Glamorama:Zwangsbeglückt

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Justin Bieber ist ein Meister des Überraschungsbesuchs.

(Foto: Giorgio Benvenuti/dpa)

Justin Bieber taucht gerne mal an Orten auf, wo man ihn nicht vermuten würde. Das heißt aber noch lange nicht, dass er ein Star zum Anfassen ist.

Von David Denk

Ferndiagnosen gelten zu Recht als unseriös bis gefährlich, aber wenn es nicht um Krankheiten geht, sondern nur um Justin Bieber, kann man schon mal eine Ausnahme machen. Der kanadische Teenieschwarm wirkt so kolossal unausgeglichen, dass man es bis nach München spüren kann. Alles andere wäre aber wohl auch zu viel verlangt von einem 22-Jährigen mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen US-Dollar. Bieber gilt als der erfolgreichste Kinderstar seit Michael Jackson. Noch Fragen?

In dieser Woche hat Justin Bieber mal wieder die Beherrschung verloren und einem Fan in Barcelona mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der junge Mann kassierte eine blutige Lippe, weil er durch das heruntergekurbelte Seitenfenster von Biebers Limousine griff, um den Sänger zu berühren. Das ist ein Grund - aber keine Entschuldigung. Da können seine Fans in den sozialen Medien noch so viel Verständnis zeigen.

Ohne den Übergriff schönreden zu wollen: In gewisser Weise plagen Bieber hier die Geister, die er selbst gerufen hat, gibt er sich doch als Star zum Anfassen. Dass das nicht wörtlich gemeint ist, müsste dem Fan aus Barcelona vielleicht noch mal jemand erklären.

Bieber, der in PR-Fragen wenig dem Zufall zu überlassen scheint, hat neben Singen, Tanzen, Tätowiertsein und Welpenblick noch ein weiteres Talent: den publikumswirksamen, (zumindest vermeintlich) überraschenden Blitzbesuch. Wo er schon mal in der Stadt war, trainierte er diesen Montag mit dem FC Barcelona, einige Tage zuvor kam die Jugendmannschaft des Eishockeyteams Löwen Frankfurt in den Genuss einer Audienz. Genuss? Offenbar sitzt der Popstar der narzisstischen Selbsttäuschung auf, die ganze Welt sei sein Fan und demzufolge superhappy über sein unvermitteltes Auftauchen. Wenn er "Beliebers" überrascht, wie sich seine Fans offenbar wirklich nennen, mag die Freude groß sein; als er aber neulich in einer Sportsbar in Toronto einkehrte und dort später noch ein paar Songs klimperte, war das mit Sicherheit nicht für jeden der Anwesenden ein Vergnügen. Ihm egal. Du willst es doch auch, schreien solche Auftritte. Sie haben etwas von Zwangsbeglückung: Ich weiß, was gut für dich ist, und das bin ich.

Einbeziehen muss man sicherlich, dass sein Motiv zumindest teilweise Notwehr ist, weil ein angemeldeter Bieber sofort ein umlagerter Bieber wäre. Aber vielmehr noch riecht dieser Aktionismus nach Verzweiflung. Sein Ziel ist eben offenbar nicht, inkognito ein Bier trinken zu gehen, sondern dabei entdeckt zu werden, wie er scheinbar inkognito ein Bier trinken geht. Triebfeder ist keine Sehnsucht nach Normalität, sondern der Wunsch nach Beachtung.

"Let Me Love You" heißt eine aktuelle Single Biebers. Doch vielleicht ist es eher er selbst, der häufiger mal in den Arm genommen werden sollte. Aber, kleiner Tipp, bitte erst fragen.

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