könnten sie die Krisenregion Darfur erreichen und von dort über das Rote Meer nach Saudi Arabien übersetzen, dann Pakistan, Indien. Manchmal rufen bei der FAO Menschen aus Indien an, weil sie das Schlimmste befürchten. "Wenn, dann kommen sie erst nächstes Jahr zu euch", beruhigt man sie.

Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, an dem sie schon angekommen sind, weil frisches Gras den sandigen Boden der Sahelzone bedeckt. Es ist grün, furchtbar grün im Senegal, Westafrika, Land im Ausnahmezustand. Ganz im Norden hockt Fode Sarr, Reserveoffizier und Direktor des Amtes für landwirtschaftliche Bodenplanung im Bezirk St Louis.

Für Fode Sarr ist das mit den Heuschrecken vor allem eine militärische Herausforderung. Und bei militärischen Herausforderungen ist der Sieg eine Frage der Strategie. Also holt er einen Taschenrechner aus der Schublade, tippt die Fläche ein, auf die ihm der Gegner gestern Eier gelegt hat, dann die Anzahl der Tiere pro Quadratmeter. Heraus kommt eine Zahl, die er nicht aussprechen kann, also hält er den Rechner hoch: 2.250.000.000.

Die Hälfte davon Weibchen, jedes von ihnen wird bis zu 80 Eier legen.

Im Lärm der achten Plage

Die achte Plage verdunkelt den Himmel

Die achte Plage verdunkelt den Himmel.

(Foto: Foto: AP)

Nicht weit von seinem Büro entfernt ist der Boden gelb. Kein Gras, kein Laut, kein Ende. Nur Millionen von Männchen, die auf den Rücken der Weibchen hocken. Quadratkilometer voller doppelter Heuschreckenhäufchen, die mit leisem Flügelschlag zur Seite hupfen, wenn man durch sie hindurchgeht.

Zwölf Stunden lang werden sie aufeinander hocken, bis die Weibchen ihre Leiber in den Boden bohren, manche noch mit dem Männchen hintendrauf. Es sind alte Schwärme, sterbende Schwärme, sie essen nicht viel, haben nur noch eine Bestimmung: Fortpflanzung.

Allah mag wissen, warum

Höchstens drei Mal legt jedes Weibchen Eier. Drei Mal schiebt sie ihren Hinterleib so tief in den Boden, bis sie Feuchtigkeit spürt. Ist der Boden zu hart, wird sie ihren bis zu 15 Zentimetern ausgefahrenen Leib nie zurückbekommen und sterben. Fode Sarr kann sie riechen, die Leichenfelder, übersät mit zerrissenen Weibchen. Aber ihre Eier, die werden gedeihen, tief drinnen, in der Erde des Senegal.

Dann schraubt Fode Sarr einen Plastikbehälter auf, holt mit einem langen Lineal staubiges, orangenes Zeug heraus. Es sind Hinterleiber. Eine Linealspitze voll mit Hunderten von Eiern. Er sagt: "Deswegen sind sie so gefährlich, deswegen zerstören sie hier alles, weil sie sich in diesem Affentempo fortpflanzen."

Dann lacht er. Es gurgelt aus ihm heraus, weil es so absurd ist, so wahnwitzig. Gerade mal ein Flugzeug mit einem Motor aus dem Zweiten Weltkrieg haben sie bis jetzt im Land. Ein Flugzeug, mit dem sie den Feind bekämpfen können. "Die entscheidende Schlacht haben wir verloren", sagt Fode Sarr. Jetzt sind sie überall, und ihre Eier sind überall. Obwohl er doch genau wüsste, was zu tun ist.

Aber er hat nichts, keine Insektizide, kein Benzin, keine Fahrzeuge, keine Ausrüstung, nicht einmal genug Essen bekommen die Teams, die seit Wochen draußen sind und wenigstens versuchen, die Schwärme zu zählen. "Ein einziges Flugzeug. Das ist wie ein Löffel Wasser im Meer", sagt Fode Sarr. Und dann ist da Mauretanien. Arm, groß, unüberschaubar.

Mehr als 1,6 Millionen Hektar sind dort befallen, schätzt man. Aus Mauretanien trägt der Nordwind den Feind in den Senegal. Jeden Tag, jede Stunde. Im August seien 205 Schwärme von dort gekommen, allein am 10. August 16, manche bis zu 15 Kilometer lang. Wie kann Fode Sarr seinen Krieg gewinnen, wenn aus dem Norden ständig Nachschub kommt? Von Invasion redet er und von der Globalisierung des Krieges. Denn diese Kreaturen sind für ihn Fremde, auch wenn sie hier schlüpfen.

