Tragisches Prozessende:Angeklagte Krebsärztin begeht Suizid

Die Ärztin Mechthild B. saß wegen ihrer umstrittenen Methoden der "Sterbebegleitung" seit sieben Jahren auf der Anklagebank. Als sich eine Verurteilung abzeichnete, beging die 61-Jährige eine Verzweiflungstat.

Die Vorwürfe waren wohl nicht mehr zu ertragen. Die wegen 13-fachen Totschlags an Patienten angeklagte Krebsärztin Mechthild B. hat sich selbst getötet. Ein Freund habe die 61-Jährige in ihrem Wohnhaus in Bad Salzdetfurth gefunden, sagt ihr Anwalt Matthias Waldraff. "Sie hat sich mit Medikamenten das Leben genommen."

Tragisches Prozessende: Von ihren Anhängern als aufopferungsvoll, von ihren Kritikern als selbstherrlich beschrieben: Die Ärztin Mechthild B., die sich mit Medikamenten das Leben genommen hat.

Von ihren Anhängern als aufopferungsvoll, von ihren Kritikern als selbstherrlich beschrieben: Die Ärztin Mechthild B., die sich mit Medikamenten das Leben genommen hat.

(Foto: dapd)

Sieben Jahre lang hatte die Medizinerin versucht, die erschütternden Vorwürfe zu entkräften und glaubte sich auch auf einem guten Weg dazu. Vor einer Woche dann aber die Ernüchterung: Die Richter am Landgericht Hannover erklärten in einer Zwischenbilanz, dass in zwei Fällen sogar vieles auf Mord hinweise. In allen bislang erörterten sechs Fällen habe die Angeklagte mit zu hohen Schmerzmittel-Dosen den Tod der Patienten verursacht.

Statt Wiederherstellung ihres Ansehens lebenslange Haftstrafe. Seine Mandantin habe nach dieser Einschätzung des Gerichts keine Perspektive mehr für sich gesehen, sagt ihr Anwalt.

Ihr Gehen sei aber kein Schuldeingeständnis. "Ein Leben im Gefängnis, ein Leben ohne ihre Patienten, ist für Frau Dr. B kein Leben", betont Waldraff, der seit der Bilanz des Gerichts täglich mit seiner Mandantin Kontakt hatte.

Mechthild B. sah sich als Vertreterin einer ganzheitlichen Medizin, der die Qualität des Lebens im Zweifelsfall mehr wert ist als die bloße Zahl der gelebten Tage. Sie hatte ebenso viele Anhänger wie Kritiker. Zu jedem der 50 Prozesstage waren zahlreiche frühere Patienten der Krebsärztin gekommen, um die Frau zu unterstützen. Die Internistin sei für viele Menschen die letzte Anlaufstelle gewesen, nachdem sie von anderen Ärzten bereits aufgegeben wurden. "Deswegen sind bei ihr auch so viele gestorben", hatte eine Frau gesagt, die die Medizinerin als aufopferungsvoll und verständnisvoll erlebt hatte.

Kritiker beschrieben ihr Verhalten aber auch als selbstherrlich. "Ich spürte, wenn ein Patient keine Aura mehr hat, keine Energiefelder", sagte die Ärztin im Dezember im Gerichtssaal. Neben Geruch und Gesichtsausdruck sei auch die Aura eines Menschen ein Hinweis darauf, dass er sich in der "präfinalen Phase" befinde.

Die 61-Jährige hatte immer betont, dass die Behandlung mit Morphium, Valium und Psychopharmaka zur Schmerzlinderung und in der präfinalen Phase Sterbebegleitung gewesen sei. "Jeder Mensch hat das Recht, seinen letzten Lebensabschnitt in Würde und angstfrei zu erleben", hatte sie an einem der vielen Prozesstage gesagt. Den Zeitpunkt dieses letzten Abschnittes, so die Überzeugung des Gerichts, hatte die Angeklagte aber wohl in vielen Fällen vorschnell und ohne Absprache mit den Patienten oder deren Angehörigen bestimmt.

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