Havarierte Fähre "Sewol":Mehr als 100 Tote geborgen

Nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" ist die Zahl der bislang geborgenen Todesopfer des Unglücks auf mehr als 100 gestiegen. Rettungskräfte suchen weiter nach Überlebenden - doch die Hoffnung schwindet.

Die Entwicklungen im Newsblog.

  • Mehr als 100 Tote geborgen
  • Taucher durchsuchen Wrack nach Opfern
  • Vier weitere Crew-Mitglieder festgenommen
  • Transkript von Funkkontakt zeigt Dramatik der Havarie
  • Kapitän gibt "Sicherheitsgründe" für verspätete Evakuierung an

Mehr als 100 Tote geborgen: Bis zum Dienstagmorgen seien 104 Tote aus dem vor sechs Tagen gesunkenen Schiff oder im Wasser um das Wrack geborgen worden, teilte die Küstenwache des Landes mit. Vermisst würden zugleich noch 198 Passagiere und Besatzungsmitglieder. Die Taucher würden unter anderem die Kabinen durchsuchen. Es wird vermutet, dass dort die meisten Insassen bei dem Unglück eingeschlossen wurden.

Rettungskräfte fahnden weiter nach Überlebenden: Die Zahl der geborgenen Toten ist dem Korea Herald zufolge auf 65 gestiegen. Bergungsmannschaften setzen vor der Südwestküste Südkoreas ihre Suche nach den Opfern des Unglücks fort. Neben Hunderten von Tauchern sind südkoreanischen Medienberichten zufolge auch ferngesteuerte Unterwasser-Drohnen im Einsatz. Angehörige harren weiter nahe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo aus - in der Hoffnung, dass noch Überlebende gefunden werden. Realistische Hoffnungen darauf gibt es am Montag nicht mehr. Dennoch stemmen sich Angehörige weiter gegen den Einsatz schwerer Kräne, um das Schiff aufzurichten, so lange Taucher nicht den ganzen Rumpf abgesucht haben. Die meisten der 476 Menschen an Bord waren Schüler auf einem Ausflug. 174 Menschen wurden nach dem Unglück gerettet, darunter der Kapitän und die meisten der 28 Besatzungsmitglieder.

Südkoreas Präsidentin kritisiert Kapitän scharf: Er habe sich durch sein Verhalten des "Mordes" schuldig gemacht, teilt das Büro von Park Geun Hye mit. "Die Taten des Kapitäns und einiger Besatzungsmitglieder waren vollkommen unverständlich, inakzeptabel und kamen Mord gleich", sagt Park bei einem Treffen mit Beratern. Es sei zunehmend klar, dass der Kapitän Lee Joon Seok die Evakuierung des sinkenden Schiffes unnötig verzögert und die Passagiere dann "im Stich gelassen" habe, als er das Schiff verließ. "Dies ist vollkommen unvorstellbar, rechtlich wie ethisch", sagt Park. Die Fähre war am Mittwoch mit 476 Menschen an Bord gekentert und gesunken. Kritiker werfen der Besatzung vor, die Evakuierung des Schiffes zu spät angeordnet zu haben. Demnach hätten womöglich zahlreiche Menschenleben gerettet werden können, wenn die Passagiere bereits angewiesen worden wären, das Schiff zu verlassen, als sich dieses zu neigen begann. Staatspräsidentin Park räumte Fehler bei der Reaktion der Behörden nach der Katastrophe ein. Zugleich forderte sie, mögliche Unregelmäßigkeiten beim Betrieb der 20 Jahre alten Fähre aufzudecken.

Drei Offiziere und ein Mechaniker der Crew in Gewahrsam: Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft, dass am Montag vier weitere Besatzungsmitglieder in Südkorea festgenommen wurden. Seit Samstag sind bereits der Kapitän, der Steuermann und die relativ unerfahrene dritte Offizierin festgenommen worden, die zur Zeit des Unglücks das Kommando auf der Brücke hatte, in Untersuchungshaft. Gegen sie wurde Haftbefehl wegen Vernachlässigung von Dienstpflichten und Verstoßes gegen das Seerecht erlassen. Wie Yonhap berichtete, müssen die nun Festgenommenen mit ähnlichen Vorwürfen rechnen.

Neues Transkript von Funkspruch veröffentlicht: Nachdem bereits am Freitag ein Transkript des Funkkontakts zwischen der Sewol und der Hafenbehörde der Insel Jeju öffentlich wurde (nachzulesen zum Beispiel hier), zitiert CNN am Sonntag aus einer weiteren Konversation. Die Funksprüche verdeutlichen die Dramatik der Situation an Bord der Sewol:

Sewol: "Unser Schiff hat Schräglage und könnte kippen."

Hafenbehörde VTS: "Wie geht es den Passagieren?"

Sewol: "Es hat zu starke Schräglage und sie können sich nicht bewegen."

Dann, ein erneuter Kontakt wenig später:

Hafenbehörde VTS: "Können die Passagiere fliehen?"

Angehörige der Opfer der Sewol

Polizei stoppt Protestmarsch von Hinterbliebenen.

(Foto: AFP)

Sewol: "Die Schräglage ist zu groß, es ist unmöglich."

Polizei stoppt Angehörige: Sie harren seit Tagen in einer Turnhalle 30 Kilometer vom Unglücksort aus, der Ort Paeng Mok Harbor hat sich in ein regelrechtes Flüchtlingslager verwandelt, wo Familien der Opfer des Schiffsunglücks Zuflucht finden - wo sie vor allem eines tun: auf Antworten warten. "Es gibt keine schlimmere Hölle als diese", zitiert der US-Sender CNN einen Angehörigen. Sie werfen der Regierung vor, nicht genug für die Rettung möglicher Überlebender getan zu haben. Die Verzweiflung der Familien schlägt zunehmend in Wut um: Am frühen Sonntagmorgen wollten etwa 100 Angehörige zu einem Protestzug in die 420 Kilometer entfernte Hauptstadt Seoul aufbrechen, um dort ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. Etwa 200 Polizeibeamte hielten die wütenden Menschen zurück. Permierminister Chung Hong-won traf eine Abordnung der Opferfamilien in der Turnhalle, die derzeit als Notunterkunft dient.

Regierung definiert Katastrophengebiete: Die Regierung in Seoul hat zwei Regionen zu Sonderkatastrophenzonen erklärt. Betroffen sind der südliche Landkreis Jindo, vor dessen Küste sich das Unglück ereignete, sowie die Stadt Ansan nahe der Hauptstadt Seoul, wie der Rundfunksender KBS am Sonntag berichtet. Als Katastrophengebiete haben die betroffenen Gemeinden wie auch die Familien der Unfallopfer Anspruch auf staatliche Sonderhilfen.

Kapitän gesteht zu späte Evakuierung: Nach seiner Verhaftung gibt Kapitän Lee Joon Seok an, die Evakuierung der Sewol aus Sicherheitsgründen verzögert zu haben. Bei einem Termin zur Verlesung des Haftbefehls am Samstagmorgen sagt er auf Fragen von Reportern, zum Unglückszeitpunkt sei kein Rettungsschiff oder Fischerboot in Sicht gewesen. "Die Strömung war sehr stark und das Wasser war kalt", so der 69-Jährige. Er habe befürchtet, dass die Passagiere von der Strömung fortgerissen werden könnten. Nach Berichten von Überlebenden hatte die Crew nach dem Kentern des Schiffes zunächst Anweisung gegeben, in den Sitzen und Kabinen zu bleiben.

Linktipp:

"Mum, das könnte die letzte Chance sein, Dir zu sagen, dass ich Dich liebe": Die BBC hat hier letzte SMS von Passagieren und Berichte von Überlebenden zusammengetragen.

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