"Wenn ich nach Europa komme, werde ich auch nicht Europäer sein." Podor heißt Fode Sarrs tägliche Niederlage. Ein kleines Nest an der Grenze zu Mauretanien. Über Podor fliegen die meisten Schwärme ins Land. Allah mag wissen, warum. Fode Sarr sagt: "Mauretaniens Schwäche ist unsere Schwäche. Diesen Krieg können wir nur gemeinsam gewinnen."

Saftige Leiber

Es ist Krieg im Senegal. Und Fode Sarr sagt, die Strategien seien immer die selben. Erst müsse man Informationen über den Feind sammeln, dann zuschlagen. Man muss mit Karten arbeiten, mit Navigationsgeräten. Der einzige Unterschied sei die Waffe. "Wir haben hier Gift." Doch wo ist das Gift, wo sind die Navigationsgeräte, die Fahrzeuge?

Nicht einmal eine Karte hat Fode Sarr im Büro. Und draußen pflanzt sich der Feind fort, während der Direktor des Amtes für landwirtschaftliche Bodenplanung im Bezirk St Louis auf ein Lineal mit staubigen Eiern starrt. Wer den Krieg gewonnen hat? Er lacht: "Na, die Heuschrecken."

Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, an dem sie mittlerweile an der Flughöhe eines Schwarmes erkennen können, wo er landen wird. "Sie sind wie Flugzeuge, wenn es ein Flug nach New York wird, sind sie weit oben, bei einem Inlandflug weiter unten", scherzen die Menschen in Podor. Sie haben sich daran gewöhnt, in der Einflugschneise zu leben.

Die Fahrt nach Podor ist eine Schlacht. Die ganze Straße ist voller Nachwuchs. Kilometerlang bewegt sich der Asphalt, schiebt sich langsam in die eine oder andere Richtung. Noch fliegen sie nicht, sondern drängen in großen Gruppen vorwärts, alle in eine Richtung, als würde irgendwo ein Anführer den Weg wissen. Schwarz sind die gerade geschlüpften Larven, grün die im zweiten Stadium, gefleckt die im dritten und vierten Stadium und gelb die im fünften. In der Luft die Elterngeneration, deren saftige Körper gegen die Windschutzscheibe knallen. Die Autos hinterlassen schmierige Leichenfelder auf schwarzem Belag.

Es ist eines der wenigen Glücksgefühle, das die Heuschreckenjäger haben in diesem Krieg.

Und die Dörfer sind wie belagert. Ein fliegender Schwarm kommt, frisst und zieht am nächsten Morgen weiter, wenn ihn die Sonne aufgetankt hat. Der Wind bringt ihn, und er treibt ihn wieder fort. Aber die Kinderbanden bleiben, stromern tage- und wochenlang an den Hütten der Bauern vorbei, rasen im Kreis um ihre Kochtöpfe und Betten, machen ihre Strohhütten zu lebendigen Gebilden, ihre Zäune zu summenden Monstern. Die Beinchen der Larven kitzeln, wenn sie über Menschenfüße krabbeln, ihre Körper verfangen sich in Kinderhosen. Sie sind allgegenwärtig, mit jedem Schritt zertritt man ein paar. Sie nennen sie hier die "Babys".

In den Weiten der Savanne trifft man auf Menschen vom Volk der Peulh. Viehhirten seit Generationen. Ihre Kleider flattern im Wind, wenn sie erzählen, dass letzten Freitag so viele da waren, dass sie in einen hineingeflogen sind, wenn man den Mund aufgemacht hat. Ihr Vieh, sagen sie, habe Durchfall, seit es Pflanzen voller Heuschrecken fressen muss. Dann bitten sie die Männer in ihren Jeeps um Säcke voller Gift.

Es ist das einzige, was die Plage aufhält. Aber die Männer im Jeep haben nichts. Weiter vorne am Fluss zünden die Bauern Feuer an, machen Lärm, um die Heuschrecken zu vertreiben, graben Löcher, in die die Larven fallen und dann mit Sand verschüttet werden sollen. Doch die Larven marschieren an den Löchern vorbei. Die Bauern sitzen in ihren Feldern voller abgefieselter Stümpfe. "Sie fressen den Reis, während er wächst", sagen sie, dann beten sie, weil nur noch Gott helfen kann.

Ein Schwarm hat 40 bis 80 Millionen Tiere pro Quadratkilometer. Und ein Quadratkilometer ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Aber jeder dieser Teile frisst pro Tag so viel wie zehn Elefanten oder 25 Kamele oder 2500 Menschen. Und was noch schlimmer ist, diesmal kamen die Heuschrecken schon am Anfang der Regenzeit, nicht wie bei der letzten großen Plage 1988 am Ende. Eine Ernte wird es dieses Jahr nicht mehr geben.

"Wir können nicht mal kochen, sie sind im ganzen Haus. Es sind zu viele", sagt ein Bauer. "Jetzt könnt nur noch ihr Weißen helfen, und Gott." Von biologisch verträglichen Methoden wollen die Menschen hier nichts wissen. Sie wollen das Getier töten. Was nützt ein Pilz, der die Tiere von innen zerstört, aber sie noch zehn Tage leben und fressen lässt?

Die Bauern wollen den schnellen Tod, und den bringt ihnen Claude Morand. Er ist der Pilot des einzigen Flugzeugs zur Heuschreckenbekämpfung im Senegal, ein Franzose. Er steht an der Bar in Richard Toll. Es ist Mittag, es ist heiß. Zu heiß für den Franzosen, die Heuschrecken, das Gift. Seine Trush S2R steht auf einem winzigen Flugfeld, Morand nennt sie "kleiner gelber Vogel".

Die Regierung hat ihn und das Flugzeug zwangsverpflichtet, beschlagnahmt für den Kampf gegen die Heuschrecken. Im Senegal ist Ausnahmezustand, da ist so was möglich. "Das ist wie im Krieg", sagt Morand. Der Senegal braucht ihn. Es ist nicht einfach, Gift so zu sprühen, dass es auch wirkt. "Ich bin der einzige. Ich und mein kleines Flugzeug."

Wenn Claude Morand über die Felder geflogen ist, fallen die Heuschrecken von den Bäumen wie Regentropfen. Im Schatten kämpfen sie mit dem Tod, manchmal stundenlang. "Wenn ich fliege, sind 95 Prozent tot", sagt Claude Morand. Jetzt haben Libyen und Algerien Hilfe geschickt, Autos, Flugzeuge, Gift. Es ist ihr gemeinsames Problem. Was hier nicht besiegt wird, kommt später wieder zu ihnen in den Norden zurück.

Bald wird Claude Morand nicht mehr alleine sein, er war ohnehin stocksauer - man kapert keine Franzosen. Dann sagt er den Namen Tessekre. Also macht man sich auf den Weg zu dem Ort, von dem die Leute sagen, dass man dort die Strafe Gottes fühlen kann. Es ist eine lange Fahrt durch die mit einem grünen Schleier überzogene Savanne.

Mitten in Tessekre steht Lamine Sane. Er hat getan was er konnte. Wenn man ihm den Befehl gegeben hätte, hätte er auch jede Heuschrecke einzeln erschossen. Für jede von ihnen einen Schuss. Millionen und abermillionen Schüsse. Er ist ein guter Soldat. Vielleicht hätte er den Krieg gewonnen. Wer weiß das schon.

Ein Rascheln wie Seide

Er steht da, in dieser Welt, in der sich Zäune und Häuser bewegen, in der der Boden rauscht wie der Wind, weil sich Millionen gelber Leiber aneinander reiben und fressen, jeden Tag so viel, wie sie selber wiegen. Zurück bleiben kahle Landschaften, die von oben aussehen wie Brandflecken. Lamine Sane greift hinein in Büsche voller Heuschrecken und hat eine furchtbare Wut.

Weil die Bauern in ihrer Panik das wenige Giftpulver, das er ihnen geben konnte, auf kleinstem Raum verschwendet haben, weil drei seiner vier Giftzerstäuber kaputt sind, weil er ein Gewehr hat und einen Willen wie ein Stier- und so machtlos ist.

Acht Mann hat Lamine Sane. Acht Mann gegen ein ganzes Land voller feindlicher Truppen. Die Aussichtslosigkeit bemisst sich in Quadratkilometern. Gestern hat er sich von einem Bauern im Dorf ein Pferd geliehen und ist durchgeritten, durch das Getier, stundenlang. Danach war er ein geschlagener Mann. "Wir haben getan, was wir konnten", sagt er, vor seiner Brust schaukelt die Gasmaske.

Mit dem Fuß schlägt er an die Fässer voller Gift. Er sprüht, so viel er kann in dieser Welt aus Heuschrecken. Selbst im Krankenhaus. Vor ein paar Tagen musste es geräumt werden, weil die Wände voller Heuschrecken waren, die Betten, die Stühle. Er hat alles mit Gift eingenebelt. Aber es kommen neue, aus allen Richtungen, aus allen Löcher. Unendlicher Nachschub.

"Alles Böse, was über diese Tiere gesagt wird, ist wahr", sagt Lamine Sane. Und als sich am Himmel eine schwarze Wolke aufbaut, die neuen Regen bringt, neue Nahrung, und sich vor der schwarzen Wand ganz klein und gelb und machtlos das Flugzeug von Claude Morand davon macht, glaubt Lamine Sane kurz, dass sie ihm sein ganzes Land wegfressen werden. Den ganzen Senegal. An seine Füßen lärmen die Babys der Heuschrecken und es klingt ein bisschen wie das Rascheln von Seide und millionenfaches Schmatzen.

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