Grüne Woche Berlin:Fit mit Chips und Co

Es muss nicht immer Bio sein. Gesund Leben geht auch mit Coca Cola, Nestle und Ferrero. Wer sich nur genug bewegt kann sich auch Gesund ernähren mit Chips und Cola. Experten halten dies für fragwürdig.

Helena Kysela, Berlin

Das springen über fünf Wadenhöhe Hürden und dribbeln mit dem Fußball am Messestand "Fit am Ball - der Schul-Cup von funny-frisch" war nicht um sonst. Zur Belohnung bekommt die siebenjährige Hanna eine Tüte Chips. "Und das ist Gesund? Sind wir hier nicht in der Abteilung gesunde Ernährung?", fragt Mutter Beatrix Grothe. "Das ist ein bisschen fragwürdig".

Grüne Woche Berlin: Hüpfen für eine Tüte Chips in Halle 1.2b auf der grünen Woche.

Hüpfen für eine Tüte Chips in Halle 1.2b auf der grünen Woche.

(Foto: Foto: H. Kysela)

Familie Grothe besucht die grüne Woche und ist in Halle 1.2b. Hier präsentieren sich die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie und der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) gemeinsam unter dem Motto: "Power fürs Leben - Essen und Bewegen."

Die Firma Nestle verteilt Schrittzähler und gibt den Besuchern Ernährungsberatung. Richtig trinken und gesund Leben geht auch mit Coca Cola. Der Schokoladenhersteller Ferrero sponsert das Laufspiel Speed4. Teilnehmer müssen eine etwa zehn Meter Lange Strecke ablegen und im Slalom zurück. Manche Kinder schaffen es unter fünf Sekunden.

Die Botschaft der Halle 1.2b liegt auf der Hand: Was Kinder essen ist völlig egal, Hauptsache sie rennen und toben hinterher genug. "Die Ernährungsmuster von normal- und dicken Kindern unterscheiden sich nicht. Wesentlich ist, dass Kinder sich ausreichend bewegen", schreibt die BLL in einer Pressemitteilung.

Dem widerspricht Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. "Es ist nicht völlig egal was wir Essen", sagt er.

Heute sind 15 Prozent der Kinder in Deutschland laut einer Studie des Robert Koch Institutes übergewichtig und 6,3 Prozent leiden an Adipositas, also an krankhaftem Übergewicht. Die Folgen können Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen sein. Kinder würden immer dicker aus zwei einfachen Gründen: Die Körperaktivität hat abgenommen und Kinder essen energiereichere Speisen als sie brauchen. Heute essen Kinder mehr als vor 50 Jahren und was sie essen enthält mehr Zucker und Fett.

Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Organisation Foodwatch, findet die Gemeinschaftshalle mit Nestle, Coca Cola und Ferrero auf der grünen Woche "ganz seltsam". Die Lebensmittelindustrie solle das tun was sie am besten könne: Lebensmittel produzieren. Am besten mit weniger Zucker und Fett und wenn möglich ohne künstliche Aromen."Manche Milchmischgetränke enthalten mehr Zucker als Cola", sagt Wolfschmidt. Die Industrie solle davon nicht mit Schrittzähler ablenken.

Die Kinder von Beatrix und Thomas Grothe rennen am Speed4 Stand um die Wette. Thomas Grothe gefällt es hier gut: "Es werden viele Aktivitäten geboten", Tochter Hanna hat vom vielen Spielen Durst bekommen. Sie und ihr Bruder gehen zum Coca-Cola-Stand. Wer dort etwas zu trinken haben will, muss an einem Glücksrad drehen. Der Schwung entscheidet über Fanta, Cola oder Apfelschorle oder eines der vielen anderen Getränke von Coca Cola.

Koletzko warnt vor zuckerhaltigen Getränken. Cola, Limonade und auch manche gesüßten Fruchtsäfte steigerten das Risiko für Übergewicht, weil sie keinen Sättigungseffekt erzeugten. Koletzko hat eine klare Botschaft: Trinkt Wasser!

Dem entgegen stehen die Werbebotschaften der Lebensmittelindustrie. Werbung im Fernsehen hat einen großen Einfluss auf die Ernährung der Kinder. Für Koletzko ein entscheidendes Problem: "Es wird ja nicht für Äpfel und Bananen geworben. Sondern in der Regel für Speisen die wir als Kinderärzte nicht empfehlen würden."

Foodwatch plädiert deshalb für eine Beschränkung der irreführenden Reklame am Nachmittag. Idole und Promis sollten keine Werbung mehr für Kinderlebensmittel machen. Ein weiteres Problem besteht für Wolfschmidt in der undeutlichen Produktkennzeichnung: "Wir fordern eine klare und wahre Darstellung der Inhalte."

In Großbrittanien wurde hierzu ein Ampelsystem auf Verpackungen eingeführt. Die Farben rot, gelb und grün weisen Konsumenten auf niedrige, mittlere oder hohe Fett- oder Zuckergehalte hin. Für Wolfschmidt wäre dies eine möglichkeit mehr Transparenz für die Verbraucher zu schaffen. Doch die Ernährungsindustrie blockt. Jedes Kind kann lernen gesund zu Essen. Die Vergabe von Roten Punkten spiele da keine Rolle sagt der BLL.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: