Hamburg:Empörung über Urteil

Die Staatsanwaltschaft ficht den Richterspruch gegen vier Vergewaltiger an. Das Urteil sorgte für viel Unverständnis.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Im Internet kann man den Ärger über das Urteil seit ein paar Tagen beobachten, bis Montagnachmittag hatten da 20 000 Menschen unterschrieben. In einer Online-Petition fordern die Unterzeichner die Hamburger Staatsanwaltschaft auf, in dem kürzlich beendeten Vergewaltigungsprozess in Revision zu gehen. Es könne nicht sein, dass vier Kerle gemeinsam eine 14-Jährige vergewaltigen - und die meisten von ihnen mit Bewährungsstrafen davonkommen, findet der Initiator. "Insbesondere weil das Mädchen danach wie ein Stück Fleisch und halb nackt in die Kälte gelegt wurde."

Drei Jugendliche und ein Erwachsener hatten bei einer Geburtstagsparty im Februar in Harburg südlich der Hansestadt ein betrunkenes, willenloses Mädchen missbraucht und trotz Eiseskälte im Hinterhof zurückgelassen. Eine 15-Jährige filmte das Verbrechen mit dem Handy. Die vier minderjährigen Angeklagten wurden am Donnerstag auf Bewährung verurteilt, ein 21-jähriger Täter muss für vier Jahre ins Gefängnis. Jetzt will die Hamburger Staatsanwaltschaft den Ausgang des Prozesses tatsächlich anfechten - unabhängig von der Wut im Netz. Oberstaatsanwältin Nana Frombach bestätigte der SZ, dass die Revision bereits am Freitag eingelegt worden sei. Mit dieser Online-Petition habe das nichts zu tun, solche Initiativen beeinflussten eine juristische Entscheidung nicht. Es ist vielmehr so, dass der Staatsanwaltschaft das Urteil von Anfang an in Teilen zu milde ausgefallen war.

Die Familien der Täter feierten die milden Urteile im Gerichtssaal

Nur die vierjährige Haftstrafe für Bosko P., 21, und die einjährige Jugend-Bewährungsstrafe für die 15-jährige Handy-Filmerin entsprachen ihren Anträgen. Für den 16-jährigen Beschuldigten dagegen hatte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und sechs Monate Jugendhaft beantragt und für den 14-Jährigen und 17-Jährigen eine sogenannte Vorbewährung. Das schriftliche Urteil wird nur auf Rechtsfehler untersucht. Danach könnte es ganz oder teilweise revidiert oder die Verhandlung vom Bundesgerichtshof an Hamburgs Landgericht zurückverwiesen und dort an einer anderen Kammer neu aufgerollt werden.

Schon zu Beginn der Sitzungen Ende August war es im Gerichtssaal und davor turbulent zugegangen. Angehörige der Angeklagten feierten ihre Verwandten, manche von ihnen grüßten wie Halbstarke zurück. Dabei passen die Details ihrer Tat nicht im geringsten zu solcher Stimmung. Die jungen Männer hatten ihr Opfer, das damals in einer betreuten Wohngruppe lebte und von der 15-jährigen Helferin mitgebracht worden war, mit sieben bis acht halben Gläsern Whiskey volltrunken gemacht. Danach vergingen sie sich ungeschützt an der widerstandsunfähigen jungen Frau, die sich immer wieder übergab, und führten ihr anschließend Gegenstände ein. Am Ende schleiften sie die nahezu besinnungslose Verletzte auf einem Bettlaken hinaus in den Wintermorgen. "Sie haben sie weggeworfen wie Müll", erklärte der Richter. Dank ihrer Hilferufe in letzter Not wurde sie geborgen und unterkühlt in ein Krankenhaus gebracht. Einige Szenen des Missbrauchs sind offenbar dem beschlagnahmten Handyvideo zu entnehmen.

Das mehrheitlich milde Urteil in erster Instanz wurde von Verwandten dann ebenfalls triumphierend begleitet, als handle es sich um einen Freispruch. Die Jugendkammer begründete ihren Beschluss damit, dass die vier Jugendlichen geständig gewesen seien und Reue gezeigt hätten; auch sei ihre Sozialprognose günstig. Sie werden in Jugendeinrichtungen außerhalb Hamburgs untergebracht. Die Vergewaltigte, die von Anwälten vertreten wird, soll sich mittlerweile unter der Aufsicht eines Berliner Jugendamtes befinden. Als Zeugin hatte sie das Gericht seit Mai nicht mehr ermitteln können.

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