Hannover:Freispruch für den Stuhl-Wegzieher

Gericht: Schüler muss für seinen Streich kein Schmerzensgeld zahlen.

Von Matthias Kohlmaier

Dem Klassenkameraden den Stuhl wegziehen, damit der sich schwungvoll auf den Hosenboden setzt - darüber können sich Schüler seit jeher amüsieren, vor allem wenn Publikum dabei ist. Oder sie ärgern sich darüber, je nach Perspektive. Nun beschäftigte ein folgenreicher Schülerstreich das Amtsgericht Hannover: 1400 Euro Schmerzensgeld wollte ein Schüler einklagen, weil ihm ein anderer im März 2013 die Sitzgelegenheit entwendet hatte. Der 15-Jährige fiel aufs Steißbein und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Da er vor Schmerzen nicht mehr aufstehen konnte und an der Bluterkrankheit leidet, kam der Junge für drei Tage ins Krankenhaus. Wegen seiner Prellungen musste ein Urlaub abgesagt werden.

Das Gericht hat dennoch entschieden: Vom Stuhl-Wegzieher bekommt der heute 17-Jährige kein Schmerzensgeld. Die Schule sei ein besonderer Raum, sagt Gerichtssprecher Jens Buck. "Schüler müssen dort nur für vorsätzliche Taten haften." Der Vorsatz müsse sich dabei auf die Tat und deren mögliche Folgen beziehen. Im vorliegenden Fall sei der Täter wohl davon ausgegangen, "dass sich der Schüler kurz auf den Hintern setzt, alle herzhaft lachen, und dann ist auch wieder gut".

Der Gesetzgeber geht in der Rechtsprechung in Bezug auf Schulunfälle davon aus, dass in Schulen Blödsinn passieren kann. Derlei Fälle sollten nicht vor Gericht, sondern innerhalb der Schule geklärt werden, etwa durch Disziplinarmaßnahmen. In einem anderen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2004 ähnlich entschieden. Damals hatte ein Schüler seinem Klassenkameraden versehentlich ein Sägeblatt ins Auge geworfen, der Geschädigte erblindete. Die schwerwiegenden Folgen seien für den Schüler nicht vorhersehbar gewesen, urteilte der BGH, und wies die Schmerzensgeldklage ab. Die gesetzliche Unfallversicherung müsse Schadenersatz leisten.

Im aktuellen Fall, so Gerichtssprecher Buck, habe sich der Täter sofort entschuldigt und den Verletzten in den Sanitätsraum begleitet. "Es gab für die Richterin keinen Grund zu glauben, dass er seinen Klassenkameraden verletzen wollte." Daher habe sie die Klage abweisen müssen. Der Anwalt des Opfers wirft dem Stuhl-Wegzieher weiterhin Absicht vor. Er will in Berufung gehen.

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