Großbritannien:Millicent wer?

Großbritannien: Mut führt zu mehr Mut: Statue der Frauenrechtlerin Millicent Fawcett.

Mut führt zu mehr Mut: Statue der Frauenrechtlerin Millicent Fawcett.

(Foto: AFP)

Bald wird die erste Statue einer Frau auf dem Londoner Parliament Square stehen. Ihr Name ist allerdings weitgehend unbekannt. Und die Auswahl eine feige, sagen Kritiker.

Von Cathrin Kahlweit

Es ist eine kleine Revolution, die sich auf dem berühmten Parliament Square in London demnächst vollziehen wird. Erstmals wird dort, zwischen elf mächtigen Politikern und Staatenlenkern, eine Frau stehen. Sie wird ein Schild tragen, auf dem sinngemäß steht: "Mut führt zu mehr Mut". Die Entscheidung ist in diesen Tagen gefallen und wird im kommenden Jahr umgesetzt.

Und auch wenn in der britischen Presse umgehend gelästert wurde, von der Seite sehe das Denkmal aus wie eine Hausfrau, die gerade Wäsche aufhängt, so gibt es doch jede Menge Menschen, die es großartig finden, dass auf diesem Heiligtum britischer Selbstdarstellung neben der Westminister Abbey, gegenüber vom Parlament, endlich eine bedeutende Frau ihren Platz findet. Wenn auch eine, die kaum jemand kennt.

Bei Touristen ist der Parliament Square als "Foto-Opportunity" beliebt; viele stellen sich neben Winston Churchill, Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela, andere rätseln über die historische Bedeutung von David Lloyd George oder Benjamin Disraeli. Millicent Fawcett - wer war das? So wird die Frage lauten, wenn ihr Denkmal bei den Feierlichkeiten zu "100 Jahre Frauenwahlrecht" aufgestellt wird (was so nicht ganz stimmt: von 1918 an durften in Großbritannien nur bestimmte Frauen über 30 wählen, das allgemeine Frauenwahlrecht wurde erst zehn Jahre später eingeführt, aber sei's drum). Fawcett also war: eine Suffragistin.

Zweifler sagen, dass ausgeblendet wird, was wirklich geschah

Selbst viele Frauenrechtlerinnen kennen den Unterschied zwischen Suffragetten und Suffragisten nicht. Und vielleicht ist er heute auch nicht mehr von entscheidender Bedeutung, zumal beide Gruppen in ihrer historischen Mission das gleiche Ziel hatten und intensiv kooperierten. Bei der Auswahl von Millicent Fawcett dürfte er aber durchaus eine Rolle gespielt haben: Denn sie kämpfte mit legalen Mitteln, mit Eingaben und Reden.

Den radikaleren unter den Feministinnen setzte Regisseurin Sarah Gavron unlängst ein Denkmal mit dem Film "Suffragette", in dem Meryl Streep die legendäre Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst spielt. Sie gehörte zu jenen Damen der besseren Gesellschaft, die ihr Leben aufs Spiel setzten für das Frauenstimmrecht. Sie platzierten Bomben in öffentlichen Gebäuden, bewaffneten sich, ließen sich einsperren. Die junge Emily Davison warf sich vor das Pferd des Königs, sie starb an ihren Verletzungen.

Millicent Fawcett, zu jener Zeit Chefin des größten Verbandes der Frauenrechtsbewegung, würdigte diesen selbstmörderischen Protest später mit eben jenen Worten "Mut führt zu mehr Mut", mit denen sie nun porträtiert wird.

Londons Bürgermeister Sadiq Kahn zeigte sich daher hocherfreut über die Entscheidung, Fawcett ein Denkmal zu setzen; dies sei überfällig. Gillian Wearing, die Künstlerin und Turner-Preisträgerin, welche die Statue entworfen hat, freut sich, dass endlich eine Frau als Gleiche unter Gleichen auf dem zentralen Platz stehe. Aber es gibt auch Zweifler.

Die Künstlerin und Kunstpädagogin Judith Brocklehurst etwa, die über den Parliament Square forscht, glaubt, dass mit Fawcett, der Moderaten, ausgeblendet wird, was wirklich geschah: dass Frauen zu Akten des Terrors greifen mussten, um gehört zu werden. Diesmal reichte allerdings eine Eingabe: Eine Kampagne und 85 000 Unterschriften bringen Millicent Fawcett im kommenden Jahr auf den Parliament Square.

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