Heidenheimer Entführung:Rätselhafte Umstände

Im Fall Bögerl weist die Polizei Kritik an der Lösegeldübergabe zurück, kann die Zweifel aber nicht aus dem Weg räumen. Hätte der Tod der Entführten verhindert werden können?

Dagmar Deckstein

Schon um acht Uhr am Morgen versammelten sich die ersten Trauergäste vor der Bonifatiuskirche in Heidenheim, wo am Vormittag ein Trauergottesdienst für die ermordete Maria Bögerl abgehalten wurde. Etwa hundert Menschen gedachten der Toten, deren Porträtfoto mit Trauerflor im Kirchenschiff aufgestellt war. Die Familie des Entführungsopfers nahm am Nachmittag dann in der Heidenheimer Dreifaltigkeitskirche Abschied von der Ehefrau und Mutter, die am 12. Mai aus ihrem Privathaus in der Gemeinde Schnaitheim entführt worden war.

Trauerfeier Maria Bögerl

"In Heidenheim ist nichts mehr so, wie es einmal war": Etwa 1000 Menschen gedachten der ermordeten Maria Bögerl beim Trauergottesdienst in Heidenheim. Der Täter ist noch nicht gefunden.

(Foto: dpa)

"In Heidenheim ist nichts mehr so, wie es einmal war", sagte ein Freund der Familie aus Passau, der die Ansprache hielt. Rund tausend Trauergäste nahmen an der Zeremonie teil. Bevor Polizeibeamte die Kirchentüren geöffnet hatten, verabschiedete sich die Familie zunächst ohne Öffentlichkeit an dem mit Rosen geschmückten Sarg von Maria Bögerl.

Erst am vergangenen Donnerstagabend war ihre Leiche zufällig von einem Spaziergänger unter einem Reisighaufen in einem Waldgebiet gefunden worden. Am Montag hatte die Familie der Ermordeten in der Heidenheimer Zeitung eine Traueranzeige veröffentlicht. Darin hieß es: "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Die Erinnerung an deine Stärke, an deine Wärme, an dein Lachen ist das Einzige, was uns am Leben erhält."

Verspätung mit fatalen Folgen?

Während in diesen Tagen in Heidenheim die Trauer um die tote Maria Bögerl im Vordergrund steht, bleiben die Umstände ihrer Entführung und Ermordung weiterhin rätselhaft. Hatte die 54-Jährige sterben müssen, weil das Lösegeld nicht schnell genug beschafft werden konnte? Die Staatsanwaltschaft Ellwangen und die Polizeidirektion Heidenheim, die nun 2600 Hinweisen aus der Bevölkerung nachgeht, bleiben trotz verschiedener Medienberichte über mögliche Ermittlungspannen bei ihrer Darstellung.

Der Ehemann der Entführten, der Direktor der örtlichen Sparkasse, habe am 12. Mai um 11.25 Uhr telefonisch eine Lösegeldforderung über 300.000 Euro erhalten. "Die vom Täter im einzigen Telefonat aufgestellten detaillierten Forderungen mit einem äußerst engen Zeitfenster und einer atypischen Stückelung ließen der Polizei nur extrem begrenzte Handlungsalternativen", sagte ein Polizeisprecher. Aber weder zum Zeitfenster noch zur Stückelung wollte er konkrete Angaben machen. Der Ehemann habe sich sofort bereiterklärt, die Lösegeldsumme zu beschaffen. "Deshalb hat die Polizei nicht versucht, das Lösegeld selbst zu besorgen", so der Sprecher weiter.

Die Stuttgarter Nachrichten indessen hatten Thomas Bögerl mit den Worten zitiert: "Ich habe nie darauf bestanden, das Lösegeld selbst zu besorgen. Der Betrag wurde besorgt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen."

Fest steht indes laut Polizei, dass das Geld erst kurz vor 15 Uhr bereitstand und um 15.27 Uhr, eine halbe Stunde zu spät also, am Übergabeort deponiert wurde. Dort wurde es aber nie abgeholt. Der Müllsack mit den Scheinen wurde am Morgen darauf sogar von Mitarbeitern der Autobahnmeisterei entsorgt und von der Polizei später wieder eingesammelt. In der Nähe des Gelddepots, an einer Behelfsausfahrt der Autobahn A7, war auch die Leiche Maria Bögerls gefunden worden.

Weiterhin nicht geklärt ist die Frage, wie lange die Tote schon an der Stelle lag, obwohl die Gerichtsmediziner die Leiche schon fünf Tage lang untersuchen. Das Verfahren sei sehr aufwendig und zeitintensiv, meinte der Polizeisprecher lediglich zur Begründung. Ebenfalls rätselhaft bleibt der Umstand, warum die Polizeisuchtrupps, die das Gelände wochenlang zum Teil mit Spürhunden durchkämmten, die Leiche nicht gefunden haben.

Derweil läuft die Fahndung nach einem Zeugen weiter auf Hochtouren. Die Ermittler suchen einen 30 bis 40 Jahre alten Mann, etwa 1,80 Meter groß mit dunklen, zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren. Er war am Vormittag des 12. Mai in der Nähe der Wohnung der Entführten gesehen worden. Der Mann werde ausdrücklich als Zeuge gesucht, nicht als Verdächtiger, heißt es bei der Polizei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: