Hessen:"Unbescholtener Bürger" unter Sadismus-Verdacht

Landeskriminalamt zu mutmaßlichem Serienmörder

Frank Herrmann von der Sonderkommission Alaska des hessischen Landeskriminalamtes während der Pressekonferenz in Wiesbaden.

(Foto: dpa)
  • Im Fall des mutmaßlichen Serienmörders Manfred S. aus Schwalbach steigt die Zahl der Verdachtsfälle: Die Polizei bringt ihn mit mindestens sechs Morden in Verbindung. Hinzu kommen mindestens vier weitere Fälle, die zumindest einzelne Ähnlichkeiten aufwiesen.
  • Auf dem Rechner des Mannes sind außerdem Dateien mit Abbildungen sexueller Gewaltfantasien gefunden worden, die "fast eins zu eins" den Verletzungen bei den mutmaßlichen Opfern entsprechen.
  • Verbindendes Element ist nach Angaben der Ermittler außerdem die Mitnahme von Körperteilen, die den Opfern entnommen oder abgeschnitten wurden und bis heute verschwunden sind.

Von Jana Stegemann

Hat Manfred S. als Serienmörder in der Rhein-Main-Region jahrzehntelang auf brutalste Art getötet? Die Ermittler des hessischen Landeskriminalamtes haben heute in Wiesbaden neue Hinweise zu sechs Fällen vorgestellt.

Als ziemlich sicher gilt demnach, dass der 2014 an Krebs verstorbene Verdächtige die Prostituierte Britta D. 2004 tötete, deren zerstückelte Leiche in seiner Garage in Schwalbach gefunden wurde. Hinzu kommen möglicherweise zwei Morde an Frauen in den Siebzigerjahren in Frankurt am Main sowie zwei Morde an Frauen in den Neunzigerjahren, ebenfalls in Frankfurt. Zwei von ihnen waren Prostitutierte, Gisela S. und Domenique M., vom Frankfurter Straßenstrich. Hatice E., eine junge Frau aus der Türkei, und Gudrun E. , die 1971 getötet wurden, arbeiteten im gleichen Frankfurter Altenheim. Außerdem passe der Fall des 1998 in Frankfurt-Höchst getöteten 13-jährigen Tristan ins Bild, obwohl es sich beim Opfer um einen Jungen handelte. Auch bei Tristan habe der Täter sadistische sexuelle Fantasien ausgelebt.

So wurden die Ermittler auf Manfred S. aufmerksam

Die umfangreichen Ermittlungen wurden 2014 durch den Fund einer Frauenleiche in der Garage von Manfred S. in Schwalbach im Taunus ausgelöst. Am 10. September 2014 machte die Tochter des verstorbenen Tatverdächtigen in dessen Garage eine schreckliche Entdeckung: In einer Plastiktonne fand sie die sterblichen Überreste einer Frau. Die Kriminalpolizei ermittelte und gründete die Soko "Garage". Weil die Ermittlungen schnell zu dem Ergebnis kamen, dass die Tote wohl nicht das einzige Opfer von Manfred S. war, wurde das Landeskriminalamt eingeschaltet. Die Arbeitsgruppe "Alaska" untersuchte mittels aufwändiger operativer Fallanalyse Hunderte teilweise jahrzehntealte Tatspuren.

"Durch das besonders grausame und sadistische Vorgehen im Fall Britta D. schließen wir darauf, dass dieser Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere vorangegangen sind", sagte die Leiterin des Landeskriminalamts Hessen, Sabine Thurau.

Sechs Opfer mit speziellem "Verletzungsbild"

Die Leichen der beiden Opfer aus den Siebzigerjahren wurden nur wenige Hunderte Meter voneinander entfernt aufgefunden. Alle Fälle weisen in Teilaspekten Parallelen auf.

Ein spezielles "Verletzungsbild", das bei der zerstückelten Frauenleiche in seiner Schwalbacher Garage festgestellt wurde, sei auch bei fünf weiteren Morden in den vergangenen Jahrzehnten festgestellt worden, sagten die Ermittler in Wiesbaden: Es handele sich um "ausgeprägten sexuellen Sadismus".

Die Opfer wurden aufgeschnitten und zerstückelt. Verbindendes Element ist nach Angaben der Ermittler die Mitnahme von Körperteilen, die den Opfern entnommen oder abgeschnitten wurden und bis heute verschwunden sind. Der Täter habe aber nie die gleichen mitgenommen. Ermittler Frank Hermann sagte: Mal sei es ein rechtes Bein, mal ein linker Arm - "wenn Sie das zusammenrechnen, könnten Sie sich tatsächlich dadurch einen neuen Körper herstellen".

In fünf Fällen gehen die Ermittler davon aus, dass die Verstümmelung der Opfer post mortem stattgefunden hat, im Fall der Prostituierten Britta D. sind die Ermittler nicht sicher. "Dieses Delikt sehen wir als die Spitze der Auslebung seiner abweichenden sexuellen Präferenzen", sagte Frank Herrmann von der Sonderkommission.

Hatte Manfred S. einen Mitttäter?

Auf dem Rechner des Familienvaters Manfred S. fanden die Ermittler 32 000 Bilder, die allesamt schwerste Gewaltdarstellungen zeigen, sowie Bildmaterial von Kannibalismus. Außerdem Dateien mit Abbildungen sexueller Gewaltfantasien, die "fast eins zu eins" den Verletzungen bei den sechs Opfern entsprochen hätten.

Die Ermittler nannten zwei Vermisstenfälle, die womöglich ebenfalls in Verbindung mit dem Täter gebracht werden können: Die 18-jährige Prostituierte Julie S. verschwand 1998 in Frankfurt; Gabriele D., ebenfalls Prostituierte im Frankfurter Bahnhofsviertel, verschwand 32-jährig im Jahr 1999. Beide seien laut LKA drogenabhängig und in einem "desolaten körperlichen Zustand" gewesen. Außerdem seien im Stadtgebiet Frankfurt am Main Köpfe zweier Frauen gefunden worden. Inwieweit der Verdächtige für den Tod der beiden Frauen verantwortlich gewesen sein könnte, sei aber nicht klar.

Der mutmaßliche Serienmörder Manfred S. könnte möglicherweise auch einen Mittäter gehabt haben. Die Leiche von Britta D. lasse "daran denken, dass hier möglicherweise zwei Täter ihre Fantasien ausgelebt haben", sagte Frank Herrmann.

Warum niemand Manfred S. auf die Spur kam? Frank Herrmann von der Polizei Hessen sagte, Manfred S. sei "ein berufstätiger, unaufälliger Familienvater gewesen", Eigentümer eines kleinen Gartenbauunternehmens, begeisterter Musiker. Von einer Alkoholabhängigkeit in früheren Jahren abgesehen, habe es keinerlei Aufälligkeiten gegeben: "Ein Mensch, der gut in die Gesellschaft eingebunden war und den wir mit Sicherheit nicht in unsere Ermittlungen einbezogen hätten". Zeit seines Lebens habe er als "unbescholtener Bürger" gelebt.

Wer Hinweise zu den Todes- und Vermisstenfällen hat, kann sich an das Hessische Landeskriminalamt wenden.

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