Glamorama:Zugereister Einheimischer

Freddy Quinn wird 85

Freddy Quinn, Hamburger Chef-Melancholiker und gebürtiger Österreicher.

(Foto: dpa)

Freddy Quinn, Seemanns-Barde und Chef-Melancholiker des Hamburger Hafens. Wie hat der Österreicher das nur geschafft?

Von Thomas Hahn

Freddy Quinn ist aus dem Alter raus, in dem man das Rampenlicht sucht. 85 ist der Sänger am Dienstag geworden, die Feierlichkeiten hat er ganz privat hinter sich gebracht. Er soll bei guter Gesundheit sein, aber er hat offensichtlich keine Lust, als Greis ins öffentliche Bewusstsein einzugehen. Er möchte bei seinen Fans als vitaler Entertainer in Erinnerung bleiben, der das Nachkriegs-deutschland mit Seefahrerschnulzen wie "Junge, komm bald wieder" rührte.

Verständlich. Allerdings auch schade, denn von Freddy Quinn könnte man vielleicht erfahren, wie er das gemacht hat: ein Botschafter für Seefahrermentalität und Hamburger Lebensgefühl zu werden, obwohl er weder aus Hamburg stammt, noch zur See gefahren ist. Quinn hat es mit Eigenschaften zur norddeutschen Identifikationsfigur gebracht, die er als gebürtiger Österreicher eigentlich gar nicht hatte. Das soll ihm erst mal jemand nachmachen.

Die Sehnsucht der Menschen nach Identifikationsfiguren ist groß, sie wollen ein Stück von sich selbst auf den großen Bühnen des Lebens erkennen. Leute wie das Kölner Unikum Willy Millowitsch oder die Plattdeutsch-Größe Heidi Kabel haben mit ihrem Theaterspiel zwar nicht die ganz große Kunst dargeboten. Aber dafür bodenständige Kultur bewahrt. In Bayern hat einst eine ganze Phalanx von Schauspielern den Charakter der Einheimischen gespiegelt. Der Fischer Helmut, der Bayrhammer Gustl, die Singerl Erni, der Grießer Max. Wobei der Mundart-Komödiant Max Grießer schon das seltene Beispiel eines Regionalhelden aus der Fremde ist. Für sein Publikum war er ein waschechter Bayer. Dabei kam er aus Tirol.

Das ist eine große Leistung, sich als Zugereister so sehr auf eine Mentalität einzulassen, dass man sie selbst verkörpern kann. In die Herzen der Einheimischen kommt man nicht so leicht rein. Der Verwaltungsrichter Erwin Sellering aus dem Ruhrgebiet machte 1994 Kurzurlaub in Mecklenburg-Vorpommern und entschied, dort hinzuziehen. Heute ist er Ministerpräsident des Landes, er darf den Eindruck haben, dass er angekommen ist. Aber im Hinterland sagen viele, der Sellering sei nur da, weil er es im Westen zu nichts gebracht habe, und wählen die AfD. Sie finden seine Hingabe zum Osten nicht authentisch.

Und Freddy Quinn? Im Grunde ist es ein Witz, dass er das Image des Hamburger Hafen-Melancholikers verkörpert. Es gibt widersprüchliche Angaben, wo er am 27. September 1931 als Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl das Licht der Welt erblickte: Wien, Niederfladnitz oder Pula in Kroatien. Immerhin weist er darauf hin, seine Eltern, ein irischer Kaufmann und eine österreichische Journalistin, hätten ihn in Hamburg gezeugt. Seine Jugend erlebte er in den USA, in Österreich, Ungarn, Belgien und auf Autostopp-Reisen durch Südeuropa und Nordafrika.

Als Musiker und Akrobat tingelte er durch die Welt, bis ihn 1954 in einer Bar in St. Pauli Talentsucher des Plattenlabels Polydor entdeckten. Es begann die Verwandlung des Weltenbummlers in den Hamburger Jungen mit dem Melancholikerblick, der vom Zwiespalt zwischen Fernweh und Heimatverbundenheit erzählt. Irgendwann war der heimatlose Freddy Quinn dann eben drin in den Herzen der Leute als sensibler Sohn der Hansestadt. Sie haben ihn nicht mehr rausgelassen.

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