Hamburg:Schwere Jungs

Hamburg: Schwere Jungs und schwere Maschinen: Die alteingesessenen Hells Angels kämpfen gegen die Mongols.

Schwere Jungs und schwere Maschinen: Die alteingesessenen Hells Angels kämpfen gegen die Mongols.

(Foto: imago)

Explosionen, Schießereien und Messerangriffe: Der Bandenkrieg zwischen den verfeindeten Rocker-Klubs Mongols und Hells Angels in Hamburg eskaliert. Hat die Polizei die Lage noch im Griff?

Von Peter Burghardt

Für Hidi G. war es keine gute Woche, so viel steht fest in diesem verworrenen Gefecht. Erst trafen die Schüsse mitten auf Hamburgs berühmtester Straße auch ihn. Dann beendeten Messerstecher seinen Besuch bei Prostituierten in einer Gartenlaube. Immerhin: Hidi G. lebt noch, und das ist in dieser Schlacht der Rocker ja nicht mehr selbstverständlich.

Zwei Tage vor Silvester versammelten sich der 26-Jährige und mehrere Kumpane der sogenannten Mongols in einem Restaurant auf der Reeperbahn, dem Revier der Hells Angels. Das Treffen galt als weiterer Hinweis darauf, dass die Mongols ihre Erzfeinde in deren Stammgebiet herausfordern. Als drei Mongolen zum Rauchen vor die Tür des Lokals traten, kamen allerdings Höllenengel des Weges, sie hatten Wind von der Präsenz ihrer Rivalen bekommen. Das Mongols-Trio entschied sich für die Flucht und sprang in ein Taxi. Mindestens einer der Verfolger schoss - sieben Kugeln durchlöcherten das beige Blech. Zwei der fliehenden Passagiere wurden verletzt, der geschockte Fahrer blieb unversehrt. Hidi G. hatte das Glück, dass ihm ein abgebremstes Projektil nur einen blauen Flecken zufügte. Prellschuss nennt sich das.

Fünf Tage danach wurde es schmerzhafter. Der Mongol Hidi G. hatte sich in der Nacht zum Sonntag offenbar mit Frauen im Viertel Horn verabredet - und saß in der Falle. Es erschienen maskierte Männer, mutmaßlich ebenfalls aus dem Umfeld der Hells Angels, und stachen ihn ins Bein und ins Gesicht. Anschließend, so heißt es, sei er in ein Auto gezerrt und ein paar Ecken weiter aus dem Fahrzeug geworfen worden. Mit Stichwunden wurde Hidi G. in ein Krankenhaus gebracht. Martialische Polizeieinheiten stürmten daraufhin mehrere Wohnungen sowie einen Saunaklub und nahmen zwei Verdächtige im Alter von 20 und 21 Jahren fest, mussten diese aber schnell wieder ziehen lassen.

Solche Rambo-Szenen ereignen sich neuerdings wieder im ganz realen Hamburg. Die schießwütigen ARD-Tatorte aus der Hansestadt sind da bloß schlechte Kopien. Seit Monaten tobt das Duell zwischen Hells Angels und Mongols, es geht um Macht, Geld, Ehre. Schon früher war die Rotlichtszene ein Fall fürs Blaulicht gewesen, damals kassierten und kämpften Zuhältercliquen wie Nutella-Bande, Chikago und GmbH. Nach dem Mauerfall erweiterten Osteuropäer und Albaner das Geschäft. Viele Bosse von einst sind längst ausgestiegen oder tot. Das Milieu indes lebt weiter. Die Hells Angels mischen mit ihrer Ortsgruppe Harbour City seit Jahrzehnten in den Bordellen mit, obwohl die Filiale schon 1983 verboten wurde. Seit 2012 ist an Alster und Elbe sogar das Tragen ihrer Symbole untersagt. Bis vor einiger Zeit schien es zwar oberflächlich ruhiger geworden zu sein, trotz der Fehde mit einem anderen Widersacher, den Bandidos. Doch seit die Mongols auf den Markt drängen, herrscht wieder Kleinkrieg.

