Hamburg:Pflege für den Pudel

Hamburg: Da war alles noch gut: Der Golden Pudel Club, bevor er in Flammen aufging.

Da war alles noch gut: Der Golden Pudel Club, bevor er in Flammen aufging.

(Foto: imago/Kraft)

Die nächste Runde im Streit, wie es mit dem abgebrannten Hamburger Kult-Klub weitergeht, endet mit Sekt und Jubel. Erledigt ist der Fall damit aber noch lange nicht.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Es war natürlich allerhand los im Amtsgericht zu Altona, als das nähere Schicksal einer schwer verletzten Hamburger Legende verhandelt wurde. Raum 210 füllte sich am Dienstagvormittag beträchtlich, im Publikum drängte sich außer Reportern vor allem alternative Prominenz aus St. Pauli. Es geht in diesem Fall ja nicht nur um eine etwas abgerockte Szenekneipe aus Holz, die vor Wochen rätselhaft verwüstet wurde. Es geht um ein überregional umschwärmtes Symbol. Es geht um den Golden Pudel Club.

Im Februar ging das Spitzdach des mythischen Musiklokals am Fischmarkt in Flammen auf. "Hundertprozentig Brandstiftung", das hat sich der Mitbesitzer Rocko Schamoni gerade noch mal vom Landeskriminalamt bestätigen lassen. Täter unbekannt. Nun musste die Justiz zunächst die Frage klären, ob die Ruine wieder in Stand gesetzt werden kann, wie der Musiker, Autor und Entertainer Schamoni sowie die vielen Pudel-Freunde wollen. Oder ob die Kultstätte bis zu ihrem Verkauf nicht angetastet werden darf, wie es der ehemalige Mitstreiter und heutige Pudel-Rivale Wolf Richter verlangt hatte.

Am frühen Nachmittag erging das Urteil im Sinne der Schamoni- Gemeinde, es wurde gejubelt und Sekt getrunken. Der Pudel muss nicht sterben, jedenfalls nicht diesen Tod. Er darf gepflegt werden, fürs Erste jedenfalls, eventuell mit Hilfe eines flachen Ersatzdachs. Die von Wolf Richter erwirkte einstweilige Verfügung zum Stopp aller Rettungsmaßnahmen ist damit hinfällig.

Schon in der kurzen Anhörung wies der Amtsrichter darauf hin, dass das Untergeschoss noch stehe und laut Experten "wiederherstellungsfähig" sei. Denn dieses Parterre, das zum Wohnzimmer von Bands wie Tocotronic, den Goldenen Zitronen und Blumfeld wurde, ist nicht abgebrannt; es wurde nur von Löschwasser, Ruß und Regen malträtiert und muss behandelt werden. Dieser Pudelkörper wird von der Schamoni-Fraktion im Rahmen eines Pachtvertrags betrieben. Das verkohlte obere Stockwerk, also sozusagen der Pudelkopf, steht dagegen unter der Ägide von Wolf Richter und beherbergte bis zu seiner Schließung ein kommerzielles Café ("Oberstübchen"), das Pudel-Puristen ablehnten. Der Zwist um Inhalt und Geschäft hat die Parteien dermaßen entzweit, dass die Causa vor Gericht gelandet ist.

Die Fortsetzung folgt, auf Wolf Richters Betreiben soll eine Teilungsversteigerung stattfinden. Richter will verkaufen. Der Auktionstermin war zunächst für diesen Mittwoch angesetzt worden, wurde allerdings auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Erst muss ein neues Gutachten erstellt werden, der zunächst errechnete Kaufpreis von 510 000 Euro dürfte sich durch das Feuer und seine Folgen verändert haben. Wobei sich beide Seiten nun erst mal über den Abriss des Dachstuhls und auf eine Baufirma einigen müssen. Richter schweigt öffentlich. Schamoni will den Golden Pudel reparieren und mit einer Stiftung weiterbetreiben, "weil's der beste Club der Stadt ist. Das hat sich weltweit herumgesprochen." Dies sei kein persönlicher Streit und keine Pizzeria am Stadtrand, es gehe um viele Künstler.

Das ist keine Bruchbude. Das ist ein Hort der Fantasie

Der Amtsrichter musste sich fürs Protokoll kurz nach Details erkundigen. "Sie heißen Albrecht mit Nachnamen, mit l, oder?", fragte er. Tatsächlich kam Rocko Schamoni 1966 als Tobias Albrecht zur Welt, aber sein Kunstname hat ihn so bekannt gemacht wie Schorsch Kamerun (Thomas Sehl) und andere Pudel. Ihr Golden Pudel Club, eine Bruchbude? Es ist ein Hort der Fantasie. Die Unangepassten vom Kiez wollen verhindern, dass Investoren auch diese Enklave des Widerstands verschlingen, dieses Gegenmodell zur schicken, sündteuren Elbphilharmonie. Etliche Pudel-Unterstützer waren vertreten, darunter Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli. "Pudel aus der Asche", stand auf Pappschildern, oder, auch sehr schön: "Burn to be alive".

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