Hessen:Staatsanwaltschaft spricht von "gezieltem Angriff" auf Flüchtlingsheim

  • Schüsse auf eine Flüchtlingsunterkunft in Dreieich bei Frankfurt haben einen der Bewohner leicht verletzt.
  • Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft spricht von einem "gezielten Angriff, durch den für die Bewohner der Unterkunft eine hohe Gefahr ausging".
  • Über die möglichen Motive des Anschlags will sie nicht spekulieren: "Wir ermitteln in alle Richtungen".

Von Jan Bielicki

Es war halb drei Uhr in der Nacht, als die Scheiben barsten. Mehrere Schüsse waren am frühen Montagmorgen auf das Fenster im Erdgeschoss des Flachbaus abgegeben worden. Projektile zerschlugen das Glas, ein 23-jähriger Syrer, der dahinter schlief, wurde verletzt, zu seinem Glück nur "sehr leicht", wie die Polizei mitteilte. Der Mann konnte das Krankenhaus nach kurzer Behandlung noch am Montag wieder verlassen.

Wer auf die Flüchtlingsunterkunft in einem Gewerbegebiet am Rande des Fachwerkstädtchens Dreieichenhain südlich von Frankfurt gefeuert hatte, war am Montag noch unklar. Auch welcher Art die verwendete Waffe und die Projektile sind, muss die Polizei mit Hilfe von Spezialisten des hessischen Landeskriminalamtes erst noch ermitteln.

Maas: "Dürfen nicht zusehen, wie sich Spirale der Gewalt weiter dreht"

Für die Staatsanwaltschaft in Offenbach ist aber klar: "Das war ein gezielter Angriff, durch den für die Bewohner der Unterkunft eine hohe Gefahr ausging", wie ein Sprecherin mitteilte. Darüber, ob die Täter Rechtsextremisten sein könnten, wollte sie jedoch nicht spekulieren: "Wir ermitteln in alle Richtungen". Ein Syrer, der in dem Heim wohnt, sprach im Hessischen Rundfunk von einer vermummten Person, die gezielt sechs oder sieben Schüsse aus einer scharfen Waffe abgegeben habe.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mahnte via dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Dürfen nicht zusehen, wie sich Spirale der Gewalt weiter dreht". Der Rechtsstaat dürfe und werde das nicht hinnehmen.

Auch andere Politiker verurteilten den Anschlag. "Der feige Angriff auf schlafende Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, ist unter keinen Umständen hinnehmbar und muss mit der vollen Härte unseres Rechtsstaates aufgeklärt und verfolgt werden", forderte Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour twitterte: "Abscheulich."

Zwei Festnahmen in Köln

In dem Haus hat die Stadt Dreieich derzeit 30 Flüchtlinge untergebracht, in dem flachen Anbau, dem die Schüsse galten, wohnen 14 Syrer und ein Afghane. Übergriffe auf Flüchtlinge und Heime wurden in der Stadt bislang nicht registriert.

Deutschlandweit wurde im vergangenen Jahr mehrmals auf Flüchtlingsunterkünfte geschossen, stets aus Schreckschuss- oder Luftdruckwaffen. Erst im November erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen einen 20-jährigen Mann. Er wird beschuldigt, im April neun Schüsse aus einer Luftdruckpistole auf ein Asylheim in Hofheim im Taunus abgegeben zu haben. Eine Stahlkugel zerschlug damals eine Fensterscheibe, verletzt wurde niemand. In der Wohnung des Angeklagten stellte die Polizei Aufkleber und Broschüren der rechtsextremen NPD sicher.

887 Straftaten gegen Asylunterkünfte im vergangenen Jahr

Auch auf Heime in Drögeheide in Mecklenburg-Vorpommern, in Böhlen bei Leipzig und im Berliner Stadtteil Köpenick wurde im vergangenen Jahr geschossen. Das Bundesinnenministerium registrierte im vergangenen Jahr insgesamt 887 Straftaten gegen Asylunterkünfte, das sind mehr als viermal so viele wie noch 2014. Davon waren 150 Gewalttaten und darunter wiederum 79 Brandstiftungen und 51 Körperverletzungsdelikte, wie das Ministerium der SZ auf Anfrage mitteilte.

In Köln nahm die Polizei zwei Männer unter dem Verdacht fest, am Samstag sogenannte Bengalo-Fackeln auf eine Asylunterkunft im Stadtteil Mülheim geworfen zu haben. Die Leuchtfackeln waren nach Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft mit Schriftzügen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung beklebt.

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