Giorgio Armani:Ein Stil, zu dem auch Neinsagen gehört

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Der italienische Modeschöpfer wird 70 Jahre alt und ist als Geschäftsmann noch genauso erfolgreich wie als Designer. Seine Geschichte klingt wie die vom Tellerwäscher, der zum Millionär wurde.

Von Christiane Kohl

Als Schaufensterdekorateur hat Giorgio Armani einst in Mailand angefangen, heute gilt er als einer der bedeutendsten Modeschöpfer der Welt. Armanis Erfolgsgeheimnis sind die klaren Linien, stilistisch wie geschäftlich.

Giorgio Armani: "Jeder Mensch hat ein Recht darauf, Karriere zu machen." Foto: AP (Foto: N/A)

Er revolutionierte das Herren-Jackett, indem er es überflüssiger Polster entledigte, und er befreite die berufstätige Frau vom Graue-Maus-Kostüm.

Die Zügel fest in eigener Hand

Zielstrebig baute er ein Netz von Geschäften auf, das die Welt umspannt, behielt aber zugleich die Zügel seines Unternehmens fest in der Hand.

Am Samstag feiert der Meister des Understatement 70. Geburtstag; davon, in Pension zu gehen, ist der Mann, der stets ein dunkelblaues T-Shirt trägt, jedoch weit entfernt.

Für ein Monatseinkommen von umgerechnet nicht mal 200 Euro brutto arbeitete Armani einst beim italienischen Kaufhauskonzern Rinascente, heute macht der Modeschöpfer einen Jahresumsatz von etwa 1,3 Milliarden Euro.

Der Maximalist des Konsums

"Man muss etwas extra machen", lautet seine Devise. Entsprechend entwickelte sich der Minimalist im Stil zum Maximalisten des Konsums: Längst verkauft Armani nicht mehr nur Kleider — unter seinem Namen werden Möbel, Parfüm, Bücher, Schokolade und Kaffee vertrieben.

Sogar Blumen gibt es in seinen Mega-Store genannten Konsumtempeln. Denn Blumen, findet Armani, bereichern das Geschäft: "Eine Orchidee kauft man, auch wenn man vorher schon einen Koffer gekauft hat oder hinterher einen Anzug."

"Immer ein guter zweiter Mann"

Am 11. Juli 1934 wurde Armani in Piacenza geboren, zunächst studierte er Medizin. Doch der junge Mann konnte kein Blut sehen, so brach er das Studium ab und schlug sich in der Mailänder Modewelt durch.

Er arbeitete als Fensterdekorateur und Foto-Assistent, bis er Einkäufer für Herrenmode bei Rinascente wurde. Dort meinte sein Chef zu ihm, er "werde immer ein guter zweiter Mann" sein, Armani trug's mit Fassung.

Doch 1964 entwirft er, ohne jede Vorbildung, eine erste Kollektion für Nino Cerruti. Dann verdingt sich Armani als freischaffender Couturier, mal für dieses, mal für jenes Haus.

Jacketts wie eine zweite Haut

Erst 1975, Armani war 39, wagt er, ein eigenes Geschäft zu gründen. Er verkauft seinen VW, mietet zwei Räume und gründet mit wenig Anfangskapital und seinem Lebensgefährten Sergio Galeotti eine Firma.

"Wir wussten nicht so richtig, was wir taten", sagte Armani später, "aber wir wussten, was wir wollten." Eine Mode, befreit vom Blümchenkult der Hippiezeit, zugleich legerer als die steifen Anzüge der französischen Marktführer; mit Jacketts, die wie eine zweite Haut saßen, und Damenkleidern, zu denen selbst Turnschuhe elegant wirkten.

Eine Revolution, die wie Coco Chanels "kleines Schwarzes" in der Modewelt einschlägt. Schnell macht sich das Team einen Namen; Armani entwirft die Mode, Galeotti kümmert sich ums Geschäft.

"Ein Mann für gewisse Stunden"

Ein erster Großerfolg gelingt 1981, als Richard Gere im Film "Ein Mann für gewisse Stunden" seinen Kleiderschrank öffnete und nur Armani-Jacketts herauszog, um die Damenwelt zu verführen.

Ein Jahr später erscheint das US-Magazin Time mit einer Titelstory, "Giorgios Gorgeous Style" heißt sie: Giorgos wunderbarer Stil. Solche Ehre war nur Christian Dior passiert, und zwar 40 Jahre zuvor.

Im Folgejahr macht die Kurve der Firmenbilanz einen Sprung nach oben, der Mann im T-Shirt ist im Olymp der Modeschöpfer angekommen. 1983 eröffnet er eine Boutique in New York, heute gibt es weltweit 325 Verkaufsstellen und bis 2008 will Armani 30 Geschäfte in China betreiben.

Er trotzt jeder Krise

"Jeder Mensch hat ein Recht darauf, Karriere zu machen", beschreibt er ganz unprätentiös seinen Lebensweg: "Man fängt klein an, arbeitet viel, und wenn man es schafft, will man natürlich irgendwann ein Geschäft aufmachen."

1985 stirbt Armanis Gefährte und Geschäftspartner Galeotti, und der Designer nimmt auch die geschäftliche Leitung in die Hand — wieder mit ungeheurem Erfolg.

Während es um das Haus seines einstigen Konkurrenten Gianni Versace, das heute von dessen Schwester Donatella geführt wird, Gerüchte um Finanzprobleme gibt, steht Armani trotz der italienischen Krise bestens da.

Mut zur eigenen Wahl

Er hat von Anfang an erkannt, dass schöne Kleider zu erfinden nur ein Teil der Arbeit ist. Es gehe längst "nicht mehr um den Faltenrock oder den V-Ausschnitt", sagte er 2001 im Interview: "Es geht um Bilder, die man der Welt gibt."

Und Armani weiß, wie elegante Bilder entstehen: "Man muss den Mut haben zur eigenen Wahl", sagt er, "und auch mal Nein sagen können."

© SZ vom 09. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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