Gewissensfrage:Stadtväter der Klamotte

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Im Grevenbroicher Rathaus ist ein Streit darüber entbrannt, ob Hape Kerkeling Ehrenbürger des rheinländischen Ortes werden darf.

Hans-Jörg Heims

Diese Geschichte bietet reichlich Stoff für einen wie den Lokalreporter Horst Schlämmer. Eine amüsante Provinzposse ist das, die seit einigen Tagen den Braunkohlestaub in Grevenbroich aufwirbelt.

Weiß Bescheid: Hape Kerkeling als Lokalreporter Schlämmer. (Foto: Foto: dpa)

Ernsthaft und mit deutscher Gründlichkeit wird in der 65.000 Einwohner zählenden Stadt am Rande des Tagebaus Garzweiler über die Verleihung eines Titels debattiert, den es bisher noch gar nicht gibt: Soll Grevenbroich, wie andere Städte auch, verdiente Menschen als Ehrenbürger auszeichnen?

Die Frage bewegt die Gemüter, weshalb es an der Zeit wäre, dass sich eine inzwischen über die lokalen Grenzen hinaus bekannte Zeitung wie das Grevenbreuscher Tageblatt seinen stellvertretenden Chefredakteur Schlämmer auf Recherche schickte.

Der Mann im Columbo-Trenchcoat und der Gelenktasche am Arm, in der er für alle Fälle ein Käsebrot bei sich hat, weiß, wie man mit so heiklen Themen umgeht. Schließlich hat er schon mit den Tennislegenden Steffi Graf und Gabriela Sabatini sowie Sänger Xavier Naidoo ein munteres Doppel gespielt.

In Erinnerung bleibt auch sein Auftritt bei Günter Jauch, als er plötzlich so starke Rückenschmerzen bekam, dass er mit dem Quizmaster die Plätze tauschen und fortan Jauch die Fragen beantworten musste.

Wer das geschafft hat, für den müsste es ein leichtes sein, die wichtige Frage der Ehrenbürgerschaft zu klären. Man stellt sich vor, wie Schlämmer über die Flure des Rathauses schleicht und verdutzt dreinblickende Menschen fragt, ob Grevenbroich nicht wie in den siebziger Jahren ein eigenes Kennzeichen GV einführen sollte, das allerdings nur für Autos von Ehrenbürgern zugelassen wird.

Freilich hätte die Recherche einen Haken. Schlämmer würde in eigener Sache aktiv sein. Denn nach Vorstellung einiger Kommunalpolitiker soll er der erste Ehrenbürger von Grevenbroich werden.

Wobei nicht ganz klar ist, wer geehrt werden soll, die Kunstfigur Schlämmer oder der Komiker Kerkeling, der den Lokalreporter mit dem Bürokraten-Brillengestell, Seehundschnauzer und locker sitzenden Gebiss auf so wunderbare Weise spielt.

Vermutlich im August will sich der Stadtrat mit der Sache beschäftigen. Denn es gibt reichlich Klärungsbedarf. Normalerweise bieten Städte ihren Ehrenbürgern ja außer dem Titel etwas an.

Mal dürfen sie kostenlos öffentliche Verkehrsmitteln benutzen, mal umsonst ins Schwimmbad. Es stellt sich also die Frage, was eine Stadt wie Grevenbroich seinem möglichen Ehrenbürger zu bieten hätte. In Grevenbroich gibt es immer etwas zu feiern, heißt es auf der Homepage der Stadt. Höhepunkt sei das Schützenfest am ersten Septemberwochenende.

Darüber hinaus finden noch weitere 23 Kirmessen statt. Man könnte ein jährliches Essen der Ehrenbürger veranstalten. Schließlich betreibt Sternekoch Dieter Kaufmann seit 40 Jahren sein Feinschmeckerlokal "Zur Traube" in Grevenbroich.

Den Lokalreporter Schlämmer scheint das alles nicht sonderlich beeindruckt zu haben. In einem seiner Videos sieht man ihn zur Melodie von "Strangers in the Night" durch das nächtliche Grevenbroich streifen, wo wirklich nichts los ist.

Damit unterscheidet sich der Ort nicht von anderen, nur ist bei denen nicht Hape Kerkeling aufgetaucht, um die Tristesse für seine Sketche zu nutzen.

In Grevenbroich ist man gespalten: Ist der Spott positiv für das Image der Stadt? Oder wird das Ansehen nicht arg beschädigt? Bürgermeister Axel Prümm (CDU) sagt, mit seinem engagierten Auftreten sei Kerkeling mehr als nur ein Botschafter.

Bei Dreharbeiten hat Prümm ihm schon mal die Stadtnadel an den Mantel geheftet. "Das ist ohne Zweifel eine gute Imagewerbung für uns, die obendrein auch noch kostenlos ist", unterstützt Stadtsprecher Norbert Häke den Bürgermeister.

Unter den im Rat vertretenen Parteien hingegen findet das Vorhaben bisher wenig Gefallen. Für einen guten Scherz hält CDU-Fraktionschef Josef Theisen die Idee. Eine solche Ehrung dürfen nur jene erhalten, die sich richtig um die Stadt verdient gemacht haben, findet er.

Zweifellos mache Horst Schlämmer den Namen der Stadt bundesweit bekannt. Ihm dafür die Ehrenbürgerschaft zu verleihen, ginge zu weit, meint auch SPD-Fraktionschef Edmund Feuster. Spitzfindig begründet die FDP ihr Nein. Man könne ja nicht eine Kunstfigur wie Schlämmer zum Ehrenbürger ernennen. Oder doch? Schlämmer/Kerkeling weilt im Urlaub. Er wird dringend zurück erwartet.

© SZ vom 3.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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