Gewalt in Marseille:Bandenkriege fordern prominentes Opfer

Marseille crime

Der Sohn des Sportdirektors von Olympique Marseille wurde in seinem Auto erschossen.

(Foto: dpa)

Binnen weniger Stunden sind in Marseille zwei Männer erschossen worden - einer davon ist der Sohn des Sportdirektors des Fußballclubs Olympique Marseille. Bei Auseinandersetzungen von Banden wurden in diesem Jahr bereits 15 Menschen getötet.

Drogen, Schüsse und Tote auf offener Straße: "Marseille, immer wieder Marseille." Dieser Seufzer wird dem Gefolge des französischen Innenministers Manuel Valls zugeschrieben. Nach erneuten Exzessen der Bandenkriege in der Hafenmetropole will Valls nun wieder alle Kräfte mobilisieren. Diesmal unter den Überschriften "runder Tisch" und "nationaler Pakt".

Mit dem jüngsten Opfer hat das Morden in der Stadt ein bekanntes Gesicht bekommen: Adrien Anigo wurde am Donnerstag in seinem Auto von einem Motorrad aus erschossen. Er war der Sohn des Sportdirektors vom Fußballverein Olympique Marseille, José Anigo. Zwei Unbekannte haben den knapp 30-Jährigen nach den Worten seines Anwalts "getötet wie ein Tier".

Bereits am Morgen hatten vier Unbekannte in La Ciotat bei Marseille einen Mann umgebracht. Damit sind im Jahr 2013 schon 15 Menschen in der Stadt getötet worden.

Seit Jahren toben Bandenkriege in der Stadt, die in diesem Jahr auch eine der Kulturhauptstädte Europas ist. Für Polizei und Justiz ist das Opfer Anigo kein unbeschriebenes Blatt. Als Jugendlicher war er wegen Diebstahls verurteilt worden. 2010 wurde ein Verfahren gegen ihn wegen angeblicher Verwicklung in mehrere Raubüberfälle nach einem Verfahrensfehler eingestellt. "Die Straße hat meinen Sohn geschluckt", sagte Vater Anigo vor einiger Zeit über die frühen Jahre seines Sohnes.

"Ein wahrhaft mafiöses Netz"

Marie-Arlette Carlotti, Kabinettsmitglied in Paris und sozialistische Bürgermeisterkandidatin für die Wahlen im kommenden März, sieht in Marseille "ein wahrhaft mafiöses Netz" am Werk. Dieses müsse nun entsprechend bekämpft werden. Carlotti will "Zeichen des Reichtums" genauer anschauen und dabei auch in "geschützte Bereiche" wie Bankkonten dieser Netzwerke vorstoßen.

Fast 30 Prozent der Menschen in Marseille leben unterhalb der Armutsgrenze von 954 Euro pro Monat. Vor allem in den nördlichen Stadtteilen gibt es zweistellige Arbeitslosenquoten und kaum Hoffnung auf sozialen Aufstieg. Betroffen sind etwa Jugendliche aus unteren Schichten und Einwanderer-Familien.

Frankreichs Regierungschef Jean-Marc Ayrault hat dazu aufgerufen, den Kampf gegen kriminelle Banden auszuweiten. Die südfranzösische Hafenstadt dürfe in ihrer "Wachsamkeit nicht nachlassen", sagte Ayrault. Er kündigte weitere konkrete Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung Marseilles an, die er bei seinem im Oktober geplanten Besuch in Marseille bekanntgeben werde.

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