Der Mongols Motorcycle Club wurde wie das ältere und bekanntere Kollektiv Hells Angels in den USA gegründet, alles schwere Jungs auf schweren Motorrädern. 2010 schufen Mitglieder eines arabischstämmigen Clans in Bremen einen deutschen Ableger des Mongols MC, der nach seinem dortigen Verbot ins einträglichere Hamburg weiterzog. Hier macht die Gang den illegalen Hells Angels seit 2014 Konkurrenz - und den Behörden Arbeit.

Die Hells Angels stahlen dem Ober-Mongol seine Kutte - und gaben sie einem Transvestiten

Allein die Geschichten von Erkan U. hören sich an wie Folgen einer schlechten Krimiserie. Er war der erste hiesige Präsident der Hamburger Mongols, soweit man weiß. Ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei flog einmal im Hubschrauber zur Razzia aufs Dach seiner Wohnung an der bürgerlichen Hoheluftchaussee und holte ihn ein anderes Mal ab. Erkan U. soll eine Frau mit einer Waffe bedroht haben. Mangels Beweisen kam er wieder frei und überstand im Oktober 2014 im Hinterhof die Explosion einer Handgranate unter seinem orangefarbenen Lamborghini. Die Detonation beschädigte außer dem Sportwagen auch nahe Scheiben und eine Tür. Der Fall in der Nähe der gut situierten Stadtteile Eimsbüttel und Eppendorf etwas ungewohnt: Sprengsätze an Autos kennt man hier sonst nur aus Actionfilmen. Des Weiteren wurde der seinerzeit oberste Hansemongole von Kontrahenten verprügelt und seiner Kluft beraubt. Die Beute konnte nachher im weltweiten Netz besichtigt werden - in einem Video trug ein Transvestit die Montur. Das war eine arge Beleidigung. "Meine Kutte bin ich, Alter, ihr Hurensöhne", wetterte der Vorgeführte Erkan U. in einem Video und schwor Rache. Doch Anfang Dezember landete erneut ein Spezialtrupp der Staatsgewalt auf seinem Penthouse, zündete Blendgranaten, sprang auf seinen Balkon und nahm ihn mit. Der Beschuldigte hatte gegen Bewährungsauflagen verstoßen und besaß eine Waffe, die er nicht besitzen durfte.

Erkan U. trug einen Kapuzenpulli mit Aufdruck "Mongols Germany", als er abgeführt wurde, und sitzt bis auf Weiteres im Gefängnis. Sein Nachfolger sei Kevin S., berichteten Hamburger Morgenpost und Hamburger Abendblatt, der wahre Boss der Mongols sei aber Vize Reza J., ein ehemaliger Hells Angel.

Eine "Soko Rocker" soll Material sammeln für ein mögliches Verbot der Mongols

Alles muskelbepackte Gestalten mit kurzem Haar. Das Landeskriminalamt nimmt die Sache mittlerweile sehr ernst, nachdem ein Sprecher noch vor wenigen Wochen erläutert hatte, dies sei nur eine Auseinandersetzung einzelner Krimineller. Seit Dienstag sollen 56 Beamte der "Soko Rocker" schützen, aufklären und Material für ein mögliches Verbot der Mongols sammeln. Und seit Mittwoch gibt es auch noch eine Sonderkommission wegen der Übergriffe Unbekannter auf Frauen in der Hamburger Silvesternacht, wobei das eine mit dem anderen wohl wenig zu tun hat.

Der doppelt attackierte Hidi G. übrigens bleibt seiner Riege treu, wenn man einem Foto glauben darf. Darauf ist an der linken Schläfe das Kürzel MFFM tätowiert: "Mongols Forever, Forever Mongols."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: